Historische Stromausfälle:Dunkle Stunden

Plünderungen, kriminelle Manipulation und Haarschnitte bei Kerzenschein: Große Stromausfälle wie der in München haben Menschen schon oft in Ausnahmesituationen gebracht. Und jedes Mal kommt danach die Frage auf, ob in den dunkeln Stunden mehr Babys gezeugt werden.

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New York Blackout

Quelle: Getty Images

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Plünderungen, kriminelle Manipulation und Haarschnitte bei Kerzenschein: Große Stromausfälle wie der in München haben Menschen schon oft in Ausnahmesituationen gebracht. Und jedes Mal kommt danach die Frage auf, ob in den dunkeln Stunden mehr Babys gezeugt werden.

Am 13. Juli 1977 wurde es in New York City dunkel. Mehrere Blitzeinschläge hatten eine Kettenreaktion ausgelöst, am Ende war der Großteil der Stadt mehr als 24 Stunden ohne Strom. Das folgende Chaos wurde zum Fanal für eine Stadt im Niedergang. Es kam zu Plünderungen und Brandstiftungen, mehrere Tausend Menschen wurden verhaftet.

Bis heute ranken sich Mythen um jene Stunden. In Harlem und der Bronx erzählen sie, dass die Plünderungen von Elektronikgeschäften mithalfen, die Kultur der Hip-Hop-DJs zu begründen, die bald darauf die Welt erobern sollte. In den armen Stadtteilen waren Plattenspieler und andere Tontechnik nach dem Stromausfall allgegenwärtig.

Auch nach dem Stromausfall von 1977 machte das Gerücht die Runde, dass neun Monate später die Geburtenrate anstieg - dabei dürfte es sich jedoch um natürliche Fluktuation gehandelt haben, wie bei den meisten solcher Geschichten über "Stromausfall-Babys".

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Quelle: AP

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In Indien sind Stromausfälle keine Seltenheit. Vor allem in den Sommermonaten kommt es wegen des steigenden Stromverbrauchs oft zu Engpässen. Doch in diesem Jahr legte am 31. Juli ein Blackout den gesamten Norden, Nordosten und Osten lahm. 600 Millionen Menschen waren ohne Strom, das heißt in etwa die Hälfte der gesamten Bevölkerung. In der Hauptstadt Neu-Delhi stand das Leben still, hier behilft sich ein Frisör in Kalkutta mit einer Kerze.

Experten sprachen vom größten Stromausfall seit elf Jahren. Der indische Energieminister Sushilkumar Shind schob die Verantwortung für das Chaos einigen Bundesstaaten zu: Diese hätten mehr Strom abgerufen als ihnen eigentlich zustünde. Indien ist in der Energieversorgung vor allem von Kohle abhängig, die Stromnetze sind veraltet. Schon lange fordert die Industrie die Reform der bestehenden Netze.

BRASIL-PARAGUAY-USINA-ITAIPU

Quelle: AFP

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Vier Stunden gab es am 11. März 1999 im Süden Brasiliens keinen Strom. Ein Blitzeinschlag im Bundesstaat São Paulo war zu viel für das marode Stromsystem des Landes. Das Kraftwerk am Itaipu-Damm (Bild), das seinerseits auf kleinere Kraftwerke angewiesen ist, konnte nicht mehr versorgt werden, das Netz brach zusammen.

Mindestens 60 Millionen Menschen in zehn Bundesstaaten waren betroffen. Auch in den beiden wichtigsten Städten Rio de Janeiro und São Paulo fiel der Strom aus. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete von dramatischen Szenen: "Züge und U-Bahnen blieben stehen, Zehntausende Menschen harrten in den Waggons aus. Hunderte von Fahrstühlen blieben stecken. Auf den dunklen Straßen bildeten sich lange Staus, festsitzende Autofahrer wurden in Rio von Jugendbanden ausgeraubt." Für Linke war der Ausfall typisches Symptom der Privatisierung öffentlicher Güter in Südamerika: Die Unternehmen hätten sich nicht um die Netze gekümmert.

GESCHÄFTSSCHLIEßUNG WEGEN STROMSPERRE

Quelle: DPA

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Das sonnige Kalifornien frisst viel Strom - auch wegen der Klimaanlagen, die spätestens im Frühling auf Hochtouren laufen. Vor allem aber war es eine inkomplette Deregulierung, die den bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat im Jahr 2000 in die Stromkrise stürzte. Die Preise für Endverbraucher waren gedeckelt, gab jenen keinen Anreiz, Strom zu sparen. Die regionalen Versorger mussten an der Börse Strom zu ungedeckelten - also hohen - Preisen kaufen, die sie aber wegen der Deckelung für Endverbraucher nicht an jene weitergeben konnten.

Profiteure waren Stromhändler wie die berüchtigte texanische Firma Enron. Unter anderem gab sie die Stromlast auf bestimmten Leitungen höher an, als sie tatsächlich war, und konnte dann von den Versorgern hohe Preise für Strom verlangen. Die Folge: über Monate regelmäßige Stromausfälle in San Francisco (im Bild ein Geschäft, das deshalb schließen musste), San Diego und anderswo im Bundesstaat. 2001 ging Enron wegen eines Betrugsskandals pleite. Kalifornien rettete seine Stromversorgung durch massive staatliche Intervention. Energieminister Bill Richardson hatte bereits vor den Problemen in Kalifornien konstatiert: "Wir sind die größte Supermacht der Erde aber haben das Stromnetz eines Dritte-Welt-Landes."

Stromausfall - Zähneputzen bei Kerzenschein

Quelle: dpa

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2006 gingen die Lichter in Europa aus. Von Nordrhein-Westfalen bis nach Spanien saßen die Menschen am  4. November gegen 22 Uhr im Dunkeln (Foto aus Freiburg). Auslöser war eine vom Energiekonzern Eon abgeschaltete Hochspannungsleitung in Niedersachsen.

Das Unternehmen hatte die Leitung gekappt, um einem Kreuzfahrtschiff die Fahrt auf der Ems zu ermöglichen - das lief zwar wie geplant, doch letztendlich mussten zehn Millionen Europäer für eineinhalb Stunden ohne Strom auskommen. Der Engpass im deutschen Stromnetz hatte eine Kettenreaktion ausgelöst. Berichten zufolge reichte sie sogar über die Grenzen Europas hinaus, bis nach Marokko: Selbst dort soll es eine Dreiviertelstunde lang keinen Strom gegeben haben.

© Süddeutsche.de/ratz/jab
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