Süddeutsche Zeitung

Konsumgüter:Henkel streicht 2000 Stellen

Der Konzern mit Marken wie Persil und Schwarzkopf leidet an vier Problemen, der Rückzug aus Russland ist nur eins davon. Die Aktie notiert nahe dem Zehn-Jahres-Tief.

Von Benedikt Müller-Arnold, Düsseldorf

Eigentlich ist Henkel ein Hort der Stabilität. Gegründet im Jahr 1876 als Waschmittelfabrik, steht die Firma bis heute für Marken wie Persil, Schwarzkopf oder Pattex. Noch immer gehört das Unternehmen mehrheitlich den vielen Nachfahren des Gründers Fritz Henkel. Doch nun stehen die Düsseldorfer vor Einschnitten: Statt aus drei soll der Konzern künftig nur noch aus zwei Teilen bestehen. 2000 Arbeitsplätze sollen im Zuge dessen wegfallen. Und das ist erst der Anfang. Denn Henkel quälen derzeit vor allem vier Probleme.

Da sind erstens die Kosten für Rohstoffe und Transport, die "dramatisch gestiegen" seien. So sagt es Carsten Knobel, seit Anfang 2020 an der Vorstandsspitze und seither im Krisenmodus. Erst hat die Pandemie internationale Lieferketten gestört, nun spannen die Folgen des Kriegs in der Ukraine Rohstoffmärkte weiter an. Für eine Firma wie Henkel dürfte Material in diesem Jahr mehr als 20 Prozent teurer werden als im Durchschnitt von 2021. "Solche Dimensionen haben wir noch nicht erlebt", seufzte Knobel kürzlich. "Das sind wirklich keine einfachen Zahlen."

Nun können viele Unternehmen derlei Kosten an ihre Kunden weiterreichen. Henkel gelingt das vor allem im Geschäft mit Klebstoffen wie Pritt und Industrieklebern, die Autos oder Flugzeuge zusammenhalten, die Handwerker oder Baufirmen kaufen. Denn dort sind die Düsseldorfer Weltmarktführer.

Doch vor allem die Kosmetiksparte mit Marken wie Schauma oder Fa verdient immer weniger Geld. Denn Supermärkte und Drogerien überlegen genau, welche Marken sie unbedingt in ihren Regalen brauchen und wenn ja, zu welchen Preisen. Henkel ist da aber längst nicht so groß und breit aufgestellt wie andere Konzerne, etwa Unilever aus England oder Procter & Gamble aus den USA. Die Analysten der Deutschen Bank etwa unterstellen Henkel eine schwache Preismacht: Das Unternehmen habe nicht die Markenstärke mancher Konkurrenten.

Dieses zweite Problem will Knobel beheben, indem das Kosmetikgeschäft nun mit den Wasch- und Reinigungsmitteln fusionieren soll, also mit Marken wie Perwoll oder Pril. So entstünde eine zweite große Sparte, die mit den Klebstoffen mithalten soll. Henkel will dann doppelte Ausgaben für Verwaltung, Vertrieb und Werbung sparen, daher die 2000 Stellen weltweit. "Wir werden nun die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern in den einzelnen Ländern beginnen", sagt Knobel. "Unser klares Ziel ist es, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen." Ein Jahr später will das Unternehmen zudem die Produktion und Logistik beider Teile aufeinander abstimmen, dann sollen weitere Arbeitsplätze wegfallen. Es ist schon jetzt der größte Stellenabbau, den Henkel seit dem Jahr 2008 angekündigt hat.

Gesamtbetriebsratschefin Birgit Helten-Kindlein mahnt, dass sich die Neuaufstellung nicht im Aufzählen sogenannter Synergien und Abbauzahlen erschöpfen dürfe. "Da muss der Konzern noch nachbessern", sagt Helten-Kindlein, die auch stellvertretende Aufsichtsratschefin von Henkel ist. "Zudem ist das Unternehmen noch zu viele Details dazu schuldig geblieben, wo und mit welcher Begründung so viele Arbeitsplätze wegfallen sollen." Der Betriebsrat und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) wollen das in den kommenden Wochen und Monaten kritisch hinterfragen.

Mit dem Rückzug aus Russland brechen Henkel etwa fünf Prozent der Einnahmen weg

Obendrein will Henkel einzelne Marken einstellen oder verkaufen, die nach Ansicht des Vorstands nicht profitabel genug sind oder nicht schnell genug wachsen. Von der Deo-Marke Right Guard hat sich die Firma beispielsweise schon getrennt. Nun stehen weitere Teile auf dem Prüfstand. "Wir müssen erreichen, dass die Verbraucher unsere Marken einfach erwarten und verlangen", gibt Knobel die Linie vor. Henkel könne sich freilich auch vorstellen, gezielt Marken zuzukaufen, Knobel hofft auf eine "Wachstumsdynamik".

Doch ganz unabhängig davon hat Henkel ein drittes Problem in Russland. Denn nach Wochen des Zauderns und Kritik von Aktionären hat der Konzern vor zwei Wochen angekündigt, dass er sich aus Russland zurückziehen werde und seine elf Fabriken in dem Land entweder abwickeln, verkaufen oder an Führungskräfte vor Ort abgeben wolle. "Wir brauchen ein Gesamtkonzept", sagt Finanzvorstand Marco Swoboda, und dafür auch noch etwas Zeit.

Allerdings können Firmen während des Kriegs in der Ukraine keine hohen Verkaufspreise für Fabriken in Russland erwarten. So wird Henkel russische Werte in der Bilanz, die bislang Hunderte Millionen Euro ausmachen, wahrscheinlich nach unten korrigieren müssen. Und mit dem Rückzug aus Russland brechen den Düsseldorfern Einnahmen weg, die zuletzt etwa fünf Prozent ihrer Umsätze ausmachten.

Das alles führt viertens dazu, dass Henkel immer weniger Geld verdient. Für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen nun noch eine Gewinnmarge von neun bis elf Prozent vor Zinsen und Steuern. Das klingt technisch, bedeutet aber, dass Henkel von jedem Euro Umsatz deutlich weniger Cent übrig bleiben, um in die Zukunft zu investieren oder auch Gewinne an die Aktionäre auszuschütten. Vor wenigen Jahren lag die genannte Marge noch bei 15 Prozent.

Und genau das kommt an der Börse schlecht an. Dort notiert die Henkel-Aktie in diesen Tagen fast so niedrig wie seit rund zehn Jahren nicht mehr.

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