Hochtief: Übernahmekampf:Na und?

Warum nur gibt es so ein großes Gejammer darüber, dass der spanische Konzern ACS bald seinen deutschen Rivalen Hochtief kontrolliert? Die Einwände beruhen auf Ressentiments. ACS macht etwas, was auch viele deutsche Firmen tun.

Marc Beise

Verräterisch ist schon die Sprache. "Die Spanier schlucken" den deutschen Baukonzern Hochtief. Der steht blendend da, die Spanier dagegen sind "hoch verschuldet". Natürlich wollen sie Hochtief "zerschlagen", ist doch klar, gegenteilige Beteuerungen gelten als "Lippenbekenntnisse". ACS-Präsident Perez werde vielleicht schon im Mai bei der Hauptversammlung "sein wahres Gesicht" zeigen, heißt es. So reden sogar deutsche Wirtschaftsvertreter, die umgekehrt keine Bedenken haben, wenn hiesige Konzerne im Ausland zukaufen.

Ein spanischer Baukonzern ist drauf und dran, einen deutschen Konkurrenten zu übernehmen. Na und? Der Übernehmer geht streng nach dem Gesetz vor, er kauft sich Aktien zusammen von anderen, die freiwillig verkaufen. Er hat sich nicht einmal windiger Finanzierung bedient wie Porsche bei seinem Versuch, VW zu übernehmen (gescheitert), oder wie Schaeffler bei der Übernahme von Conti.

Der Hochtief-Käufer ACS aus Madrid hat nur einen Fehler: Er ist Spanier, und die spanische Volkswirtschaft im Allgemeinen und die dortige Bauwirtschaft im Besonderen gilt hierzulande als unsolide. Ressentiments dieser Art sollten eigentlich in einem zusammengewachsenen Europa der Vergangenheit angehören, aber das ist schon der erste von drei Einwänden gegen die Spanier, dass nämlich die Deutschen sich Europas nicht mehr gewiss sind. Viel, zu viel ist zuletzt von angeblichen deutschen Stärken und ausländischem Schlendrian geredet worden, als dass noch ausreichend Kredit namentlich für Südländer da wäre.

Zweitens hat die Finanzkrise das Verhältnis von Staat und Wirtschaft verändert. Seit hemmungslos spekulierende Banken die Welt an den Abgrund geführt haben, gelten weitreichende staatliche Eingriffe als Allheilmittel. Bis ins Einzelne wollen manche Großstrategen in der Politik, bei den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen in die Unternehmenswelt hineinregieren. Aber selbst wenn man brutalst möglichen Regelungen für die Finanzwelt das Wort redet (worüber durchaus zu streiten wäre), so ist doch sehr davor zu warnen, diesen Reflex in die Realwirtschaft zu tragen.

Wirtschaft, daran muss gelegentlich erinnert werden, entsteht nicht auf dem Reißbrett. Wenn doch, dann nennt man das Planwirtschaft, und das geht immer schief, früher oder später. Der ganze Ostblock ist über dieses Prinzip zugrunde gegangen, und auch das kommunistische China versucht heute aus gutem Grund, das Prinzip des Plans durch flexible Elemente zu lockern. Wirtschaft ist ein lebendiges Gebilde, es lebt vom zufälligen Zusammenführen unendlich vieler Entscheidungen. Der Markt, sofern er Regeln hat, die für alle gelten, ist noch immer erfolgreicher als jede Politik.

Vorsicht vor dem Vergleich

Das müssen auch jene wissen, die nun der Industriepolitik das Wort reden. Denn das ist der dritte Einwand, dass andere Staaten sich ja auch abschotten, warum also nicht die Deutschen? Ist Spanien nicht mit schlechtem Beispiel vorangegangen, als es den deutschen Energiekonzern Eon aussperrte? Ja, aber zugleich sind in der spanischen Industrie Tausende deutsche Firmen eingestiegen.

Vorsicht überhaupt mit dem Argument, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Frankreich hat eine lange Tradition in der Industriepolitik; dennoch steht das weltoffene Deutschland um Klassen besser da. Im Welthandel ist erwiesen, dass profitiert, auch wer einseitig seinen Markt öffnet. Vermutlich darf man dieses Prinzip auf Investitionen übertragen.

Das Hochtief-Management hätte sich all das rechtzeitig überlegen müssen. Es hat den Konzern nicht wirklich gut aufgestellt, als noch Zeit war, dafür verlor es im Abwehrkampf alles Maß. Die Chefs sind bald ausbezahlt und weg, die Mitarbeiter müssen bleiben, in einem nun überaus vergifteten Umfeld. Jetzt kommt es ausgerechnet auf die ungeliebten Spanier an, die nun eine neue Kultur des Vertrauens schaffen müssen.

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