Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher:Am Rande der Rezession

Die deutsche Wirtschaft gerät in den Sog der Finanzkrise. Für 2009 sagen Experten nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent und eine Stagnation am Arbeitsmarkt voraus.

Sibylle Haas

Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Rezession. In ihrem für Dienstag erwarteten Herbstgutachten, das der Süddeutschen Zeitung vorab vorliegt, prognostizieren die führenden Wirtschaftsforscher für 2009 nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit werde im nächsten Jahr leicht steigen, heißt es.

Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher: Containerschiff am Hamburger Hafen: Im kommenden Jahr steht Deutschland nach Expertenmeinung kurz vor einer Rezession.

Containerschiff am Hamburger Hafen: Im kommenden Jahr steht Deutschland nach Expertenmeinung kurz vor einer Rezession.

(Foto: Foto: AP)

Die acht führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für 2009 drastisch gesenkt. Im Frühjahr hatten die Experten noch damit gerechnet, dass die Wirtschaft nächstes Jahr um 1,4 Prozent wachsen wird. Zuvor hatte bereits der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2009 wegen der globalen Finanzmarktkrise nur eine Stagnation des deutschen Bruttoinlandsprodukts vorausgesagt, nachdem er im Juli noch ein Prozent Wachstum erwartet hatte.

Am Freitag war bereits durchgesickert, dass auch die Bundesregierung ihre Prognose für 2009 zurücknehmen wird und damit rechnet, dass die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr stagniert. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos wird das Gutachten am Donnerstag vorlegen.

Engpässe bei Kreditversorgung

Damit gerät die deutsche Wirtschaft in den Sog der Finanzkrise. Die acht Wirtschaftsforscher nennen die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die schwache US-Konjunktur als Grund für die mäßige Wirtschaftsentwicklung. Sie haben ihr Gutachten am 10. Oktober abgeschlossen und damit vor dem von der deutschen Bundesregierung verabschiedeten Rettungsplan für die deutsche Kreditwirtschaft.

"Deutschland ist von der Abschwächung der internationalen Konjunktur im besonderen Maße betroffen, weil vor allem die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückging, die im deutschen Exportsortiment eine überragende Rolle spielen", heißt es in dem Herbstgutachten. Die Belastungen durch die Finanzkrise würden immer spürbarer. So seien die Finanzierungskosten der Unternehmen gestiegen. Auch drücke die Finanzkrise zunehmend die Erwartungen der Unternehmen. Die Experten schätzen, dass sich der Export deutlich abschwächen wird, zumal die Auftragseingänge aus dem Ausland schon seit Dezember 2007 zurückgingen.

Die geplante Staatshilfe für die deutsche Finanzbranche wird nach Ansicht des Bankenexperten Wolfgang Gerke Engpässe in der Kreditversorgung verhindern helfen. "Wir können jetzt davon ausgehen, dass es nicht zu einer Kreditklemme kommen wird", sagte Gerke am Montag bei einer Veranstaltung in Frankfurt zu Reuters-TV. Allerdings würden die Wachstumsraten der Wirtschaft erheblich sinken. "Doch durch solche Konjunkturtäler sind wir schon häufig geschritten - das werden wir meistern", sagte Gerke.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, dass das Rettungspaket der Bundesregierung keine konjunkturstützenden Maßnahmen enthalte. "Wir brauchen jetzt ein Konjunkturprogramm in der Höhe von 25 Milliarden Euro, um den Abschwung abzufedern", sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer in Berlin.

Inflation wird sich verlangsamen

Für den Arbeitsmarkt sagen die acht Forschungsinstitute für 2009 eine Stagnation voraus. "Der seit Mitte 2005 anhaltende Rückgang der Arbeitslosigkeit läuft 2009 aus", schreiben sie in ihrem Gutachten. Die Experten erwarten sogar eine leichte Zunahme der Arbeitslosenzahl. Sie rechnen wegen der schlechter ausgelasteten Kapazitäten mit weniger Neueinstellungen. Zugleich würden die Firmen versuchen, ihr qualifiziertes Personal zu halten, um den Fachkräftemangel zu umgehen. Der Produktionsrückgang werde durch den Abbau von Überstunden und Kündigungen von Zeitarbeitsverträgen und geringfügig Beschäftigten aufgefangen, heißt es.

Der Preisauftrieb werde sich verlangsamen und 2009 etwa 2,3 Prozent betragen, schreiben die Experten. Sie begründen dies damit, dass die Preise an den Weltrohstoffmärkten vor allem für Agrarrohstoffe wieder gesunken sind. In diesem Jahr sind die Verbraucherpreise kräftig gestiegen; im dritten Quartal war die Lebenshaltung um 3,1 Prozent teurer als ein Jahr davor. Schon seit dem Jahreswechsel liegt die Inflationsrate so hoch wie zuletzt 1994.

Mit voraussichtlich 2,8 Prozent werde Deutschland in diesem Jahr die höchste jährliche Inflationsrate seit Einführung des Euro verkraften. Die Stundenlöhne werden nach Schätzung der Experten im nächsten Jahr um 2,7 Prozent anziehen. Für Effektivlöhne ist bei sinkender Kapazitätsauslastung ein etwas geringerer Anstieg veranschlagt. "Damit wird der Verteilungsspielraum nahezu ausgeschöpft", heißt es.

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