Hightech in Israel:Verborgene Talente

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Die israelische Organisation Itworks vermittelt auch Kontakte zu Palästinensern. Die Zusammenarbeit mit dem Gazastreifen ist aber wegen der Abschottung des Küstenstreifens schwierig. (Foto: Alexandra Föderl-Schmid)

Israels Hightech-Branche holt ausländische Fachkräfte, dabei gäbe es Potenzial im eigenen Land - israelische Araber.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Die Unternehmen in Israels Hightech-Sektor haben ein gemeinsames Problem: Qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. 15 000 offene Stellen gibt es, mehr und mehr Aufgaben werden ins Ausland verlagert - vor allem in die Ukraine. "Dabei liegt die Lösung so nahe. Wir versuchen eine Brücke zwischen arabischen Arbeitskräften und der Hightech-Industrie in Israel zu schaffen", sagt Ifat Baron Goldberg. Die Israelin gründete 2006 die Organisation Itworks, die versucht, mehr Diversität in Unternehmen zu bringen und Minderheiten im Land für Jobs im Hightech-Sektor zu qualifizieren.

Damit sind vor allem arabische Israelis gemeint, die zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachen. "Hier gibt es großes Potenzial, das nicht genutzt wird", sagt Baron Goldberg. "Es ist schwierig für Minderheiten, einen Tech-Job zu bekommen." Warum? "Es gibt Diskriminierung, aber auch eine unterschiedliche Kultur. Wie schaut das aus, wenn eine Frau kommt, und der Bruder wartet draußen auf sie während des Bewerbungsgesprächs? Oder ein Araber vermeidet Augenkontakt mit einer Israelin, die ihn für einen Job befragt."

Itworks bietet mehrwöchige Kurse und Camps an, die für die Teilnehmer kostenlos sind: So wird geübt, wie man einen Lebenslauf erstellt, ein Bewerbungsschreiben aufsetzt und wie man sich bei Rekrutierungsgesprächen verhält. 5500 Teilnehmer haben die Qualifizierungsmaßnahmen absolviert, 60 Prozent davon sind arabische Israelis.

Hebräisch ist zumeist nicht ihre Muttersprache. "Vor allem aber fehlt es ihnen jedoch an Netzwerken und damit an persönlichen Empfehlungen zur Jobvermittlung", sagt Baron Goldberg. Aber auch Israelis, die aus Äthiopien oder Russland eingewandert sind, haben Probleme, in diesem Sektor Fuß zu fassen. "Auch sie haben kein gutes Netzwerk. Wir können dagegen Türen öffnen."

Die Erfolgsquote ist hoch: Von den arabischen Israelis, die einen der Kurse bei Itworks genutzt haben, konnten 96 Prozent einen Job in der Branche finden. Rund 150 Arbeitgeber arbeiten mit Itworks zusammen. "Wir können auch jenen zu Arbeitsplätzen verhelfen, die keines unserer Programme absolviert haben", sagt Robin Arnon, die für Partnerschaften zuständige Leiterin bei Itworks. Die Organisation baute eine Datenbank auf, genannt Ittalent. Dort werden die Namen von potenziellen Jobkandidaten eingespeist - auch von Palästinensern aus dem Westjordanland.

Kontakte mit dem abgeriegelten Gazastreifen gestalten sich schwieriger. Für eine erfolgreiche Vermittlung eines Arbeitnehmers erhält die Organisation ein Monatsgehalt vom Unternehmen. Darüber hinaus finanziert sich Itworks, das in Netanja angesiedelt ist und inzwischen 34 Mitarbeiter hat, mit Geld der israelischen Regierung und von Stiftungen.

"Die Arbeit von Itworks ist superwichtig. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft."

Vor vier Jahren wurde Mohammed Arar auf das Angebot von Itworks aufmerksam. Er stammt aus Jaffa und hatte damals gerade das Studium des Fachs Informationssysteme abgeschlossen. Über die Organisation konnte er an einem Programmierkurs teilnehmen. Danach verschaffte ihm Itworks eine Stelle bei Dynamic Yield, einem auf Personalisierungstechniken spezialisierten Unternehmen mit Sitz im Zentrum Tel Avivs. Arar stieg rasch zum Leiter der Support-Abteilung auf, seit Beginn dieses Jahres arbeitet er in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung - als erster arabischer Israeli. "Die Arbeit von Itworks ist superwichtig. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft", sagt der 26-Jährige. "Sie fragen auch jetzt noch, ob sie mich unterstützen können." Bei Dynamic Yield sind zehn von 115 Beschäftigten arabische Israelis.

Die Frage, warum bisher so wenige Arbeitgeber Menschen aus dieser Bevölkerungsgruppe oder Palästinenser einstellen, beantwortet Udi Vaks so: "Es gibt Talente, die wir nicht sehen." Diesen Satz wiederholt der Leiter des für Wachstum zuständigen Bereichs bei HP Indigo, einem auf Drucktechniken fokussierten Unternehmen, mehrmals. Die meisten Rekrutierungen kommen durch Empfehlungen von Mitarbeitern oder Bekannten zustande. "Es kostet viel mehr Zeit, in einem größeren Umfeld zu suchen." Itworks biete einen viel größeren Überblick. Die Organisation habe geholfen, in den vergangenen Monaten vier Mitarbeiter für sein Team zu rekrutieren, die aus Jerusalem und Ramallah kommen. "Es ist fantastisch, wenn man Talente dort entdeckt, wo sie nicht sofort offensichtlich sind. Das ist für beide Seiten gut." Er verweist darauf, dass ein Palästinenser in einem israelischen Unternehmen das Dreifache dessen verdiene, was in Ramallah üblich sei. Die Ausbildung an palästinensischen Universitäten wie Birzeit habe eine hohe Qualität. "Israelische Unternehmen lagern Jobs aus, statt dass wir uns in der Nähe umsehen."

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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