Herabstufung durch S&P:Spaniens Furcht vor der griechischen Tragödie

Bankenkrise und hohe Defizite kosten Spanien zwei Ratingstufen. Wie Griechenland könnte das Land in einen Teufelskreis geraten. Ministerpräsident Rajoy muss zwischen ungeduldigen Finanzmärkten, störrischen Politikern und einer enttäuschten Bevölkerung lavieren. Diese Herausforderungen erwarten ihn.

Jannis Brühl

Im Januar war alles ganz einfach gewesen. Mariano Rajoy war erst seit wenigen Wochen Ministerpräsident, er konnte die Herabstufung durch die Ratingagentur Standard & Poor's als "Erbe der Vergangenheit" abtun und der sozialistischen Vorgängerregierung die Schuld geben.

Spain's Property Bubble, Residential Housing And Construction

Halbfertige, leerstehende Gebäude sind ein häufiger Anblick in Spanien, wie hier in Madrid. Seit die Immobilienblase geplatzt ist, sitzen die Banken des Landes auf unbedienten Krediten. Das war ein Grund für die Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch Standard & Poor's.

(Foto: Bloomberg)

Jetzt hat die wichtigste Ratingagentur die Kreditwürdigkeit des Landes wieder herabgestuft, von der Stufe A auf BBB+. Damit ist das Land noch drei Stufen von der als "spekulativ" bezeichneten Zone entfernt, von der an es richtig teuer für das Land wird, neue Kredite auf den Finanzmärkten aufzunehmen. Diesmal hat Rajoy niemanden, auf den er das Problem abwälzen könnte.

Viele Investoren nehmen Kreditratings als Maßstab, ob sie Staatsanleihen eines Landes kaufen und ihm damit Geld leihen. Zwar kann Spanien noch erfolgreich den Kapitalmarkt anzapfen, muss die Anleger aber zunehmend mit höheren Zinsen locken.

"Spanien befindet sich in einer Krise enormen Ausmaßes", sagte Außenminister Jose Manuel Garcia-Margallo in einem Radiointerview nach der Herabstufung. Auch die Rendite auf Staatsanleihen des Landes stieg als Reaktion noch einmal, auf fast sechs Prozent. Sich Geld zu leihen, wird also noch teurer für den Staat.

Das Land könnte in einem Teufelskreis aus Schulden und Rezession landen wie Griechenland. Auch bei Europas marodestem Staat machten schnell aufeinanderfolgende Herabstufungen der Kreditwürdigkeit die Krise deutlich - Kritiker der Ratingagenturen meinen, sie beschleunigten sie sogar. Rajoy muss nun zwischen ungeduldigen Finanzmärkten, störrischen Politikern und einer enttäuschten Bevölkerung lavieren. Diese Herausforderungen warten auf ihn.

[] Spaniens Staatsschuldenquote sieht auf dem Papier unproblematisch aus: Bei 68,5 Prozent lag sie Ende vergangenen Jahres. Das Problem ist, dass das Land nicht nachhaltig haushaltet. Mit 8,5 Prozent war das Defizit das dritthöchste der Euro-Zone. Die Regierung muss allein für die Tilgung der Zinsen nach eigenen Angeben dieses Jahr 29 Milliarden Euro ausgeben. Die Regierung hat vor, das Defizit in diesem Jahr auf 5,3 Prozent zu senken. S&P hält das für zu optimistisch. Die Agentur geht von einer Senkung auf 6,2 Prozent aus.

[] Spaniens Bankensystem macht ganz Europa Sorgen. Die Geldhäuser befeuerten den Immobilienboom des vergangenen Jahrzehnts mit Krediten. Seit die Blase geplatzt ist, sitzen sie auf Unmengen von Krediten, die nicht mehr bedient wurden. Nach Ansicht der Santander-Bank werden die Kreditausfälle im Jahr 2013 ihren Höhepunkt erreichen. Wegen dieser Unsicherheit misstrauen ihnen andere Banken, es wird immer schwieriger für sie, sich privates Geld zu leihen. Das Geld, das sie in einer Flut billiger Kredite von der Europäischen Zentralbank erhalten haben, legten sie gleich wieder in spanischen Staatsanleihen an. Damit ist das Schicksal der Banken noch enger mit dem des Landes verknüpft. S&P geht davon aus, dass auf die spanische Regierung größere Stützungsaktionen für die Banken zukommen - was das Rating des Landes verschlechtert. Vielleicht muss Spanien selbst aber gar nicht einspringen: Ob der Euro-Rettungsfonds Banken in Krisenstaaten direkt mit Geld helfen darf, wird derzeit kontrovers diskutiert.

[] Spanien hat die mit Abstand höchste Arbeitslosenquote in der Europäischen Union. Stunden nach der Herabstufung gab das Statistikamt am Freitag eine neue Horrorzahl bekannt: Die Arbeitslosenquote stieg im ersten Quartal auf 24,4 Prozent. Ende 2011 lag sie noch bei 22,9 Prozent. Experten hatten mit einem deutlich niedrigeren Anstieg gerechnet. S&P erklärte, sie glaube zudem nicht, dass die Arbeitsmarktreformen unter dem Strich in absehbarer Zeit Jobs schaffen würden.

[] Die hohe spanische Arbeitslosigkeit führt zu einer zentralen, nach wie vor ungelösten Frage in der Krise: Wie sollen Staaten sparen und sich sanieren, dabei aber gleichzeitig die Wirtschaft brummen lassen? Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, schlug deshalb am Mittwoch vor, den Fiskalpakt, der Euro-Staaten zum Sparen zwingt, durch einen "Wachstumspakt" zu ergänzen. Wie der aussehen könnte, ist allerdings unklar. S&P glaubt, dass Spaniens Schuldenquote steigen wird, weil die Wirtschaft in der Rezession ist. In diesem Jahr soll sie laut Erwartung der Regierung um 1,7 Prozent schrumpfen. Dennoch hat Rajoy vor, 50 Milliarden Euro zu sparen. Vergangene Woche verabschiedete seine Regierung ein Paket, das Medikamente und Studiengebühren verteuert und Lehrern längere Arbeitszeiten und größere Klassen bringt. Das ist gut für den Haushalt, aber Gift für die Konjunktur- und die Steuereinnahmen.

[] Die politische Organisation des Landes spielt eine Rolle in der Krise. Als Reaktion auf die Zentralisierung und die brutale Unterdrückung von Autonomiebestrebungen - etwa der Katalanen - unter der Diktatur Francos wurde der Nachfolgestaat drastisch dezentralisiert. Die 17 Regionen des Landes haben weitreichende Rechte - und nutzen diese, um Geld auszugeben. Etwa die Hälfte der spanischen Schulden soll auf diese Regionen entfallen, der Einfluss der Regierung in Madrid reicht aber nicht so weit, auch diese Schulden zu reduzieren. Vergangene Woche drohte sie Andalusien mit Budgetkontrollen - ein brisanter Angriff auf den spanischen Föderalismus. Die Regionen sind auch an Tausenden Unternehmen beteiligt. Deren Privatisierung könnte viel Geld einbringen - doch das kann nicht von Madrid aus befohlen werden. S&P schreibt, regionale Haushalte leisteten den "Hauptbeitrag zu Abweichungen von den Zielen der Regierung".

[] Zudem könnte auch die Person Mariano Rajoy selbst Investoren abschrecken. Bei der Wahl im November haben ihm die Spanier ein klares Mandat erteilt, die Krise zu lösen. Doch Finanzinvestoren könnten ihm weniger vertrauen als den neu eingesetzten Regierungschefs von Griechenland und Italien. Lukas Papadimos leitete die griechische Nationalbank. Mario Monti beriet Goldman Sachs. Deshalb gelten beide als "Vertrauenspersonen der Märkte". Rajoy dagegen ist Jurist, wurde schon mit 23 Jahren Beamter seit 30 Jahren ist er hauptberuflich Politiker.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: