Hochtief: Kritik von Keitel:Brüderle, bitte schweigen!

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Wenn alle einfach immer ein Wörtchen mitreden wollen: Hochtief-Aufsichtsrat und BDI-Chef Hans-Peter Keitel kritisiert Wirtschaftsminister Brüderle - und warnt vor ACS.

Marc Beise

Der größte deutsche Baukonzern Hochtief ist zunehmend besorgt über wiederholte öffentliche Äußerungen der Politik im Zusammenhang mit der Abwehrschlacht gegen den spanischen Konzern ACS. Die Konkurrenten aus Madrid versuchen seit drei Monaten, die Aktienmehrheit an dem Essener Unternehmen zu bekommen. Insbesondere die Stellungnahmen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle würden im Ausland als Distanzierung wahrgenommen und machten das Geschäft der Deutschen noch schwerer, bestätigte Hochtief-Aufsichtsrat Hans-Peter Keitel entsprechende Informationen der Süddeutschen Zeitung.

Wohin steuert Hochtief? (Foto: dpa)

"Man kann über den Änderungsbedarf im Übernahmerecht zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aber es war und ist für Geschäftspartner irritierend, wenn die ablehnende Haltung wieder und wieder und von einigen undifferenziert öffentlich dokumentiert wird", sagte Keitel, der bis 2007 Vorstandschef von Hochtief war. Keitel ist auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Der BDI fordert eine "neue" Industriepolitik, bei der die Regierung sich zwar nicht direkt in Unternehmen einmischt, aber im internationalen Standortwettbewerb deutlicher als bisher für deutsche Interessen eintritt - etwa in der Rohstoffpolitik.

Der FDP-Politiker Brüderle verweist bei der Ablehnung von Hilfe für Hochtief auf die Grundprinzipien der Marktwirtschaft und dass es nicht Aufgabe des Staates sei, in Unternehmensstrategien einzugreifen. Ähnlich hatte Brüderle im Fall des deutschen Autobauers Opel argumentiert, als dessen kriselnde US-Mutter General Motors Staatshilfe beantragt hatte, um die deutschen Werke zu retten; am Ende sah Brüderle sich bestätigt, weil GM Opel jetzt auch ohne neue Subventionen stützt. Für seine Standfestigkeit wird Brüderle von ordnungspolitisch orientierten Politikern und Experten gelobt.

Auch Keitel bekennt sich zur Ordnungspolitik. Er hält die Fälle Opel und Hochtief aber nicht für vergleichbar. Aus Sicht von Beobachtern wirkt es befremdlich, dass sich Minister Brüderle nicht wenigstens einmal mit dem Hochtief-Management getroffen und sich ein eigenes Bild gemacht hat.

Keitel ist nicht grundsätzlich gegen Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse. Auch Hochtief habe gerade in seiner Amtszeit Anteile an Firmen im In- und Ausland gekauft. "Wir haben aber immer zunächst Gespräche geführt und Kooperationsmöglichkeiten herausgearbeitet. Wir sind erst dann friedlich zusammengekommen, wenn das Ergebnis aus der Sicht aller Beteiligten positiv war", sagt er. Im Falle von ACS und Hochtief sei das anders. Die Spanier, die derzeit mit 30 Prozent an Hochtief beteiligt sind, wollten die Mehrheit, ohne Gespräche über Kooperationen zu führen. ACS-Chef Florentino Perez ist dem Vernehmen nach kein einziges Mal in Essen gewesen.

Bei Hochtief befürchtet man, im Falle einer Übernahme ausgenommen zu werden. Umgekehrt klagen deutsche Branchenkenner, dass die spanische Bauwirtschaft alles andere als nachhaltig sei, wie man an dem zur Spekulationsblase gewordenen Immobilienboom sehe.

Deutsche Wirtschaft dick im Geschäft

Anfang der Woche war bekannt geworden, dass der Wüstenstaat Katar mit knapp zehn Prozent bei Hochtief einsteigt. Brüderle hatte dadurch seine Industriepolitik bestätigt gesehen. "Wir haben damit goldrichtig gelegen, dass sich der Staat auch bei Hochtief zurückgehalten und nicht eingemischt hat." Keitel sieht das anders, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun: "Der Einstieg von Katar ist das Ergebnis des langen Engagements von Hochtief im arabischen Raum." In diesem Zusammenhang lobt Keitel ausdrücklich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die bei ihrer Reise im Mai dieses Jahres in die Golfregion geholfen habe, Türen zu öffnen. "Das hohe Ansehen Deutschlands und seiner obersten Repräsentanten war ausgesprochen hilfreich."

Das katarische Engagement, das allgemein als Stärkung von Hochtief im Abwehrkampf gewertet wird, sei rein strategisch und auch vor dem Hintergrund der soeben in die Wüste vergebenen Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zu sehen. "Katar will mit unserer Hilfe die Infrastruktur für dieses Großereignis schaffen", so Keitel. "Sie wollen das ausdrücklich mit deutscher und nicht mit spanischer oder sonstiger Hilfe machen."

Als BDI-Präsident verweist Keitel darauf, dass die deutsche Wirtschaft bei Großereignissen wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen besonders gut im Geschäft sei. "Wir können das, und das weiß die Welt. Damit sichern wir Wohlstand in Deutschland. Die Politik ist gut beraten, uns bei diesem Geschäft - wie zuletzt bei den Gesprächen in Brasilien - zu unterstützen, statt dem Ausland das Signal zu geben, dass dieses Engagement zur Disposition steht."

© SZ vom 11./12.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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