Games:"Es gibt noch keine gute Lösung für offene Spielwelten"

Games: Entwickler Hideo Kojima stellte sein neuestes Computerspiel "Death Stranding" auf Bühnen auf der ganzen Welt vor - ohne jedoch viele Details zu verraten.

Entwickler Hideo Kojima stellte sein neuestes Computerspiel "Death Stranding" auf Bühnen auf der ganzen Welt vor - ohne jedoch viele Details zu verraten.

(Foto: AFP)

Star-Entwickler Hideo Kojima erklärt, dass die Spieler sein neues Werk "Death Stranding" vielleicht erst in 20 Jahren verstehen und warum gute Geschichten die Freiheit der Spieler einschränken.

Interview von Caspar von Au

Als Paketzusteller Sam soll der Spieler in "Death Stranding", dem neuen Action-Adventure von Hideo Kojima, die Welt retten. Der japanische Entwickler zeichnet eine düstere Zukunft, in der eine Katastrophe große Teile der Menschheit ausgelöscht hat. Der Spieler beliefert sie mit dem Nötigsten und soll die zersplitterte Gesellschaft wieder vereinen.

Death Stranding ist das erste Spiel von Kojima, seitdem er das japanischen Spieleunternehmen Konami 2015 verlassen hat. Berühmt geworden ist er vor allem für die "Metal Gear"-Spiele (1987 bis 2015). Dementsprechend hoch waren die Erwartungen im Vorfeld an Death Stranding.

SZ: Herr Kojima, in Death Stranding erschließt der Spieler nach und nach den nordamerikanischen Kontinent, von der Ost- bis zur Westküste. Ist das Spiel also eine Art moderne Wild-West-Geschichte?

Hideo Kojima: Schauplatz ist natürlich Nordamerika, auch wenn ich mich landschaftlich eher von Island habe inspirieren lassen. Letztendlich ist das "Going West"-Motiv eine Metapher. Die Handlung spielt in der Zukunft, aber ich will, dass die Spieler den Zusammenhang zu der Welt herstellen können, die wir aktuell erleben. Der Trend geht zu mehr Individualismus und Isolation. Das sehen wir zum Beispiel an der Situation zwischen der EU und Großbritannien oder in den USA unter Trump. Im Spiel stelle ich dar, wie es ist, in einer isolierten und geteilten Gesellschaft zu leben.

Also ist Death Stranding ein politisches Computerspiel?

Es ist kein politisches Statement. Der Spieler entscheidet, ob er seine Mission vollendet, die Gesellschaft zu vereinen. Ich sage nicht, dass eine verbundene Gesellschaft richtig oder falsch ist. Ich will die Spieler zum Nachdenken anregen.

Will das nicht jeder Autor, egal ob von Spielen, Büchern oder Filmen?

Natürlich ist das auch in Romanen oder Filmen möglich. Aber Spiele sind anders, weil man sie durchlebt. Ich glaube, dass der Spieler in Death Stranding eine tiefere Erfahrung macht, als das in einem Film möglich wäre.

Inwiefern?

Der Protagonist Sam begegnet im Spielverlauf zum Beispiel einem einsamen, alten und schwer kranken Mann. Er bringt ihm Medikamente. Dadurch entsteht eine Verbindung zwischen dem Spieler und dem alten Mann. Denn dank ihm lebt der Alte weiter. Diese Episode ist aber nur eine Nebenstory. Der eigentliche Auftrag lautet: Vernetze die Städte Amerikas. Konzentriert sich der Spieler fortan wieder darauf und vergisst, dem alten Mann regelmäßig seine Medizin zu liefern, dann stirbt dieser und die Verbindung geht verloren. In einem Film kann der Zuschauer am Ausgang nichts ändern, aber in einem Spiel hat er die Wahl. Er fühlt sich für den Tod des Alten verantwortlich.

Sie haben im Vorfeld betont, dass Death Stranding sehr komplex sei und Sie ihr eigenes Spiel selbst noch nicht ganz durchblicken. Wie sollen die Spieler es dann verstehen - und auch noch Erkenntnisse für ihr Weltbild daraus ziehen?

Auch hier ist es ähnlich wie bei Romanen oder Filmen: Manchmal verstehst du nicht alles sofort. Nach dem ersten Durchspielen von Death Stranding wirst du nicht alles durchblicken. Aber nach zehn, zwanzig Jahren, wenn sich dein Umfeld verändert hat, realisierst du plötzlich: Ach, so war das gemeint! Und das ist die Art von Spielen, die ich schaffen will.

Viele Gamer sagen, dass in Achtzigern und Neunzigern die Grafik der Computerspiele zwar schlecht war, dafür die Storys aber interessanter. Heute sei das eher umgekehrt.

Zum Teil stimme ich zu. Vor 30 Jahren konnten sich Spieleentwickler nicht auf die Grafik verlassen, weil die Technologie noch nicht weit genug entwickelt war. Computerspiele enthielten damals viel mehr Text. Ich glaube zwar, dass es nicht unbedingt perfekt erzählt war, aber die Handlung nahm einen prominenteren Standpunkt ein in der Balance zwischen Text, Grafik und Sound. Heute sind viele Spiele nicht mehr linear, sondern bieten eine offene Welt, in der sich Spieler frei bewegen können. Wenn man eine Geschichte erzählen möchte, schränkt das aber die Handlungsfreiheit der Spieler ein. Es gibt noch keine gute Lösung für Open-World-Spiele.

Death Stranding hat ebenfalls eine offene Spielwelt. Wie lösen Sie das Problem?

Mein vorheriges Spiel, Metal Gear Solid: The Phantom Pain, war auch schon ein Open-World-Spiel. Das Game beginnt eher linear in einem kleinen Krankenhaus. Im Spielverlauf öffnet sich die Welt und die Handlung tritt in den Hintergrund. Meine Fans waren damit nicht besonders glücklich. Deshalb habe ich der Handlung dieses Mal mehr Prominenz gegeben. Storytelling und eine offene Spielwelt ist aber sehr schwer zu vereinbaren. Das hat sich nicht verändert.

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Death Stranding Screenshot

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