Süddeutsche Zeitung

HNA:Ultimatum aus Zürich

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Eine Anfrage der Schweizer Übernahmekommission bringt den Deutsche-Bank-Aktionär HNA in Zugzwang. Es geht um Scheindirektoren. In China heißen sie "weiße Handschuhe". Sie halten die Aktienpakete der Mächtigen.

Von Christoph Giesen und Meike Schreiber, Peking/Frankfurt

Noch knapp zwei Wochen bleiben HNA. Bis zum 3. Oktober, spätestens um 17.30 Uhr, muss der chinesische Konzern liefern, per E-Mail oder per Fax. Gestellt hat das Ultimatum, das HNA in Schwierigkeiten bringen könnte, die Schweizer Übernahmekommission. Eine korrekte Behörde aus Zürich.

Auf den ersten Blick geht es um nicht sehr viel. Im vergangenen Jahr erstand der kaufwütige Konzern aus China den Schweizer Airline-Caterer Gategroup für 1,5 Milliarden Dollar. Ein eher kleiner Deal verglichen mit den anderen Übernahmen der vergangenen Monate. Außerdem ist das Geld geflossen, eine Rückabwicklung ausgeschlossen. Und ein Caterer, nun ja, ist nicht gerade systemrelevant. Dennoch geht es für HNA um fast alles, nämlich die Glaubwürdigkeit, verbunden mit der simplen Frage: Wer steckt wirklich hinter diesem Unternehmen? Und wieso können bei einem Konzern mit einem Jahresumsatz in Größenordnung von Siemens oder BMW Aktien munter verschoben werden?

Als HNA im Frühjahr 2016 ein Angebot für die Gategroup abgab, war die Aktionärsstruktur noch recht übersichtlich. 22,75 Prozent der Anteile hielt eine Stiftung in China. 29,75 Prozent waren im Besitz zweier Männer. Bharat Bhisé, ein amerikanischer Staatsbürger, und Guan Jun, ein Chinese. Die restlichen 47,5 Prozent hielten laut Angebotsprospekt die Mitarbeiter des Unternehmens, wobei keiner der Angestellten angeblich mehr als drei Prozent der Anteile besaß.

Diese Struktur war aber nur von kurzer Dauer: Inzwischen hält HNA-Gründer Chen Feng 14,98 Prozent der Anteile, genauso wie Wang Jian, ein Kompagnon der ersten Stunde. Der ominöse Großaktionär Guan Jun konnte sogar kurzzeitig aufstocken. 29,5 Prozent hielt er alleine - bis vor wenigen Wochen. Dann wurden seine Aktien einer Stiftung in den USA überschrieben. Und HNA-Vorstandschef Adam Tan teilte mit, Guan Jun habe die Anteile nie wirklich besessen, sondern nur "für uns gehalten". Wer ist "uns"?

Auf chinesisch spricht man von "weißen Handschuhen". Sie halten die Aktienpakete der Mächtigen

In vielen Steueroasen trifft man das Phänomen der sogenannten Scheindirektoren an, im Handelsregister werden sie als Geschäftsführer eingesetzt, Strohmänner, die nichts zu sagen haben. In China ist oft alles noch verworrener. Auf Chinesisch spricht man von "weißen Handschuhen". Sie halten die Aktienpakete der Mächtigen. De jure besitzen sie die Anteile oft sogar wirklich. De facto aber würden sie es nie wagen, sie abzustoßen oder ihren Einfluss geltend zu machen. War dieser Guan Jun ein "weißer Handschuh"? Fragt man bei HNA nach, gibt der Konzern sich wortkarg: "Guan Jun ist nicht mehr Aktionär der Gesellschaft, und wir können nicht in seinem Namen sprechen. Er arbeitet nicht für die HNA Group und er vertritt die Gesellschaft nicht", heißt es in einer schriftlichen Erklärung.

Gerüchte gibt es aber jede Menge. Seit dem Frühjahr meldet sich immer wieder ein chinesischer Milliardär aus dem Exil in New York zu Wort. Miles Kwok nennt er sich, auf Chinesisch heißt er Guo Wengui. Kwok behauptet, HNA werde von Wang Qishan, einem der mächtigsten Männer Chinas gesteuert. Wang ist der oberste Korruptionsjäger des Landes und ein enger Vertrauter von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Für Kwoks Anschuldigungen gibt es keine konkreten Belege. HNA hat ihn deshalb in New York wegen Verleumdung verklagt. Nun aber will es die Übernahmekommission als erste Behörde genau wissen und fordert als Belege Transaktionsdokumente in englischer Übersetzung.

Sollten sich die Angaben als falsch herausstellen, könnte die Kommission eine sogenannte Feststellungsverfügung erlassen. Ein Dokument, das im Kern besagt, dass HNA geschwindelt hat. Folgen könnte das dann vor allem in anderen Ländern haben: So prüfen zum Beispiel die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank derzeit, ob sie HNA als Großaktionär der Deutschen Bank durchleuchten müssen. Schon etwas weiter ist die österreichische Finanzaufsicht FMA. Die Österreicher untersuchen HNA bereits, weil sie vor wenigen Monaten den österreichischen Fonds C-Quadrat übernommen hatten, der wiederum für HNA die Aktien an der Deutschen Bank hält. Wird HNA sich offenbaren? Die Zeit ist knapp.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2017
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