Henri Bendel:Vom Luxusladen zum Souvenirshop

Henri Bendel: Luxus für Normalbürger, das war das Geschäft von Henri Bendel – hier der Laden in der Fifth Avenue in New York. Doch damit ist es nun bald vorbei.

Luxus für Normalbürger, das war das Geschäft von Henri Bendel – hier der Laden in der Fifth Avenue in New York. Doch damit ist es nun bald vorbei.

(Foto: Charles Sykes/AP)

In Henri Bendel verschwindet erneut ein Traditionsgeschäft von der Fifth Avenue in New York - es wirft zu wenig ab. Zu seinem Niedergang hat auch eine TV-Serie beigetragen.

Von Johanna Bruckner, New York

Die Nummer 712 auf der Fifth Avenue ist derzeit in Planen gehüllt, Fassadenarbeiten. Im Innern geht es dennoch geschäftig zu. Henri Bendel ist eine Institution auf Manhattans bekanntester Einkaufsmeile, New Yorker und Touristen haben trotz Verhüllung keine Probleme, die Adresse zu finden. Vor der Auslage mit den personalisierbaren Schlüsselanhängern unterhalten sich zwei Damen aus Russland mit einer jungen Verkäuferin, man ist beim fortgeschrittenen Small talk. Ihre Familie komme ursprünglich auch aus Russland, erzählt die Verkäuferin. Leider kenne sie nur ein paar Worte auf Russisch, und die könne sie unmöglich wiederholen. "Very bad!" Als Entschädigung bietet sie ihren Kundinnen Wasser in Plastikflaschen an. Das Etikett ist braun-weiß gestreift - das Muster ist für Henri Bendel so charakteristisch wie die verschlungenen Gs für Gucci.

Die Champagnerzeiten sind für Henri Bendel New York trotz maximaler Markenforcierung vorbei. Mitte September verkündete die Muttergesellschaft L Brands das Aus für alle 23 Filialen sowie den Online-Shop. Im Januar 2019 schließen die Läden endgültig. Damit geht eine 123-jährige Firmengeschichte zu Ende. Und vom exklusivsten Abschnitt der Fifth Avenue zwischen 49th Street und Central Park verschwindet eine weitere amerikanische Institution. Die unmittelbare Nachbarschaft ist schon jetzt Luxus-Einerlei aus der alten Welt: Louis Vuitton, Burberry, Gucci, Massimo Dutti, Salvatore Ferragamo, Cartier. Wobei es falsch wäre, zu sagen, dass Henri Bendel gegen diese ausgesuchte Konkurrenz verloren hat - denn man spielte nie in deren Liga.

Henri Bendels Fokus lag und liegt auf gerade so erschwinglichem Luxus. Ledertaschen, Seidentücher und Bettelarmbänder für eine vor allem weibliche Kundschaft, die über Geld verfügt - aber noch nicht so viel, dass sie sich bei Louis Vuitton rein traut. Bei Henri Bendel kostet keine Tasche mehr als 550 Dollar. Aspirational luxury nennen Branchenkenner dieses Preissegment. Im laufenden Geschäftsjahr hat das Unternehmen 85 Millionen Dollar verdient - zu wenig für den Textilriesen L Brands, der im vergangenen Jahr Erlöse von 12,6 Milliarden Dollar meldete. Man wolle sich künftig verstärkt auf Marken mit einem größeren Wachstumspotenzial wie das Unterwäschelabel Victoria's Secret konzentrieren, hieß es zum Aus von Henri Bendel.

Gerade amerikanische Modeunternehmen im unteren Luxusbereich bekämen irgendwann ein Problem, erklärt eine Analystin: Durch den Boom von Outlet-Centern in den USA würden die exklusiven Waren so günstig, dass sie auch für kleine Geldbeutel erschwinglich seien. Das aber schrecke die Vollpreis-zahlende Klientel ab: "Wer auf der Upper West Side wohnt, will nicht mit der gleichen Handtasche rumlaufen wie sein Kindermädchen." Einst gut laufende Marken wie Coach, Michael Kors und Kate Spade kämpften mittlerweile mit einem Imageverfall.

Henri Bendel könnte ironischerweise die eigene Popularität zum Verhängnis geworden sein. Vor knapp zehn Jahren sorgte die Erfolgsserie Gossip Girl dafür, dass die Marke zum Begriff für Fashionistas aus aller Welt wurde. Wenn die Hauptdarstellerinnen, reiche New Yorker Erbinnen, auf Shoppingtour gingen, durfte am Ende des Tages eine Henri-Bendel-Tüte am Arm nicht fehlen. Protagonistin Blair erschien das Schaufenster auf der Fifth Avenue sogar in einem Traum. In der Kommerzrealität galten Handtaschen des Labels plötzlich als Must-Have-Item. Im Rückblick könnte das der Anfang vom Ende gewesen sein.

Denn in der Folge erweiterte Henri Bendel sein Sortiment um allerlei Nippes: Ansteckpins mit Jugendsprache-Botschaft, Bauchtaschen zur Aufbewahrung von Hundebeuteln (laut Webseite besonders geeignet für "Influencerinnen") und glitzernde Duftkerzen. Für modeaffine Touristinnen, die keine 500 Dollar mehr für eine Tasche haben, aber dennoch gerne ein Mitbringsel möchten, mag das toll sein. Der Marke Henri Bendel dürfte die zunehmende Wandlung zum hochpreisigen Souvenirshop eher geschadet haben.

Wobei dem Namensgeber Henri Willis Bendel die Hauptsache-das-Logo-lässt-sich-drauf-drucken-Strategie möglicherweise sogar gefallen hätte. Er gründete das Unternehmen 1895 und verkaufte zunächst Damenhüte an New Yorks Upper Class - bereits damals in den typischen, braun-weiß gestreiften Hutschachteln. Dabei war der umtriebige Unternehmer Kooperationen nicht abgeneigt: 1913 brachte er seinen Landsleuten die Entwürfe einer gewissen Coco Chanel näher. Auch nach Bendels Tod fokussierte sich das Unternehmen auf die Markenbildung, in den 60er Jahren wurde Andy Warhol als hauseigenen Illustrator verpflichtet.

Während im Netz schon um Henri Bendel getrauert wurde (ein "trauriger, trauriger Tag für alle Fashionistas" schrieb die amerikanische InStyle; unter dem Hashtag #bendelgirl spendeten sich Fans in den sozialen Medien gegenseitig Trost), ist im Flagshipstore von Abschiedsschmerz noch nichts zu spüren. Ja, mit Henri Bendel gehe wohl eine Ikone, sagt die Verkäuferin mit den russischen Wurzeln angesprochen auf das nahende Ende. Im Übrigen sei ihr Name Jenny - man möge sich melden, wenn man Hilfe benötige. Business as usual, bis zum bitteren Ende.

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