- Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins in der Euro-Zone auf 0,05 Prozent - ein neues historisches Tief. Die Entscheidung im EZB-Rat war nicht einstimmig.
- Erst im Juni hatte die EZB den wichtigsten Zins der Euro-Zone auf 0,15 Prozent gesenkt.
Historisches Zinstief in Frankfurt beschlossen
Die Europäische Zentralbank senkt ihren Leitzins auf das Rekordtief von 0,05 Prozent. Das ist äußerst überraschend. Denn erst im Juni hatte die EZB den Leitzins auf 0,15 Prozent gesenkt. Zudem hatte EZB-Präsident Mario Draghi damals gesagt: "Wir haben heute die untere Grenze erreicht."
Strafzins für Banken steigt
Im Juni hatte die EZB auch erstmals negative Zinsen eingeführt. Der sogenannte Einlagenzins sank damals auf -0,1 Prozent. Ihn müssen Banken zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. So sollen sie motiviert werden, stattdessen die Wirtschaft mit mehr Krediten zu versorgen. Dieser Wert fällt nun wie der Leitzins um 0,1 Prozentpunkte auf -0,2 Prozent.
EZB will Banken massiv Anleihen abkaufen
Die Europäische Zentralbank wird zum Wertpapierhändler: Draghi kündigt an, dass die EZB massiv Finanzpapiere kaufen werde. "Das wird einen sichtbaren Effekt auf unsere Bilanz haben", sagte er. Zum einen geht es um Asset Backed Securities (ABS). Das sind verbriefte Papiere, die also auf anderen Finanzwerten basieren und durch diese besichert sind. Banken können Kredite für Hausbauer und Firmen zu ABS bündeln.
Außerdem will die EZB sogenannte Covered Bonds von Banken in der Euro-Zone kaufen. Das sind beispielsweise Pfandbriefe und ähnliche Schuldverschreibungen. Die Details sollen im Oktober beschlossen werden.
Im Juni hatte Draghi bereits ein riesiges Kreditpaket für die Banken verkündet. Die Geldhäuser können insgesamt Hunderte Milliarden Euro von der EZB bekommen. Diese Maßnahme soll mehr Geld in den Finanzkreislauf bringen - und könnte eventuell die Wirtschaft vor allem in Südeuropa beleben. Kritiker warnen, dass das viele Kapital in Zukunft zu enormer Inflation und gefährlichen Blasen an den Märkten führen könnte.
Was passiert, wenn eine Zentralbank Finanzpapiere kauft?
Draghi spricht davon, dass die Bilanz der EZB deutlich größer werden wird. Aktuell liegt sie bei rund zwei Billionen Euro* - es wird also um viele Milliarden Euro gehen. Wer Wertpapiere kauft, kann immer Verluste erleiden. Wie viel Risiko die Europäische Zentralbank eingehen wird, ist noch offen. Die Banken in der Euro-Zone haben teilweise große finanzielle Probleme und haben sich seit der Finanzkrise nicht erholt. Das hält die Wirtschaft in den Ländern zurück. Der Schritt der EZB könnte also den Finanzmarkt beleben.
Andererseits ist es ungewöhnlich, dass eine Zentralbank auf den Finanzmärkten aktiv wird. Sie hat praktisch unendlich viel Kapital zur Verfügung, weil sie Geld erstellen kann. Greift eine Zentralbank wie die EZB in die Finanzmärkte ein, könnten sich somit die Kräfte zwischen den bisherigen Händlern verschieben. Manche wagen vielleicht mehr, weil sie darauf hoffen, am Ende ihre riskanten Papiere bei der EZB abladen zu können. Ein solches Verhalten gehörte mit zu den Faktoren, die die Finanzkrise ausgelöst haben.
Es drohen zudem Belastungen für den Steuerzahler. Wenn die EZB Verluste einfährt, kann sie neues Kapital bei den Mitgliedsstaaten einfordern. Den größten Teil davon müsste dann Deutschland bezahlen, rund 26 Prozent. Jedoch muss eine Zentralbank Verluste nicht mit Eigenkapital ausgleichen - immerhin kann sie per Knopfdruck Geld erstellen.
Vor der Finanzkrise haben die Zentralbanken hauptsächlich mit dem Leitzins die Wirtschaft gesteuert. Seit dem Crash geht jedoch auch die EZB neue Wege und kauft Wertpapiere, wie an diesem Donnerstag beschlossen. Manche im EZB-Rat wollen noch weitergehen, sagte Draghi auf der Pressekonferenz nach der Leitzins-Entscheidung. Sie wollen im großen Stil Staatsanleihen kaufen, in der Finanzwelt als Quantative Easing bekannt. Vor allem die US-Notenbank Fed hat dies gemacht und Anleihen im Wert von Dutzenden Milliarden Dollar monatlich gekauft. Sie fährt ihr Programm aber gerade zurück, weil die Arbeitslosigkeit in den USA sinkt und die Wirtschaft langsam wächst. In Europa sieht es anders aus.
Wirtschaft lahmt, Inflation sinkt
Die EZB ist in einer schwierigen Situation. Die Krise hat viele Länder noch im Griff. Die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft Italien ist gerade erst wieder in eine Rezession gerutscht. Außerdem steigen die Preise kaum noch. Zuletzt lag die Inflation bei nur noch 0,3 Prozent, weit entfernt von einer Preissteigerung von knapp unter 2,0 Prozent, die die EZB auf lange Sicht anpeilt. Schnell wird sich dieses Problem aber nicht lösen. Die Ökonomen der EZB rechnen laut Draghi damit, dass dieses Jahr die Preise um 0,6 Prozent steigen. Für 2015 schätzen sie mit 1,1 Prozent, für 2016 mit 1,4 Prozent.
Zudem sinkt die Arbeitslosigkeit kaum. Sie liegt aktuell bei 11,5 Prozent.
*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die EZB-Bilanz habe einen Umfang von 174 Milliarden Euro. Die EZB agiert jedoch auch im Namen der 18 Zentralbanken der Euro-Länder. Diese sogenannte Eurosystem-Bilanz hat einen Umfang von rund zwei Billionen Euro (hier als PDF).