Süddeutsche Zeitung

Hilfen für Griechenland:Es werde Wachstum

Die gute Nachricht: Es ging der griechischen Volkswirtschaft schon schlechter. Aber so schnell wird es auch nicht besser. Griechenland braucht mehr Geld. Doch wie viel? Und woher soll es kommen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin, Alexander Mühlauer und Markus Zydra, Frankfurt

Es dauerte nicht einmal 24 Stunden, bis die Hilfskonstruktion, die sich die PR-Strategen der Bundesregierung in aller Eile zurechtgezimmert hatten, in sich zusammenstürzte. Man verstehe die Aufregung gar nicht, hatten das Finanzministerium und das Bundespresseamt in schönster Eintracht erklärt, Wolfgang Schäuble habe mit seinem Hinweis auf die Notwendigkeit eines dritten Griechenland-Programms doch nur gesagt, was er schon seit Monaten sage. Dass dies eine zumindest gewagte Interpretation ist, zeigten die ersten Reaktionen von Schäubles eigenen Bundesgenossen: Es sei "völlig falsch, jetzt ein drittes Paket zu fordern", hieß es bei der CSU, und die FDP bezeichnete die Diskussion als "Gift für die Reformbemühungen Griechenlands".

In der CDU gab es - wenn auch nur unter der Hand - ähnliche Töne, von der Opposition ganz zu schweigen: Sie schöpfte Hoffnung, womöglich doch noch einmal Schwung in den so quälend verlaufenden Bundestagswahlkampf zu bringen. Mittlerweile ebbt die Kritik allerdings schon wieder ab, denn SPD und Grüne wissen genau, dass sie es waren, die den Griechen einst den Beitritt zur Euro-Zone gestatteten. Zeit, einen Blick auf die Fakten zu werfen. Die Süddeutsche Zeitung beantwortet im Folgenden die wichtigsten Fragen.

Wie viel Geld braucht Athen?

Einfache Frage, schwierige Antwort. Tatsache ist zunächst einmal: Niemand geht davon aus, dass sich Griechenland nach Ablauf des jetzigen Hilfsprogramms Ende 2014 wieder über die Kapitalmärkte finanzieren kann. Das bedeutet, dass andere Finanzierungsquellen gefunden werden müssen. Wie hoch der Bedarf ist, hängt maßgeblich von der Konjunkturentwicklung ab. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die griechische Wirtschaft ab 2015 wieder mit Jahresraten von drei bis vier Prozent wachsen wird. Kommt es dazu, könnte sich der Finanzierungsbedarf für 2015 und 2016 auf einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag und für den Zeitraum 2015 bis 2020 auf etwa 50 Milliarden Euro belaufen. Fällt das Wachstum nur ein wenig geringer aus, sinkt auch das Steueraufkommen - und der Hilfsbedarf steigt.

Woher kommen die Milliarden?

Bisher erhalten die Griechen Darlehen der Euro-Partner und des IWF. Die Kredite haben die Staatsschuldenquote in solche Höhen getrieben, dass diese jetzt als Haupthindernis für eine Rückkehr des Landes auf die Kapitalmärkte gilt. Weitere Darlehen wären deshalb eigentlich nicht sinnvoll. Möglich wäre ein zweiter Schuldenschnitt, der diesmal allerdings vor allem die öffentlichen Gläubiger träfe und in den Geberländern entsprechend unpopulär wäre. Auch käme die Europäische Zentralbank (EZB) in Konflikt mit ihren Statuten. Eine weitere Variante wäre die erneute Senkung von Darlehenszinsen und Tilgungsfristen. Dies würde Athen Luft verschaffen, aber das Problem der zu hohen Schuldenquote nicht lösen. Im Gespräch sind deshalb echte Transferzahlungen aus den EU-Strukturfonds, etwa über die weitere Lockerung der Vergaberegeln. Das würde allerdings wohl nicht ausreichen, um das Finanzloch zu stopfen.

Wie groß war die bisherige Unterstützung für Griechenland?

Es war im Frühjahr 2010, als das erste Hilfspaket geschnürt wurde. Mit 110 Milliarden Euro wollten der IWF und die Euro-Partner Griechenland unterstützen. Ausbezahlt wurden davon 73 Milliarden Euro, Deutschlands Anteil lag bei gut 15 Milliarden Euro (allesamt vom Bund verbürgte Kredite der Staatsbank KfW). Zwei Jahre später kam das zweite Rettungspaket: knapp 164 Milliarden Euro für die Jahre 2012 bis 2014. Im März 2012 dann der Schuldenschnitt: Private Gläubiger mussten auf gut 53 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Das entsprach 106,5 Milliarden Euro. Die griechische Staatsschuld fiel dadurch zunächst von 170 auf 136 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Wie geht es der griechischen Volkswirtschaft?

Die gute Nachricht: Es war schon mal schlimmer. Doch so schnell wird es auch nicht besser. Erst für das nächste Jahr rechnen Ökonomen mit einem geringen Wachstum von 0,6 Prozent. Dass dies nicht leicht wird, zeigt ein Blick auf die Zahlen des griechischen Statistikamtes Elstat: Im zweiten Quartal 2013 schrumpfte die griechische Wirtschaft um 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Kein Wunder, dass der Staat noch immer zu wenig Steuern einnimmt. Die Regierung in Athen versucht deshalb, mit Privatisierungen an Geld zu kommen. Vergangene Woche konnte der Staat etwa seinen Anteil an einem Glücksspielunternehmen für mehrere Hundert Millionen Euro verkaufen.

Welche Ziele hat Athen mit den Helfern vereinbart?

Die Ziele sind sehr ambitioniert. Innerhalb der nächsten sieben Jahre soll die griechische Staatsverschuldung unter 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden. Griechenland könnte dann, so die Hoffnung von Internationalem Währungsfonds und Euro-Partnern, seine Schulden wieder selbst bedienen. Die Frage ist allerdings, ob die Finanzmärkte das genauso sehen. Angesichts der massiven Verschuldung drängt der IWF auf schnelle Reformen. Das laufende Hilfsprogramm sei zwar geeignet, Griechenland auf einen guten Weg zu bringen - es gebe aber nach wie vor große Risiken. "Diese Risiken können nicht glaubwürdig ausgelöscht werden ohne eine schlüssigere Rückführung der griechischen Schuldenlast", schreibt der Währungsfonds aus Washington.

Ist ein weiterer Schuldenschnitt nötig?

Ja, er ist sehr wahrscheinlich nötig. Schon derzeit geht man davon aus, dass die Laufzeiten für Griechenlands Kredite gestreckt und die zu zahlenden Zinsen weiter abgesenkt werden. Diese Maßnahme entspricht im Kern einem Schuldenschnitt, weil die Kreditgeber nicht den vereinbarten Betrag zum vereinbarten Zeitpunkt zurückerhalten. Allerdings ist die Außenwirkung dieser Maßnahme eine andere, denn formal werden die Kredite ja weiter bedient. Damit Griechenland das Vertrauen ausländischer Investoren zurückgewinnt, müsste die Staatsschuld von derzeit knapp 160 Prozent auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken - das ist auch die langfristige Vorgabe des IWF. Experten bezweifeln, dass dies ohne weitere Hilfen möglich ist. Zu langsam kommt die griechische Wirtschaft aus der Rezession. Mit einem zweiten harten Schuldenschnitt könnte Athen neu anfangen. Allerdings liegen die griechischen Staatsschulden zu über 80 Prozent bei den Euro-Staaten und der EZB - ein Schuldenschnitt würde dieses Mal also Steuergeld kosten. Um auf eine Schuldenquote von 120 Prozent zu kommen, müssten die Gläubiger auf rund 100 Milliarden Euro verzichten, hat die DZ-Bank ausgerechnet. Für Deutschland beliefe sich die Rechnung dann auf 20 Milliarden Euro. Das ist politisch schwer zu verkaufen. Ein weiteres Problem: Die EZB würde bei diesem Schuldenschnitt wohl nicht mitmachen, denn der Verzicht käme einer direkten Staatsfinanzierung gleich - und die ist der Notenbank verboten.

Wie reagieren die Finanzmärkte?

Grundsätzlich gehen die meisten Anleger davon aus, dass Griechenland weitere Hilfen braucht, ob es nun zusätzliche Kredite sind, Krediterleichterungen oder ein glatter Schuldenschnitt. Deshalb können Investoren nicht mehr überrascht werden, wenn die Finanzlage in Griechenland noch prekärer wird. Zudem halten Privatbanken nur noch einen Bruchteil der griechischen Staatsschulden, sodass hieraus keine Gefahren für das Finanzsystem erwachsen können. Ein Schuldenschnitt beträfe vor allem die Haushalte der Euro-Staaten. Die Frage wäre also, ob es sich die einzelnen Regierungen überhaupt leisten können, auf Milliardenbeträge im Haushalt zu verzichten. Das würden die Finanzmärkte genau beobachten. Insgesamt geht man aber davon aus, dass von Griechenland keine Gefahr mehr für die Stabilität der Euro-Zone ausgeht.

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SZ vom 23.08.2013/kjan
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