Hochtief:Einsturz im Essener Baukonzern

Hochtief kommt nicht zur Ruhe: Chef Frank Stieler muss gehen - nach nur 18 Monaten im Amt soll er vom spanischen Vorstandsmitglied Marcelino Fernandez Verdes ersetzt werden. Die brisante Personalie ist ein weiterer Höhepunkt in der Auseinandersetzung der Deutschen bei Hochtief mit dem spanischen Großaktionär ACS.

Karl-Heinz Büschemann und Stefan Weber

Der deutsche Baukonzern Hochtief kommt nicht zur Ruhe. Er steht vor einem Führungswechsel. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus dem Aufsichtsrat des Essener Unternehmens soll Frank Stieler, 54, durch das spanische Vorstandsmitglied Marcelino Fernandez Verdes, 57, abgelöst werden. Stieler ist erst seit Mai 2011 im Amt; nach 18 Monaten wäre für ihn Feierabend. Die Entscheidung soll auf der Aufsichtsratssitzung des Konzerns am kommenden Dienstag getroffen werden. Hochtief gab dazu am Freitagabend keine Stellungnahme ab.

Ein harter Aufprall für Stieler, der seit 2009 im Hochtief-Vorstand sitzt. Zuvor war er in führenden Funktionen beim Anlagenbauer Lurgi und bei Siemens tätig. Die brisante Personalie ist ein weiterer Höhepunkt in der Auseinandersetzung der Deutschen bei Hochtief mit dem spanischen Großaktionär ACS - der war 2007 bei Hochtief eingestiegen und hält seit 2011 die Mehrheit an dem Unternehmen. Das Essener Management fürchtet, der spanische Eigentümer wolle den Zugriff auf die Kasse von Hochtief sowie auf die Tochtergesellschaften in den USA und in Australien. ACS muss im höchst schwierigen spanischen Immobilienmarkt kämpfen, Schulden und schlechte Zahlen drücken die Stimmung bei Hauptmatador Florentino Pérez, der auch Präsident des Fußballklub Real Madrid ist. Stieler soll sich diesem Ansinnen widersetzt haben.

Schon der Übernahmekampf hatte zu hässlichen Auseinandersetzungen geführt. Ergebnis: Nach langen Querelen schied der langjährige, angesehene Vorstandsvorsitzende Herbert Lütkestratkötter aus; er hatte den Einstieg der Spanier massiv bekämpft. Der nervenzerfetzende Machtkampf wurde über die Medien ausgetragen. Stieler war damals der Wunschkandidat der Spanier für die Nachfolge. Doch bald zeigte sich, dass der Neue nur selten gute Nachrichten ins Hauptquartier des spanischen Großaktionärs ACS melden konnte. Mal verhagelten Fehlschläge der australischen Tochtergesellschaft Leighton die Bilanz. Dann sorgten Rückschläge beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie, wo Hochtief Generalunternehmer ist, für einen Gewinneinbruch. Doch am vergangenen Mittwoch überraschte Stieler die Aktionäre und Analysten mit einer guten Botschaft; Im dritten Quartal verbuchte Hochtief erstmals seit langem einen hohen Gewinn von 141 Millionen Euro.

Der spanische Großaktionär steckt selbst tief in Schwierigkeiten. Der Baukonzern ACS hat gerade erst gemeldet, in den ersten neun Monaten dieses Geschäftsjahres einen Verlust von 1,1 Milliarden Euro erlitten zu haben: Ein Jahr zuvor hatte ACS noch 740 Millionen Euro Gewinn gemacht. Der Minus der Spanier ging im Wesentlichen auf Sonderbelastungen zurück wie den verlustreichen Verkauf von Anteilen am spanischen Energieversorger Iberdrola. Die Beteiligung musste ACS verkaufen, um die drückende Schuldenlast zu reduzieren, die sich zuletzt auf 9,2 Milliarden Euro belief.

Noch immer ist unklar, ob sich die feindliche Übernahme von Hochtief für ACS auszahlen wird. Die Chance, sich mit Hilfe des Essener Konzerns und seinen Tochtergesellschaften vom krisenhaften spanischen Heimatmarkt abzusetzen, hat der Konzern mit der drückenden Schuldenlast erkauft.

Bei den großen strategischen Fragen herrscht Stillstand in der Essener Hochtief AG. Der angestrebte Verkauf des Flughafengeschäfts? Vorerst gescheitert. Die beabsichtigte Trennung von der Immobilientochter Aurelis? Angesichts der schwierigen Situation auf dem Kapitalmarkt problematisch. Viele Spitzenmanager haben Hochtief den Rücken gekehrt - gegen üppige Abfindungen. Zu allem Übel rutschte im Geschäftsjahr 2010/11 auch noch die australische Tochter Leighton in die Verlustzone, zum ersten Mal seit 25 Jahren. Stieler wird das alles wohl nicht mehr erklären müssen.

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