Herbstgutachten der Forschungsinstitute:Deutschland schrammt an einer Rezession vorbei

Wie kommen die Deutschen durch die Euro-Krise? Wirtschaftsforscher sagen, dass die Bundesrepublik im nächsten Jahr wachsen könnte - aber nur noch leicht. Die Stimmung ist schlecht, viele Unternehmen bangen schon jetzt um ihr Geschäft.

Thomas Öchsner

Trotz Schuldenkrise bleibt Deutschland im nächsten Jahr eine Rezession erspart. Diese Hoffnung weckt zumindest das neue Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Sie rechnen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung 2012 mit einem Wachstum von 0,8 Prozent. Das Herbstgutachten wird am Donnerstag offiziell Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) überreicht.

Wirtschaftsforscher praesentieren Herbstgutachten

Alle Konjunkturexperten senken derzeit den Daumen nach unten: Die Wachstumsaussichten für nächstes Jahr sind düster.

(Foto: dapd)

Alle Konjunkturexperten senken derzeit den Daumen nach unten: Zuletzt waren sich das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie (IMK) einig und reduzierten ihre Voraussagen für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Korrigiert liegen die meisten Prognosen jetzt bei 0,8 bis 1,2 Prozent.

Optimisten wie der Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sprechen von einer "allenfalls vorübergehenden Wachstumspause". Er sieht die Wirtschaft im nächsten Jahr um 1,5 Prozent wachsen, sofern es nicht zu einer weltweiten Rezession komme. IMK-Chef Gustav Horn erwartet dagegen, dass die Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr nur um 0,7 Prozent zulegt, weil die Euro-Krise und die öffentlichen Sparprogramme die Konjunktur belasten. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute zeigen sich mit ihren 0,8 Prozent auch eher pessimistisch. Im Frühjahr 2011 hatten sie noch mit 2,0 Prozent Zuwachs gerechnet.

"Zukunftserwartungen eingetrübt"

Bundeswirtschaftsminister Rösler wird unmittelbar vor dem Koalitionsgipfel am 21. Oktober die Prognose seines Hauses vorlegen. Er hatte ebenfalls bereits Korrekturen angekündigt. Im jüngsten Monatsbericht des Ministeriums heißt es zu den Folgen der Finanzkrise: Die wirtschaftlichen Risiken hätten sich "in den letzten Wochen merklich erhöht und die Zukunftserwartungen bei Investoren und Konsumenten eingetrübt".

Die Einzelhändler bangen deshalb bereits um ihr Weihnachtsgeschäft - trotz gestiegener Einkommen der Bundesbürger. Dies geht aus dem Handelsbarometer hervor, das die Unternehmensberatung Ernst & Young am Mittwoch veröffentlichte. Danach befürchten etwa zwei Drittel der befragten Einzelhändler, dass die Schuldenkrise die Kauflaune der Verbraucher trüben oder erheblich beeinträchtigen könnte.

Bei den Stahlproduzenten, die Anfang des Jahres noch stark vom Boom der deutschen Auto- und Maschinenbauer profitierten, gehen die Aufträge bereits zurück. Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, ist aber überzeugt, dass es sich nur um einen "vorübergehenden Dämpfer" handelt, der 2012 wieder überwunden wird. Eine Rezession oder gar einen Absturz wie im Herbst 2012 hält der Verbandschef für unwahrscheinlich.

Wegen des abgekühlten Klimas hatten in den letzten Monaten alle Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen auch für dieses Jahr nach unten geschraubt. Die Herbstgutachter rechnen nun noch mit einem Plus von 2,9 Prozent und begründen dies mit dem guten Start Anfang des Jahres. Die meisten Voraussagen bewegen sich um die Drei-Prozent-Marke.

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose wird erstellt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen, dem Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) München, dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel und dem Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) Halle. Es dient auch als Arbeitsgrundlage für die nächste Steuerschätzung der Bundesregierung Anfang November. Dabei werden die Steuereinnahmen für das laufende und das nächste Jahr hochgerechnet.

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