Autozulieferer:Zwei, die sich brauchen

Hella

Eine Heckleuchte von Hella. Der Hersteller aus Westfalen wird an den französischen Konzern Faurecia verkauft.

(Foto: OH)

Der Autozulieferer Faurecia übernimmt die Mehrheit am Scheinwerfer-Spezialisten Hella. Für Konzernchef Patrick Koller ist es der größte Coup seiner Karriere - und eine kleine Heimkehr.

Von Leo Klimm und Benedikt Müller-Arnold, Paris/Düsseldorf

Dies hier ist nicht Paris. Dies hier ist Lippstadt. Für Patrick Koller, 62, den Mann aus der französischen Hauptstadt, ist der Auftritt am Montag in der westfälischen Provinz dennoch wie ein Heimspiel. Gar wie eine Heimkehr. "Wir haben vergleichbare Kulturen", sagt Koller. Er meint seinen Konzern, den französischen Autozulieferer Faurecia, der nun den Lippstädter Scheinwerfer-Spezialisten Hella übernehmen will. Es klingt aber auch, als spreche der Faurecia-Chef von sich selbst, wie er da in perfektem Deutsch über Kultur parliert: Koller ist Deutsch-Franzose, lebte schon als Kind teils in Deutschland. Anfang der Neunzigerjahre hatte er einen seiner ersten Jobs bei Hella. Sein damaliger Chef Jürgen Behrend ist jener Firmenlenker, der ihm nun das Aktienpaket der Hella-Mehrheitseigentümer verkauft. Die Nähe, lässt Koller erkennen, hat das Milliardengeschäft erleichtert.

Am Wochenende hat die Unternehmerfamilie Hueck/Röpke entschieden, dass sie ihre 60-Prozent-Beteiligung an Hella verkaufen wird: an Faurecia. Die Familie soll dafür 3,4 Milliarden Euro erhalten, hinzu kommt eine Minderheitsbeteiligung an Faurecia. So soll der siebtgrößte Autozulieferer der Welt entstehen: ein Konzern mit 150 000 Beschäftigten, der Leuchten und Sensoren, Sitze und Antriebstechnik an Autohersteller verkauft - in einer ähnlichen Liga wie Bosch oder ZF. Die Mehrheit hat Faurecia damit schon sicher.

Für Koller ist die Übernahme sein bisher größter Coup. Die starke Position von Hella bei Scheinwerfern und Elektronik soll Faurecia helfen, weniger abhängig vom Geschäft mit Verbrennungsmotoren zu werden. Zudem hat Koller es auf den Zugang zu Premiumherstellern wie Daimler oder Audi abgesehen. "Ich hoffe, wir werden schnell an der Intimität von Hella mit deutschen Herstellern teilhaben", sagt Koller. "Wir brauchen Hella. Und ich glaube, dass Hella auch uns braucht."

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Entscheidung für richtig. Alleine sei Hella zu klein, um die nötigen hohen Investitionen zu stemmen. Die Zusammenlegung mit Faurecia ergebe Sinn.

Die Standorte von Hella würden mit der Fusion "eher sicherer", sagt Firmenchef Rolf Breidenbach

Beide Firmen schätzen, dass sie zusammen gut 200 Millionen Euro mehr Gewinn einfahren können, als wenn sie jeweils eigenständig blieben. Hella-Chef Rolf Breidenbach verweist auf die größere Einkaufsmacht. Einen Stellenabbau kündigen die Manager bislang nicht an. Die Geschäfte etwa mit Sensoren für teilautonom fahrende Autos wüchsen stark, "es ist eher mehr zu tun als weniger", sagt Breidenbach. "Die Standorte von Hella sind eher sicherer geworden als unsicherer." Schon in den vergangenen Jahren suchte der 58-Jährige die Kosten von Hella zu senken. Am Stammsitz in Lippstadt läuft derzeit ein freiwilliges Abfindungsprogramm.

Immerhin sollen drei Sparten des fusionierten Konzerns ihren Sitz in Lippstadt haben: die Geschäfte mit Licht, Elektronik und Ersatzteilen. Die anderen Sparten um Sitze, Innenraum-Ausstattung und Antriebstechnik will Faurecia von Frankreich aus steuern. Hella werde auch nach der Übernahme in Forschung und Entwicklung investieren, sagt Breidenbach, so sei es vereinbart. Wettbewerbsbehörden müssen die Fusion noch prüfen. Beide Firmen erwarten den Abschluss für Anfang 2022.

Koller gibt sich am Montag charmant, wirbt dafür, dass sein Amtskollege Breidenbach den fusionierten Konzern "ganz klar verstärken" könnte. Der Mann mit dem runden Gesicht und der kantigen Brille hat aber auch eine andere Seite: In Branchenkreisen sagt man ihm "Angst-Management" nach, seit seinem Aufstieg zum Faurecia-Chef vor fünf Jahren sei der Druck enorm hoch. Koller mag das Unternehmen vom Auspuffrohr-Hersteller zum Hightech-Zulieferer gewandelt haben - dass er Werke dichtmachen kann, hat er auch bewiesen. Im Konzern haben böse Zungen seinen Nachnamen wortspielerisch in "Colère" abgewandelt: Patrick, der Zornige.

Dass die Fusion der beiden Zulieferer überhaupt zustande kommt, hat Koller maßgeblich der Familie Hueck/Röpke zu verdanken. Seit fast 100 Jahren hält die verzweigte Dynastie die Mehrheit an der Firma Hella, deren Geschichte einst mit Petroleumlampen begann. 2014 brachten die Erben Hella an die Börse - und bündelten ihre Aktien in einem Pool-Vertrag, der noch bis 2024 läuft. Danach, so lautete eine Sorge in Lippstadt, hätten Familienmitglieder ihre Anteile "unkontrolliert" und in Massen verkaufen können. Da sei ein Verkauf "ohne Zeitdruck", wie ihn Pool-Chef Behrend nun auf den Weg gebracht hat, die bessere Alternative, sagt Hella-Chef Breidenbach: "Das gibt Sicherheit, das gibt Transparenz, das gibt Perspektive."

Die Familie wiederum wird künftig zu den größten Aktionären von Faurecia zählen - neben erlauchten Dynastien wie den Agnellis, also den Fiat-Erben, und der Familie Peugeot.

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