Die sieben führenden Industriestaaten (G7) ringen um das finanzielle Hilfspaket für die Ukraine, das sie dem kriegsgebeutelten Land bereits im vergangenen Herbst für dieses Jahr zugesagt hatten. "Wir brauchen zusätzliche Unterstützung für die Ukraine", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Donnerstagabend nach einem Treffen der G-7-Finanzminister im indischen Bangalore, "nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern auch hinsichtlich des Erhalts der Staatsfunktion der Ukraine."
Die Ukraine braucht unter anderem Geld, um die Verwaltung und den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten oder Renten auszuzahlen. Hinzu kommt die vielerorts zerstörte Infrastruktur. Das Problem ist aber: Obwohl bereits milliardenschwere Zusagen auf dem Tisch liegen, tut sich immer noch eine Finanzierungslücke auf.
Zuletzt war aus deutschen Regierungskreisen zu hören, dass der Finanzbedarf der Ukraine noch einmal gestiegen sei. Offenbar liegt er inzwischen bei mehr als 40 Milliarden Dollar für das laufende Jahr. Die EU hat bislang 18 Milliarden Euro an Krediten zugesagt; die USA wollen rund zehn Milliarden Dollar beisteuern, wie die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen am Donnerstag in Bangalore bestätigte. Diese Woche hat zudem der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida 5,5 Milliarden Dollar versprochen - sein Land hat Anfang des Jahres die G-7-Präsidentschaft von Deutschland übernommen. Hinzu kommen weitere kleinere Summen, sodass im Abschlussdokument von Zusagen in Höhe von 39 Milliarden Dollar die Rede ist. Mit Blick auf die verbliebene Lücke verwies Lindner am Donnerstag auf ein geplantes Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Im Gespräch sind dabei dem Vernehmen nach 16 Milliarden Dollar für vier Jahre. Allerdings müssen die genauen Konditionen noch geklärt werden, etwa wer welche Garantien gibt. "Deutschland ist wichtig, dass es dabei eine faire Verteilung der Lasten und Risiken gibt", sagte Lindner nach dem G-7-Treffen, zu dem auch der ukrainische Finanzminister Serhij Martschenko zugeschaltet war. Finalisiert werden dürfte das Programm erst im Frühjahr, bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington.
Indien sehe sich in dem Krieg als ehrlicher Makler
Zusammengekommen waren die G-7-Minister am Rande des diesjährigen G-20-Treffens der Finanzminister und Notenbankgouverneure, das noch bis Samstag in Bangalore stattfindet. Indien hat derzeit die Präsidentschaft im Kreis der 20 größten Industrie- und Schwellenländer inne. Auf der Tagesordnung stehen Themen wie die internationale Finanzarchitektur, die Entwicklung der Weltkonjunktur oder die Verschuldungssituation in den armen Ländern der Welt. Lindner sagte, Letzteres sei Deutschland sehr wichtig. Man müsse in diesem Zusammenhang auch China "bei jeder Gelegenheit" daran erinnern, dass es eine große Verantwortung trage, weil das Land inzwischen einer der größten Gläubiger sei. US-Finanzministerin Yellen, mit der Lindner am Donnerstag ein bilaterales Treffen hatte, forderte ebenfalls, man müsse zusammenarbeiten, um den Schuldenüberhang zu verringern, der zu viele Länder zurückhalte.

Neben diesen Themen drängt aber auch im G-20-Kreis der Krieg in der Ukraine auf die Agenda. Am Donnerstag deutete sich bereits ein Konflikt an: Berichten zufolge will die indische Präsidentschaft im Abschlussdokument zu dem Finanzministertreffen das Wort "Krieg" durch "Krise" ersetzen. Damit aber würde die internationale Gemeinschaft hinter den Stand zurückfallen, auf den sie sich bereits 2022 geeinigt hatte; damals noch unter indonesischer Führung.
Schon vor dem Treffen in Bangalore hatte es aus deutschen Regierungskreisen geheißen: "Für uns ist die spannende Frage vor Ort: Wie steht Indien jetzt zu der Frage Ukraine-Konflikt?" Indien sehe sich in dem Krieg als ehrlicher Makler. "Aber es gibt eine Reihe von Entwicklungen, gerade was Sanktionen und Energie angeht, wo wir genauer hinhören müssen und gucken: Wie will die indische Präsidentschaft sich da positionieren?"
Indien hat den russischen Angriff auf die Ukraine bisher nicht verurteilt; vergangenes Jahr enthielt sich das Land bei der Abstimmung über die entsprechende UN-Resolution. Außerdem beteiligt sich Indien nicht am Importbann gegen russisches Öl, den viele Länder verhängt haben - zusammen mit einem Höchstpreis von 60 Dollar je Fass. Stattdessen kauft Indien, der drittgrößte Erdölimporteur der Welt, inzwischen sogar deutlich mehr russisches Öl ein als zuvor und profitiert dabei von den niedrigen Preisen.
Dass der Westen Indien zu einer härteren Haltung gegenüber Russland drängt, parierte der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar vergangenes Jahr allerdings mit dem Satz: "Europa muss sich von der Denkweise verabschieden, dass Europas Probleme die Probleme der ganzen Welt sind, aber die Probleme der Welt nicht die Europas."