Herbstgutachten:EU: Deutschland bricht im vierten Jahr in Folge den Stabilitätspakt

Ohne weitere Einsparungen wird Deutschland der EU-Kommission zufolge im kommenden Jahr auf eine Neuverschuldung von 3,4 Prozent kommen. Bei unveränderter Haushaltspolitik werde Berlin erst 2006 mit einem Defizit von 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wieder die Defizitgrenze von drei Prozent einhalten.

Blauer Brief, Strafverfahren, Gerichtsklage und viele Missverständnisse - der Brüsseler Streit über Deutschlands Neuverschuldung dauert seit Jahren. Gelöst ist er bisher nicht. Nun rechnet die EU-Kommission damit, dass der Defizitsünder 2005 im vierten Jahr in Folge den Euro-Stabilitätspakt bricht.

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(Foto: Foto: AP)

Denn Deutschland steckt weiter tief in der Schuldenfalle: Erwartet werde eine Neuverschuldung von 3,4 Prozent, teilte die EU-Kommission in Straßburg mit. Falls nicht zusätzlich gespart wird, dürfte Berlin erst 2006 mit einem Defizit von 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) knapp wieder die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent einhalten.

Die Euro-Zone wird im laufenden Jahr trotz hoher Ölpreise mit 2,1 Prozent stärker wachsen als bisher angenommen. Im nächsten Jahr sollen es dann aber nur noch 2,0 Prozent sein.

Die Defizitkrise im Euro-Gebiet bleibt bedrohlich. Knapp die Hälfte der zwölf Länder wird im nächsten Jahr entweder bei genau drei Prozent Defizit liegen oder darüber, heißt es in dem Herbst-Konjunkturgutachten. Frankreich und Italien werden jeweils auf 3,0 Prozent kommen. Griechenland dürfte 3,6 Prozent erreichen, Portugal sogar 3,7 Prozent.

Bundesfinanzminister Hans Eichel nahm bereits einen weiteren Subventionsabbau zur Einhaltung der Defizitgrenze ins Visier. Ein erwogener Milliarden-Tauschhandel bei den Pensionslasten der Ex- Staatsunternehmen Deutsche Post und Deutsche Telekom zum Stopfen der Haushaltslöcher ist inzwischen wieder vom Tisch.

Deutschland verstößt seit 2002 gegen den Stabilitätspakt. Der Defizitsünder von der Spree braucht derzeit keine EU-Sanktionen zu fürchten, denn das vor knapp einem Jahr auf Eis gelegte Defizit-Strafverfahren ist bisher nicht wieder aufgenommen worden. Es drohen in letzter Konsequenz Bußen von bis zu zehn Milliarden Euro.

Die Kommission lobte ausdrücklich die Hartz-Reformen für einen flexibleren Arbeitsmarkt. Wichtig seien eine erfolgreiche Einführung und Folgereformen. Weitere Einsparungen auf der Ausgabenseite seien zur Sanierung der Staatsfinanzen nötig.

Angesichts des kräftigen Aufschwungs dürfte das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr im Euro-Gebiet um 0,4 Prozentpunkte höher ausfallen als noch im Frühjahr vorhergesagt. Wegen der hohen Ölpreise senkte die EU-Behörde hingegen ihre Wachstumsprognose für das kommende Jahr von bisher 2,3 Prozent auf nun 2,0 Prozent. Für 2006 wird ein Plus von 2,2 Prozent angenommen.

Deutschland ist laut Kommission im kommenden Jahr mit einem Plus von nur 1,5 Prozent Schlusslicht in der Euro-Zone. Für das laufende Jahr werden 1,9 Prozent angenommen, für 2006 dann 1,7 Prozent. Der Aufschwung macht sich dem Gutachten zufolge auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar.

In der Euro-Zone dürfte es kommendes Jahr etwa 1,2 Millionen neue Jobs geben nach 600 000 im laufenden Jahr. Die Arbeitslosenrate soll 2004/05 jedoch bei 8,9 Prozent stabil bleiben. Wegen der hohen Ölpreise dürfte die Inflationsrate im Schnitt erst im kommenden Jahr unter die Warnschwelle von zwei Prozent fallen. Nur bei Raten bis oder nahe bei zwei Prozent ist Preisstabilität gewährleistet.

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