Hochtief: Abwehrkampf gegen ACS:Röttgen, Ritter und Doktor Lü

Deutschlands größter Baukonzern Hochtief kämpft gegen eine Übernahme durch den spanischen Rivalen ACS - bislang vergeblich. Dennoch sehen die Konzernstrategen noch Abwehrstrategien. Aber wie wahrscheinlich sind die?

Johannes Aumüller

Lü nennen sie den Mann, der sich gerade in einer massiven Abwehrschlacht befindet, manchmal auch Dr. Lü. Dr. Lü, das ist Herbert Lütkestratkötter, 59, Chef des größten deutschen Bauunternehmens Hochtief. Seit der spanische Konkurrent ACS Mitte September eine Übernahme angekündigt hat, organisiert er in der Essener Konzernzentrale den Abwehrkampf - bislang vergeblich.

Hochtief

Hochtief-Mitarbeiter demonstrieren im Oktober bei einer außerordentlichen Betriebsversammlung gegen die drohende Übernahme durch den Konkurrenten ACS.

(Foto: dpa)

ACS hält derzeit 29,98 Prozent an Hochtief und möchte nun mit einem Tausch-Deal (acht ACS-Aktien für fünf Hochtief-Aktien) über die wichtige 30-Prozent-Schwelle kommen. Das Kalkül: ACS will nur ganz knapp über diese Hürde klettern, weil dann nach deutschem Recht das Pflichtangebot entfällt. Danach kann sich das spanische Bauunternehmen immer dann mit weiteren Aktien eindecken, wenn die Hochtief-Kurse niedrig sind. Kritiker werfen dem verschuldeten Konzern vor, dass er sich mit der Übernahme lediglich sanieren will.

Derzeit sieht alles so aus, als solle bei dem deutschen Traditionsunternehmen bald Florentino Pérez (international bekannt wegen seines Präsidentenamtes bei Real Madrid) das Sagen haben. Die Spanier wollen den Deal bis Ende Januar durchziehen, doch gänzlich aufgegeben hat Hochtief noch nicht. sueddeutsche.de beschreibt, auf welche Entwicklungen und Argumente sich die Hoffnungen gründen - und wie realistisch diese jeweils sind.

1.) Die Bafin

Die erste Hoffnung von Hochtief findet sich nur rund 100 Kilometer von der Essener Konzernzentrale entfernt - in der Graurheindorfer Straße 108 der früheren Bundeshauptstadt Bonn. Dort durchforsten gerade die Experten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ein 700-Seiten-Konvulut, in dem ACS die Details zum Übernahmeangebot niedergeschrieben hat. Ursprünglich galt eine Frist bis zum 23. November, nun dauert die Prüfung bis Monatsende an.

Und in der Tat kann seitens der Bafin bereits ein kleiner Stolperstein für den spanischen Baukonzern entstehen. ACS reichen zwar schon 14.000 Aktien, um über die 30-Prozent-Hürde zu kommen, allerdings pocht die Bafin darauf, dass ACS selbst über alle Aktien verfügt, die erforderlich wären, wenn die Offerte in vollem Umfang angenommen würde. Deshalb beschloss in der vergangenen Woche die ACS-Jahreshauptversammlung eine Kapitalerhöhung um bis zu 50 Prozent. Doch weitere Widersprüche aus Bonn sind derzeit eher nicht zu erwarten.

Stopp-Faktor: gering.

2.) Die juristischen Auseinandersetzungen in Spanien

Die Kapitalerhöhung hätte zur Folge, dass auf ACS in Spanien juristischer Ärger zukommen könnte. Die Aktionärsvereinigung Aemec, die den Streubesitz vertritt, plant eine Anfechtungsklage gegen die Entscheidung der Hauptversammlung. Weil Fragen der Minderheitsaktionäre erst im Nachhinein beantwortet werden, ist Aemec der Meinung, dass grundlegende Rechte verletzt wurden.

Zudem befindet sich der Konzern bereits in einer anderen juristischen Auseinandersetzung. Der Infrastrukturkonzern Iberdrola gehört zu zirka 13 Prozent ACS und kämpft mit massiven Vorwürfen gegen eine weitere Einflusserhöhung aus Madrid. Seine Anschuldigung: ACS habe für das Jahr 2009 seine Bilanzen gefälscht und nicht wie angegeben einen Gewinn von 988 Millionen Euro gemacht, sondern ein Minus von 405 Millionen Euro. ACS bestreitet das und wirft seinerseits Iberdrola vor, die Justiz unter fadenscheinigen Gründen zu instrumentalisieren. Im April kommt es zur Hauptverhandlung.

Hilfe aus Australien?

Unmittelbar beteiligt ist Hochtief an diesen Auseinandersetzungen nicht - und kann entsprechend auch nicht direkt profitieren. Allerdings könnten die Essener hoffen, dass durch solche Konflikte das Image und das Ansehen von ACS leiden und die deutsche Politik sich irgendwann doch noch des Themas annimmt - damit sie nicht am Ende als derjenige dasteht, der einen schmuddeligen Großinvestor ins Land gelassen hat (siehe Punkt 5).

Stopp-Faktor: sehr gering.

3.) Der Leighton-Trick

Nach Bonn und Madrid ist Melbourne der dritte Schauplatz, an dem sich das Blatt für Hochtief noch einmal wenden könnte. Weniger wegen der zwischendurch angedachten, mittlerweile aber verworfenen Möglichkeit, Hochtief mit seiner australischen Tochter Leighton zu einem globalen Unternehmen zu verschmelzen - sondern wegen eines seit einigen Wochen aktuellen juristischen Kniffs. Die Argumentation der Hochtief-Seite: Wenn ACS Hochtief kassieren will, muss es zugleich für die Minderheitsaktionäre der nominell doppelt so wertvollen Tochter Leighton, an der die Essener 55 Prozent halten, ein Angebot abgeben. Damit würde der Deal für die Spanier sehr teuer.

Doch dieser Trick scheint nicht aufzugehen. Die australischen Behörden fühlen sich für dieses Thema überhaupt nicht zuständig. Entsprechend schmetterte die Übernahmekommission (Takeovers Panel) den Antrag ab. Zwar ist nun als zweite Instanz das von Hochtief angerufene Review Panel tätig, doch es gibt keine Anzeichen, dass das Votum dieses Gremiums anders ausfällt - und eine weitere Instanz gibt es nicht mehr, die Leighton-Karte wäre nicht mehr spielbar.

Stopp-Faktor: gering.

4.) Ein Kursanstieg

In eine ähnliche Richtung geht eine andere Überlegung des Managements. Wie ließe sich der Kurs von Hochtief (derzeit: rund 60 Euro) derart in die Höhe treiben, dass der Deal für ACS unrentabel werden würde?

Das in solchen Momenten übliche Instrumentarium packten Vorstandschef Lütkestratkötter und seine Mitstreiter schon aus. Sie kündigten an, die Flughafen-Tochter Concessions und die Beteiligung an Aurelis Real Estate in den kommenden zwei Jahren zu Geld zu machen; sie versprachen den Aktionären dafür eine "angemessene" Beteiligung; sie forcieren eine Verschlankung des Konzerns in Europa; sie diskutierten sogar über eine Kapitalerhöhung - einen Schritt, der eigentlich verboten ist, wenn ein Angebot läuft, der nun aber legal wäre, weil bereits im Mai die Hochtief-Hauptversammlung eine Erhöhung vorsorglich genehmigte.

Allein: Diese Versuche fruchteten nicht, der Aktienkurs bewegte sich kaum. Für Analysten ist so gut wie ausgeschlossen, dass Hochtief innerhalb so kurzer Zeit eine Kursexplosion gelingt - zumal natürlich andere Marktteilnehmer, die ACS nahestehen, zugleich dafür sorgen wollen, dass der Kurs auf seinem bisherigen Stand verharrt.

Stopp-Faktor: gering.

5.) Die Aktivierung der Politik

Der effektivste Weg für Hochtief bestünde in einer Hilfe der Politik und beispielsweise einer daraus resultierenden Verschärfung der gesetzlichen Bedingungen für Übernahmen - wie sie in anderen Ländern längst Usus ist. Im Kern geht es um folgende Idee: Unternehmen sollen nicht nur beim Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle allen Aktionären ein verpflichtendes Übernahmeangebot machen müssen, sondern auch beim Erreichen weiterer Schwellen. Im Gespräch ist beispielsweise die Zahl 32 Prozent, die sich in einem Antrag der CDU-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2001 wiederfindet.

Warten auf den Weißen Ritter

Doch auf die Unterstützung der Christdemokraten wartet das Unternehmen größtenteils vergeblich. Lediglich die SPD schwang sich bisher auf die Seite von Hochtief. "Was hier passiert ist, ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Hochtief ist eine Perle des deutschen Unternehmensbestandes", echauffierte sich der Vorsitzende Sigmar Gabriel. Und Hannelore Kraft, die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, versuchte es über eine Gesetzesinitiative im Bundesrat - und scheiterte auch an den Stimmen der CDU-geführten Länder.

Von der schwarz-gelben Bundesregierung ist in dieser Causa nicht viel zu vernehmen, sie will den Anschein einer "Lex Hochtief" verhindern. Zwar signalisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Oktober nach Gabriels großem Auftritt bei Hochtief, dass auch sie das Unternehmen unterstützen wolle - doch nur wenig später waren die Äußerungen schon deutlich zurückhaltender.

Ein Grund für diesen Stimmungsumschwung, so berichtete es das Handelsblatt, soll ein Kontakt zwischen Merkel und der Deutschen Bank gewesen sein. Der Hintergrund: Die Deutsche Bank zieht gerade selbst eine Übernahme durch, die der Postbank. Das Finanzinstitut dementiert eine Einmischung.

Von der Bundes-CDU kann sich Hochtief wohl keine Unterstützung mehr erwarten. Das Unternehmen dürfte aber noch auf einen Stimmungsumschwung in Nordrhein-Westfalen spekulieren. Vereinzelt wurden schon Stimmen laut - wie beispielsweise die des früheren Generalsekretärs Hendrik Wüst, der aber bald als Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbandes NRW in die Wirtschaft wechselt. Doch der neue starke Unionsmann an Rhein und Ruhr, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, hält sich bisher bedeckt.

Stopp-Faktor: von allen Varianten am aussichtsreichsten, wenngleich wenig wahrscheinlich.

6.) Der Weiße Ritter

Und wenn man nicht mehr weiter weiß, dann kommt in der Politik ein Arbeitskreis - und in der Wirtschaft der sogenannte Weiße Ritter, also ein Investor, der rasch die Mehrheit zusammenkauft, um eine Übernahme zu verhindern. Der letzte spektakuläre Weiße-Ritter-Fall vollzog sich im Jahr 2006, als sich das Berliner Unternehmen Schering gegen eine Übernahme durch Merck wehren wollte - und am Ende Bayer auftauchte, um Merck zu überbieten.

Auch Hochtief spekulierte eine gewisse Zeit mit einem solchen Weißen Ritter, namentlich dem Emirat Katar. Sogar zu Gesprächen zwischen Kanzlerin Merkel und Katars Scheich Hamad kam es bereits. Allerdings war das schon Anfang November - und seitdem ist wenig passiert. Außerdem stieg das Emirat kürzlich ja auch schon bei VW und Porsche ein, und selbst bei den Scheichs ist das Investitionsbudget derzeit begrenzt.

Stopp-Faktor: sehr gering.

Dr. Lü und seine Mitstreiter müssen wohl ohne einen Weißen Ritter auskommen - und auf absehbare Zeit wohl ohne die Kontrolle über Hochtief.

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