Hochtief-Übernahme: Siegfried Müller:Ein Leisetreter als Lautsprecher

Hochtief-Konzernbetriebsrat Siegfried Müller macht Front gegen den Übernahmeversuch des spanischen Großaktionärs ACS. Das überrascht ihn selbst - und er freut sich über eine seltene Allianz.

Stefan Weber

So wie die Sache um den Hochtief-Konzern derzeit steht, kann der große silberfarbene Koffer, den Siegfried Müller in seinem Büro gleich hinter der Tür abgestellt hat, leicht zu Missverständnissen führen. "Sporting Español" steht in großen Lettern auf dem Gepäckstück. Und das ist in der Situation, in der sich Müllers Arbeitgeber derzeit befindet, durchaus pikant. Der 57-Jährige ist oberster Betriebsrat des Essener Bauunternehmens Hochtief, das sich seit drei Wochen einem Übernahmeversuch seines spanischen Großaktionärs ACS gegenübersieht.

Konzernbetriebsrat von Hochtief, Siegfried Müller, wehrt sich seit längerem gegen die Übernahme durch ACS. Jetzt kritisiert er das Verhalten der Regierung in dieser Frage.

Der Vorsitzende des Hochtief-Gesamtbetriebsrates, Siegfried Müller, ist eher ein Mann der leisen Töne. Doch angesichts der drohenden Übernahme von Hochtief durch die Spanier greift er nun zum Mikrofon.

(Foto: dpa)

Aber Müller kann die Sache mit dem Koffer aufklären: Da seien Trikots von Mitgliedern der Hochtief-Sportgemeinschaft drin, sagt er. Von irgendeinem Gastspiel hätten die Athleten den Aufkleber "Sporting Español" mitgebracht und auf ihr Gepäck geklebt. Dann macht Müller ein wenig Platz auf seinem Schreibtisch, schiebt ein paar Pokale sowie einen rot-weißen Lederfußball beiseite.

Denn der freundliche Mann mit dem runden Gesicht ist nicht nur der oberste Vertreter der Arbeitnehmer im Konzern. Er kümmert sich auch um die Betriebssportgruppe, insbesondere um die Fußballer, mit denen er immer montags unterwegs ist. "Aber das ruht jetzt alles. Jetzt gibt es nur eine Aufgabe: die Unabhängigkeit von Hochtief zu verteidigen", sagt Müller.

Er ist ein Mann der leisen Töne. Kräftig herumpoltern, vor großem Publikum Parolen in Mikrofone brüllen - das ist nicht seine Sache. Und doch weiß er: Um den Übernahmeversuch der Spanier abzuwehren, müssen auch die Mitarbeiter ihren Protest gut vernehmlich artikulieren. Und da ist er, der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, besonders gefragt.

An vorderster Front dabei

Am vergangenen Montag war so eine Gelegenheit. Da war der Aufsichtsrat von Hochtief im Büropark an der Gruga in Essen zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengekommen, um über die Offerte aus Spanien zu beraten. Mit dabei waren auch Angel Garcia Altozano und Marcelino Fernandez Verdes, die beiden Vertreter der ACS-Gruppe im Kontrollgremium.

Ihnen hatten die Hochtief-Beschäftigten einen wenig freundlichen Empfang bereitet. Es gab Pfiffe und Buhrufe, und auf vielen Dutzend Plakaten, die die Mitarbeiter den Besuchern von der Iberischen Halbinsel entgegenstreckten, war zu lesen, was sie von deren Ansinnen halten: "ACS? Nein".

Müller, der im Frankreich-Urlaub von der Attacke des Großaktionärs gehört hatte und daraufhin vorzeitig nach Hause gefahren war, hatte den Protest organisiert. Und er war in vorderster Front dabei, schimpfte über das Vorgehen der Spanier, die doch stets beteuert hätten, ihre Beteiligung an Hochtief von 29,98 Prozent nicht weiter aufstocken zu wollen und sprach in jedes Reportermikrofon: "Wenn ACS die Kontrolle über Hochtief erlangt, sind viele Arbeitsplätze bedroht."

Kampf gegen leere Versprechen

Den Aufsichtsratsmitgliedern aus Spanien, die sich an diesem Tag mit Hilfe von Sicherheitsleuten den Weg zu den Fahrstühlen bahnen mussten, hatte Müller sogar in ihrer Landessprache ein paar Worte hinterhergerufen. Als gelernter Fremdsprachenkorrespondent spricht Müller fünf Sprachen, darunter auch Spanisch. "Das ist allerdings ein wenig eingerostet", räumt er ein.

Im Nachhinein ist Müller, der in einer Band Gitarre spielt und singt, selbst ein wenig erschrocken über seinen entschlossenen Auftritt am vergangenen Montag. Als alles vorbei war, habe er ganz weiche Knie gehabt, gesteht er. Aber es sei eben auch nicht einfach, "von null auf 100" zu schalten, wo doch bei Hochtief in der Vergangenheit vieles sehr harmonisch verlaufen sei.

Ein paar Kündigungen, einige organisatorische Änderungen - mehr Konfliktstoff habe es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. "Und jetzt geht es auf einmal um die Zukunft des Unternehmens." Da ziehe der Betriebsrat mit dem Vorstand an einem Strang. Gefreut hat Müller, dass Vorstandschef Herbert Lütkestratkötter am Dienstag kurz in sein Büro gekommen ist, um sich für den "tollen Auftritt" am Tag zuvor zu bedanken.

Wie aber kann Hochtief den Fängen des Großaktionärs entrinnen? Müller meint, dass die Politik tätig werden müsse, schließlich sei mit Hochtief ein Stück "deutsche Baukultur" bedroht. Am Freitag war er bei SPD-Chef Sigmar Gabriel, und er wünscht sich, schon bald auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen erläutern zu können, warum aus seiner Sicht Tausende Arbeitsplätze bedroht sind, wenn ACS sein Ziel erreicht.

Ein wenig Hoffnung auf die Politik

Am 28. Oktober, so haben die Betriebsratsmitglieder gerade beschlossen, soll es einen Protestmarsch vor der spanischen Botschaft in Berlin geben. Mit 1000, vielleicht auch 1500 Hochtief-Beschäftigten. Aber ob die Politik wirklich helfen kann? Auch Müller hat Zweifel. "Aber wer es nicht zumindest versucht, hat schon verloren", sagt er.

Dann erzählt Müller, der bald 30 Jahre bei Hochtief arbeitet, die Geschichte von Dragados, dem einstmals zweitgrößten spanischen Baukonzern, der 2002 von ACS übernommen wurde. Sie ist für ihn die Blaupause für die Übernahme von Hochtief. Auch bei Dragados habe ACS zunächst nur eine Beteiligung erworben - "unter Absingen der Strophe: Mehr wollen wir nicht", sagt er.

Dann sei der Anteil doch aufgestockt und das Unternehmen zerschlagen worden. "Wenn wir sicher wären, dass wir an der langen Leine gelassen würden", meint der Betriebsratschef, "dann könnten wir uns vielleicht zähneknirschend damit abfinden, übernommen zu werden." Und dann klingt seine Stimme auf einmal sehr entschlossen: "Aber nicht bei einer Firma wie ACS, die ihre Versprechen schon mehrfach gebrochen hat."

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