Hochspezielle Rohstoffe:Seltene Erden heiß umkämpft

In der deutschen Industrie wächst die Furcht vor einem Ressourcen-Engpass. Ohne spezielle Metalle können weder Elektroauto noch Energiesparlampe oder Windrad auskommen.

Silvia Liebrich

Wer kennt schon Scandium, Neodym oder Gadolinium? Die meisten Menschen haben wohl noch nie etwas von diesen exotischen Materialien gehört. Das galt bis vor kurzem auch für die Manager in den Chefetagen vieler deutscher Unternehmen. Doch seit einiger Zeit sorgen die äußerst raren Metalle, die auch Seltene Erden genannt werden, in den Führungsetagen für helle Aufregung.

Im ostchinesischen Hafen von Lianyungang wird Sand, in dem Seltene Erden enthalten sind, für den Export nach Japan verladen.

Im ostchinesischen Hafen von Lianyungang wird Sand, in dem Seltene Erden enthalten sind, für den Export nach Japan verladen.

(Foto: AFP)

Der Nachschub ist in Gefahr und damit die Produktion in manchen Branchen. Kaum eine Schlüsseltechnologie vom Elektroauto über die Energiesparlampe bis zum Windrad kommt ohne diese raren Bodenschätze aus. Auch die Entwicklung von Zukunftstechnologie hängt entscheidend davon ab.

Macht Hauptlieferant China seine Ankündigung wahr und drosselt seine Ausfuhr, wäre dies ein Schlag für die deutsche Wirtschaft. Manche sehen sogar die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes bedroht, wie Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). "In manchen Unternehmen gibt es bereits echte Probleme mit der Verfügbarkeit", klagt er. Das gelte etwa für Lanthan, einen Rohstoff, der für Photovoltaik-Anlagen verwendet wird. Dass es eng wird, zeigt auch die Preisentwicklung. Seit dem Jahresanfang haben sich die Preise einiger rarer Metalle mehr als verdreifacht und sie steigen weiter.

Fatal ist, dass nicht nur deutsche, sondern Unternehmen rund um den Globus bei den Seltenen Erden beinahe zu hundert Prozent von China abhängig sind, das seine Exporte drastisch verringert. Die jährliche Produktion der seltenen Erden liegt bei nur 120.000 Tonnen. Davon gingen im vergangenen Jahr noch etwa 50.000 Tonnen in den Export. Jetzt fürchten die westlichen Länder, dass die Chinesen ihre Ankündigung wahr machen und die Ausfuhren auf nur noch 30.000 Tonnen gesenkt werden.

Deutsche Industrie rüstet sich

Inzwischen rüstet sich auch die deutsche Industrie zum Kampf um die knappen Ressourcen, sie fordert dabei mehr Hilfe von der Regierung. Kritiker werfen Kanzlerin Angela Merkel vor, sie habe das Problem zu lange ignoriert, denn der Zugang zu Rohstoffen ist nicht allein eine Frage von Angebot und Nachfrage. Länder wie China, aber auch die USA, Japan oder Russland haben die Beschaffung von Bodenschätzen längst zur nationalen Aufgabe erklärt.

Deutschland zog erst jetzt nach. Anfang Oktober nahm die Deutsche Rohstoffagentur, die unter dem Dach der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angesiedelt ist, ihre Arbeit auf. Deren neuer Chef, Volker Steinbach, nimmt kein Blatt vor den Mund: Die Entwicklung von Zukunftstechnologien, insbesondere auch der Ausbau der Windkraftenergie, hänge vom Zugriff auf die Seltenen Erden ab. "Das ist eine strategische Frage", sagt der BGR-Mann. Über die neue Rohstoffstrategie der Bundesregierung wollen Vertreter aus Politik und Wirtschaft am Dienstag bei einem Kongress des BDI in Berlin diskutieren.

Unverzichtbare Rohstoffe

Will Deutschland seine ehrgeizigen Ziele umsetzen, die Elektromobilität forcieren, Wind- und Sonnenenergie ausbauen, dann steigt der Bedarf an Seltenen Erden in den nächsten Jahren erheblich. Beim Bau von Elektromotoren, Magneten und vielen neuen Technologien gelten sie als unverzichtbar.

Professor Armin Reller, der an der Universität Augsburg den Lehrstuhl für Ressourcenstrategie leitet, schätzt den künftigen Bedarf der deutschen Industrie auf mindestens 50000 Tonnen pro Jahr. Er warnt bereits seit einigen Jahren vor einem bevorstehenden Engpass, "aber erst jetzt merken viele Abnehmer, dass manche Stoffe kaum noch verfügbar sind, egal, was es kosten mag."

Auf der Suche nach neuen Lieferanten richten sich die Blicke nach Australien, Kanada, Grönland, Vietnam und in die Mongolei. Auch dort kommen die Seltenen Erden an einigen Stellen in so hohen Konzentrationen in der Erdkruste vor, dass sich ein Abbau lohnen könnte. "Allerdings dauert es fünf bis zehn Jahre, bis eine neue Mine erschlossen ist", sagt Reller.

Einfacher und schneller ist es, stillgelegte Bergwerke wieder zu öffnen. Ein Beispiel dafür ist die Mountain Pass Mine in Kalifornien, die vor Jahren die Förderung einstellte, weil sie mit den Dumpingpreisen der Anbieter aus China nicht mithalten konnte. Sie soll schon in den nächsten Monaten wieder in Betrieb gehen. Die erwartete Ausbeute wird jedoch nicht annähernd ausreichen, die große Lücke im Angebot zu schließen.

Fest steht deshalb schon jetzt: Die deutschen Unternehmen müssen sich in den nächsten Jahren auf einen sparsameren Umgang mit den seltenen Grundstoffen einstellen. Experten sehen darin aber auch eine Chance. Denn die Unternehmen werden verstärkt nach Ersatzstoffen und neuen technologischen Lösungen suchen und können sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

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