Süddeutsche Zeitung

Henkel: Simone Bagel-Trah:Die erste Chefin deutscher Aufsichtsräte

Erstmals lenkt eine Frau den Aufsichtsrat eines großen deutschen Konzerns. Bei Henkel steigt Simone Bagel-Trah auf, die Ururenkelin des Gründers.

Stefan Weber

Zu den Dingen, über die Henkel-Vorstandschef Kasper Rorsted gerne spricht, gehört das Thema "Diversity", oder auf Deutsch: Vielfalt. Dann erläutert er, wie wichtig es für ein Unternehmen sei, die Belegschaft richtig zu mischen - nach Alter, Geschlecht und Herkunft.

In dieser Disziplin hat der Düsseldorfer Traditionskonzern, Hersteller von Marken wie Pritt, Pril und Persil, nach Einschätzung des gebürtigen Dänen Rorsted noch gehörigen Nachholbedarf. Insbesondere der Anteil der weiblichen Führungskräfte sei viel zu gering, moniert er regelmäßig.

Doch bei Henkel ändern sich die Zeiten: In diesen Tagen geht das wichtigste Amt im Henkel-Reich in weibliche Hände über. Simone Bagel-Trah, die Ururenkelin des Henkel-Gründers, übernimmt den Vorsitz in beiden Kontrollgremien des Familienkonzerns, im Aufsichtsrat und im vielleicht noch wichtigeren Gesellschafterausschuss, in dem fünf Henkel-Erben und viele familienfremde Top-Manager sitzen.

Zäsur in Deutschland

Sie wird damit Nachfolgerin von Albrecht Woeste, dem 73-jährigen Patriarchen, der knapp zwei Jahrzehnte den Oberbefehl über Familienclan und Unternehmen gehabt hat. Es ist auch eine Zäsur in Deutschland: Sie ist die erste Frau, die den Aufsichtsrat eines Dax-Unternehmens führt.

Die Stabübergabe erfolgt an diesem Freitag im firmeneigenen Casino im Düsseldorfer Stadtteil Holthausen. Mehr als 300 Gäste sind geladen. Freunde und Weggefährten von Woeste, Familienmitglieder sowie das Top-Management werden den starken Mann des Hauses Henkel verabschieden.

Es ist sein Fest. Aber die Blicke wird vor allem seine Nachfolgerin auf sich ziehen. Simone Bagel-Trah, 40 Jahre jung, promovierte Biologin und Mutter zweier Kinder, ist auf dem Weg, eine der mächtigsten Frauen der deutschen Wirtschaft zu werden.

Schon auf der Hauptversammlung im Frühjahr vergangenen Jahres hatte Woeste das Geheimnis gelüftet, wer ihn als Chefaufseher des Konzerns beerben wird. Und seitdem ist viel spekuliert worden, was dieser Wechsel für die Familie, für das Unternehmen, ja sogar für die männerdominierte deutsche Wirtschaft bedeutet.

"Krasser Wechsel"

Von einer Zeitenwende war die Rede, von einer Zäsur. Für Henkel ist es das mit Sicherheit: Mit Simone Bagel-Trah hat sich nicht nur erstmals eine Frau im Familienclan durchgesetzt. Sie und Vorstandschef Kasper Rorsted sind auch das jüngste Führungsteam in einem deutschen Dax-Konzern. Ein "krasser Wechsel" sei das, sagt die gebürtige Düsseldorferin selbst. Angst, der anspruchsvollen Aufgabe nicht gewachsen zu sein, hat sie nicht. Zumindest zeigt sie es nicht. "Das fällt nicht über mich herein. Ich habe viel Zeit gehabt, mich einzuarbeiten", betont sie..

Seit gut zwei Jahren hat Bagel-Trah, die unprätentiös und natürlich auftritt, ein eigenes Büro in der Henkel-Zentrale. Tür an Tür mit Lothar Steinebach, dem Finanzchef. Zu Rorsted und Woeste, deren Büros auf dem gleichen Flur liegen, sind es nur ein paar Schritte. Eingearbeitet hat sie sich aber schon lange zuvor: 1999 zog sie in den Aufsichtsrat von Cognis, der Chemie-Tochter, von der sich der Konzern 2001 trennte.

Danach wurde sie Mitglied im Henkel-Aufsichtsrat, seit 2005 sitzt sie im Gesellschafterausschuss. Gleichsam nebenbei hat sie nach der Promotion ein Biotech-Unternehmen gegründet, die Antiinfectives Intelligence GmbH. Dort ist sie bis heute Geschäftsführerin und Gesellschafterin. "Künftig wird dafür noch weniger Zeit sein", bedauert Bagel-Trah.

"Darwin-Biographie immer noch unangetastet"

Die Termine sind in diesen Tagen besonders dicht gedrängt. Wenn sie dann aber freundlich lächelnd von ihrem Tagesablauf berichtet, klingt das so, als habe die Henkel-Erbin die gleichen Probleme wie Frau Jedermann: Der Nachwuchs muss in der Früh pünktlich zum Kindergarten und zur Schule. "Da ist es toll, dass mein Mann als Personalberater flexibel arbeitet und einspringen kann", sagt sie. Sport? "Leider fehlt die Zeit. Ein bisschen Gymnastik, um den Rücken zu stärken - mehr ist nicht drin." Lesen? "Die Darwin-Biographie liegt immer noch unangetastet neben meinem Bett."

Dass sich die Familie für Simone Bagel-Trah als Nachfolgerin von Albrecht Woeste entschieden hat, war kein spontaner Entschluss. Sie hat sich durchsetzen müssen in einem strengen Auswahlverfahren. Mehrere Jahre hatte der Clan verschiedene Kandidaten gegeneinander laufen lassen, darunter auch Christoph Henkel, der Sohn des langjährigen Konzernlenkers Konrad Henkel und größten Einzelaktionärs.

Das entspricht auch der Tradition des Hauses. Am Ende, so heißt es, sei die Entscheidung einstimmig gefallen. Dennoch: Die Familie mit ihren drei Stämmen und inzwischen etwa 150 Mitgliedern zusammenzuhalten, wird keine leichte Aufgabe sein. Woeste hatte einst einen Aktienbindungsvertrag ausgehandelt, der die Familieneigentümer zusammenschweißt. Knapp 100 Erben haben ihre Anteile gebündelt und kontrollieren 52 Prozent der Stammaktien. Zumindest bis Ende 2016. Dann endet der Vertrag. Was danach kommt, ist ungewiss.

Doch auch im Unternehmen ist viel zu tun. Sorgen bereitet derzeit vor allem das Geschäft mit Profi-Klebstoffen, das stark dem Auf und Ab der Autoindustrie folgt. "Aufgrund der breiten Mischung im Sortiment ist Henkel gut gerüstet, die Krise zu meistern", sagt Bagel-Trah. Anlass, ins operative Geschäft einzugreifen, sieht sie nicht.

Gleichwohl gibt es Themen, die sie vorantreiben will. Innovationen gehören dazu, ebenso wie Nachhaltigkeit. Zu korrigieren ist nach ihrer Ansicht auch das Außenbild des Konzerns. "Noch immer wird Henkel als deutsches Unternehmen betrachtet", beklagt sie. Dabei sei der Konzern längst weltweit präsent. Und dann ist da noch ein Thema, das ihr sehr am Herzen liegt: "Es müssen mehr Frauen Führungpositionen übernehmen."

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SZ vom 17.09.2009/hgn
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