Hermès: Konzernchef Thomas:"Wie der Motor eines Bentleys"

Der Chef des Luxuskonzerns Hermès, Patrick Thomas, über sein Gehalt, die berühmte "Kelly-Bag" und das schönste Krokodil aus eigener Zucht.

M. Kläsgen

"Die Familie dient dem Unternehmen", sagt Patrick Thomas, Chef des französischen Familienunternehmens Hermès - eine der erfolgreichsten Luxusmarken der Welt. Der Erfolg habe die Familie über Generationen zusammengehalten. Der Vater des Gründers Thierry Hermès stammt aus der Nähe von Krefeld. Er fertigte zunächst Sättel und Zaumzeug für russische Zaren und amerikanische Millionäre. Die berühmte Kelly-Bag geht auf eine Satteltasche zurück. Grace Kelly, Fürstin von Monaco, benutzte sie später auch, um sich Reporter vom Leib zu halten.

Interview Patrick Thomas, AFP

Patrick Thomas (rechts) in einem seiner Läden mit dem Hermès-Chef für die USA, Robert Chavez.

(Foto: Foto: AFP)

SZ: Herr Thomas, die Familie Hermès lebte vor langer Zeit in Deutschland, aber war sie deutsch?

Patrick Thomas: Sie stammte aus Frankreich, musste das Land aber verlassen, weil sie protestantisch war und ist. Sie ließ sich in der Nähe von Krefeld nieder. Dietrich Hermès, der Vater des Firmengründers Thierry, war Deutscher und hatte in der Nähe von Krefeld einen Gasthof. Thierry kehrte 1827 nach Frankreich zurück, fertigte Kutschengeschirr und eröffnete 1837 ein Geschäft, aus dem das heutige Unternehmen hervorging.

SZ: Was hielt die Firma über sechs Generationen bis heute zusammen?

Thomas: Vor allem der Erfolg: Der Börsenwert beträgt heute mehr als zehn Milliarden Euro. Hinzu kommt die Überzeugung, dass die Familie dem Unternehmen dient und nicht das Unternehmen der Familie. Als die Firma 1993 an die Börse ging, fragte ein Finanzanalyst meinen Vorgänger Jean-Louis Dumas, was seine Finanzstrategie sei. Dumas antwortete: Dass noch meine Enkel stolz auf mich sind.

SZ: Ist es das langfristige Denken, das Hermès von anderen börsennotierten Konzernen unterscheidet?

Thomas: Sehr viele große Konzerne, vor allem angelsächsische, sind fürchterlich kurzfristig ausgerichtet. Dies kann ein Unternehmen umbringen. Das ist brandgefährlich. Die Angelsachsen haben damit ihrer Industrie keinen Gefallen getan. Wenn Porsche nur in Quartalen dächte, wäre die Qualität der Autos schnell dahin.

SZ: Es ist also nicht die Börse, die Unternehmen zu Quartalsdenken treibt?

Thomas: Nein, wir scheren uns kein bisschen um den Aktienkurs. Ist er hoch, wunderbar, ist er niedrig, egal. Unser oberstes Interesse gilt nicht der Rentabilität, sondern der Qualität der Ware.

SZ: Andererseits verdienen Sie auf diese Weise weniger als Top-Manager großer Konzerne.

Thomas: Bei uns ist das Gehalt des Geschäftsführers in den Statuten festgelegt. Wir haben einen Maximallohn. Und nicht einmal den erhalte ich. Und dennoch: Mein Gehalt ist wie der Motor eines Bentleys - ausreichend.

SZ: Kann man mit Maximallöhnen Exzesse vermeiden?

Thomas: Hermès ist ein Beispiel für gut funktionierenden Kapitalismus. Die Familie wacht streng darüber, ihre Mitarbeiter angemessen zu bezahlen. Alle Beschäftigten halten zum Beispiel Hermès-Aktien. Der Kapitalismus wird nur überleben, wenn er Wohlstand für all jene schafft, die zu ihm beitragen. Gibt es aber nur reiche Aktionäre und arme Arbeitskräfte, stirbt der Kapitalismus. Eine Revolution wird ihn hinwegfegen.

SZ: Die Reichen müssen also mehr abgeben?

Thomas: Die beste Methode, Mitarbeiter am Reichtum einer Firma teilhaben zu lassen, ist, sie am Kapital zu beteiligen. Man braucht einen Großaktionär, wie bei uns, und die Mitarbeiter müssen so viele Anteile erhalten wie möglich.

SZ: Frankreichs prominenter Gewerkschaftschef Bernard Thibault klagt, die Managergehälter richteten sich nach der Wall Street und die Arbeiterlöhne nach China.

Thomas: Mit der Aussage bin ich völlig einverstanden. Man muss einen Mittelweg finden. Wer den Kapitalismus bewahren will, muss seine Exzesse korrigieren.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Hermès mit der Krise umgeht und warum man bis zu ein Jahr auf eine Handtasche aus Krokodilleder warten muss.

Hermès und die Krise

SZ: Sie rufen nach dem starken Staat?

Thomas: Die gegenwärtige Krise konnte nur entstehen, weil die Staaten versagt haben. Jetzt müssen sie wieder für Ordnung sorgen. Aber ihre Rolle ist nicht, die Wirtschaft zu lenken. Denn der Staat ist ein schlechter Manager.

SZ: Trifft die Krise Hermès hart?

Thomas: In unseren Geschäften verkaufen wir weiterhin gut. Wir haben eine große Produktpalette und sind nicht nur auf Uhren oder Parfums spezialisiert. Geht der Verkauf an einer Stelle runter, geht er an einer anderen hoch. Außerdem sind wir überall auf der Welt etwa gleich stark vertreten. Vor allem aber sind wir nicht zu schnell gewachsen. Wir streben nicht den größtmöglichen Umsatz an. Das widerspräche dem Prinzip, exklusive und qualitativ hochwertige Ware herzustellen. Analysten warfen uns deswegen früher vor, uns nicht schnell genug zu entwickeln. Wir wollten aber unser Geld für Krisenzeiten aufbewahren. Jetzt halten uns die Kritiker von damals für vorbildlich.

SZ: Geld zusammenhalten können andere auch. Was kommt bei Ihnen hinzu?

Thomas: Das Besondere von Hermès ist, immer etwas Neues zu kreieren, aber dennoch unverwechselbar zu bleiben. Hermès ist weder konservativ noch futuristisch, sondern zeitlos. Unseren Bestseller erfanden wir 1927: die Handtasche, die später als Kelly-Bag berühmt wurde.

SZ: Weitere Klassiker entstanden in den 30er Jahren: das Seidentuch und die Ankerkette. Werden in rauen Zeiten eher mythische Objekte geschaffen?

Thomas: Solche Klassiker entstehen erst mit der Zeit. Man kann sie nicht erschaffen. Es sind unsere Kunden, die sie dazu machen.

SZ: Nicht das Marketing oder die Mithilfe bekannter Werbeträgerinnen?

Thomas: Nein, es geht darum, den richtigen Zeitpunkt zu treffen.

SZ: Wie findet man den?

Thomas: Darauf gibt es keine Antwort. Niemand kann ihn vorhersagen.

SZ: Wie helfen Sie dem Glück nach?

Thomas: Hermès ist eine wunderbare Ideenwerkstatt. 85 Designer arbeiten unablässig an neuen Kreationen. Ein winziger Teil davon wird umgesetzt und kommt in die Geschäfte. Aber doch so viele, dass wir alle sechs Monate Neuheiten lancieren. Finanziell, sagt man uns, ist das der komplette Wahnsinn. Diese Kreativität ist aber unsere Stärke. Hermès München hat nicht das Angebot von Hermès Paris, und in drei Monaten ist es auch dort nicht mehr dasselbe. Wenn unsere Kunden nur Kelly-Bags in unseren Läden fänden, kämen sie nicht.

SZ: Was macht ein Produkt zum Hermès-Produkt?

Thomas: Da kommt vielerlei zusammen: Qualität, Verarbeitung, Stil. Nicht aber das Logo, das ist kaum zu finden. Unsere Produkte verkörpern einen wichtigen Wesenszug der Familie: Sie sind diskret. Unter Protestanten in Frankreich spricht man nicht über Geld. Hermès ist eine Lebenseinstellung.

SZ: Mit Hermès kann man nicht angeben?

Thomas: Das hängt von der Person ab. Wer aufschneiden will, kann das tun, mit welchem Produkt auch immer.

SZ: Was zeichnet Ihre deutschen Kunden aus?

Thomas: Sie wollen Qualität und Haltbares. Darin sind sie Weltmeister. Unsere Handtaschen begeistern sie noch mehr als andere.

SZ: Und dennoch muss man bis zu einem Jahr auf eine Kelly-Bag warten, deren günstigste Version fast 4000 Euro kostet?

Thomas: Das stimmt nicht. Gut, wir erhalten manchmal nicht die gewünschte Qualität beim Krokodilleder etwa, dann kann das manchmal zwei, drei Jahre dauern. Aber wir sind eben sehr anspruchsvoll. Wir nehmen nur Leder, das keinen einzigen Fehler aufweist. Beim Krokodil ist das sehr schwierig, weil es beißt und selber gebissen wird, was Narben hinterlässt.

SZ: Was machen Sie dagegen?

Thomas: Wir züchten jetzt unsere eigenen Krokodile. Unser Schönstes, das Crocodylus Porosus, das größte lebende Salzwasserkrokodil, züchten wir selber in Australien und ziehen es einzeln auf, damit es nicht gebissen werden kann.

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