Here oder Tomtom?:Auf Umwegen zum Ziel

Here oder Tomtom?: Navi von Tomtom: Audi, BMW und Volkswagen kaufen bisher bei der Konkurrenz.

Navi von Tomtom: Audi, BMW und Volkswagen kaufen bisher bei der Konkurrenz.

(Foto: Suzanne Plunkett/Bloomberg)

Die deutschen Autohersteller dringen auf eine eigene Navigationsfirma. Mittlerweile wird offenbar auch um Tomtom gefeilscht.

Von Thomas Fromm und Max Hägler

Ohne diese Daten können die Autos der Zukunft nicht von selbst fahren: Straßenbreiten, Verkehrsschilder, Steigungen, Einbahnstraßenregelungen, Tempolimits. Wenn sich ein Wagen automatisch bewegen soll, muss er exakt wissen, wo und wie die Wege verlaufen, sonst helfen ihm all die eingebauten Radaranlagen und Stereokameras auch nichts.

Und weil solche autonom fahrenden Autos eben das große Ding von morgen sind - manche deutsche Premiumwagen können das jetzt schon, etwa im Stau -, ist seit einiger Zeit ein spannender Wettlauf um diesen Datenschatz entbrannt. Es ist auch ein Wettlauf zwischen den USA und Deutschland, zwischen der IT-Industrie und der klassischen Autobranche.

Die drei Autokonzerne Audi, BMW und Daimler wollen aller Rivalität zum Trotz gemeinsam ihren langjährigen Partner, den Navigationsdienstleister Nokia Here, kaufen. Seit Wochen wird verhandelt, jetzt steigt der Druck: In ein, zwei Wochen will man zum Abschluss kommen, heißt es in der Industrie. Doch der Preis steigt, und andere Interessenten, IT-Konzerne aus den USA, treiben ihn.

Deshalb sind die deutschen Hersteller nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mittlerweile auch im Gespräch mit dem Navigationsdienstleister Tomtom. Vor einigen Wochen sind wohl Mitglieder der zweiten Vorstandsebene mit Vertretern des holländischen Unternehmens zusammengekommen. In dieser Woche wurde den Angaben zufolge in Amsterdam zwischen einer deutschen Arbeitsdelegation und den Niederländern über eine sogenannte due dilligence gesprochen, also die eingehende Durchsicht von Geschäftszahlen durch potenzielle Käufer.

Die Niederländer müssen womöglich nur als Drohkulisse der Autokonzerne herhalten

Auf Nachfrage will das keiner bestätigen: Man nehme keine Stellung zu Gerüchten oder Marktspekulationen, heißt es etwa von Tomtom selbst. Möglich, dass es vor allem um taktische Manöver geht. Dass Tomtom als Drohkulisse für die deutschen Hersteller herhalten muss. Denn die wollen am liebsten einfach das System kaufen, das sie sowieso bereits eingebaut haben. Und das stammt bei Audi, BMW und Volkswagen vor allem von Here. Die Versuche, die es etwa mit einer komplett selbstfahrenden S-Klasse gibt - sie werden erst möglich durch die Here-Daten. Und nicht zuletzt, weil eine entscheidende Entwicklungsabteilung von Here in Berlin-Mitte sitzt, streben die Here-Entwickler angeblich einen Deal mit den Deutschen an. In Berlin glauben sie, dass diese Konstellation ihnen die größte Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit bietet.

Doch dieser Wunsch muss sich nicht unbedingt decken mit den Interessen des Mutterkonzerns: Nokia will natürlich den besten Preis erzielen, will mit dem Verkauf seiner 6000 Mitarbeiter großen Sparte vor allem den teuren Zukauf von Alcatel-Lucent finanzieren. Bei zwei Milliarden Euro lag der Preis angeblich zu Beginn. Die Finnen sollen mittlerweile in Gesprächen mit dem Taxidienst Uber sein, der angeblich 2,7 Milliarden Euro geboten hat. Und in der deutschen Autoindustrie sagt einer: "Wir sprechen hier von einer Summe über drei Milliarden Euro." Ist damit das obere Limit erreicht, zumal da sich angeblich auch noch Facebook interessiert? Wohl nicht. Es geht nach oben. Die finnischen Finanzanalysten Inderes Equity Research bewerten Here gar mit 4,4 bis 6,9 Milliarden Euro. Mitspielen können die Deutschen bei allen aufgerufenen Summen - gerade gemeinsam: Drei Dax-Konzerne, das bedeutet finanzielle Schlagkraft. Wobei sie natürlich möglichst wenig zahlen wollen und deshalb behaupten, es gäbe "genügend Alternativen". Doch dem ist nicht so.

Denn im Grunde sind da nur noch zwei Alternativen, von denen eine auch noch ausfällt, und zwar der US-Konzern Google. Der hat zwar seine Maps, arbeitet aber selbst an einem automatisch fahrenden Wägelchen und steht damit in Konkurrenz zu den deutschen Herstellern. Und dann ist eben noch Tomtom da, deren lustiger Firmenname eine Zeit lang zum Synonym für Navigationsgeräte zu werden schien; die marktbeherrschende Stellung haben sie zwar nicht durchgehalten, aber sie sind durchaus noch technologisch relevant. Apple kauft dort Daten ein, um iPhone-Nutzern den Weg weisen zu können. In der US-Autostadt Detroit bieten die Niederländer seit wenigen Tagen Karten für "Highly Automated Driving (HAD)" an, also für das automatisierte Fahren. Ob sie solche Daten bald auch für ihre dann womöglich deutschen Eigentümer in Wolfsburg, München und Stuttgart bereitstellen, dürfte sich in wenigen Wochen zeigen.

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