Helikoptergeld:Schwedische Bank: EZB könnte allen Bürgern 1300 Euro schenken

Helikoptergeld: 1300 Euro für jeden Bürger der Euro-Zone - das ist der Vorschlag der schwedischen Bank Nordea.

1300 Euro für jeden Bürger der Euro-Zone - das ist der Vorschlag der schwedischen Bank Nordea.

(Foto: Stephanie Pilick/dpa)
  • EZB-Chef Mario Draghi findet die Idee des Helikoptergelds, also eine gewisse Summe Geld an jeden Bürger zu verteilen, "sehr interessant".
  • Die schwedische Bank Nordea hat jetzt einen Betrag von 1300 Euro ins Spiel gebracht.
  • Die Idee hat jedoch viele Gegner, denn es ist nicht gesagt, dass die Menschen das geschenkte Geld überhaupt ausgeben würden.

Von Markus Zydra

Es gab Zeiten, da hätten die meisten gelacht, wenn der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) danach gefragt wird, ob er Bürgern Geld schenken könnte. In einer Marktwirtschaft zu leben, bedeutet schließlich, dass man für sein Geld arbeiten muss. Doch Mario Draghi lachte nicht, als ihn jemand während der Pressekonferenz nach dem "Helikoptergeld" fragte. Der EZB-Chef nannte es vielmehr ein "sehr interessantes Konzept". Das war ein Schock, auch für EZB-Mitarbeiter, die stets treu dementiert hatten, dass die Zentralbank solch verstörende, wenn auch verlockende Gedanken hege. Jetzt ist der Geist aus der Flasche, auch wenn Draghi betonte, wie kompliziert das Konzept sei. Der EZB-Chefvolkswirt Peter Praet wagte sich kurz danach auch aus der Deckung und sagte, dass theoretisch alle Notenbanken dieses "extreme Instrument" einsetzen könnten.

Warum sollten sie? Die EZB hat den Banken jahrelang billiges Geld gegeben, damit die Institute die Mittel als Kredite an Unternehmen und Haushalte weitergeben. Doch das Geld bleibt viel zu häufig liegen. Also, so die Idee des Helikoptergelds, könnte man die Banken umgehen und den Bürgern direkt Geld geben.

1300 Euro pro Person, um den Konsum anzukurbeln

Die schwedische Bank Nordea hat bereits eine Summe errechnet, die jeder Bürger im Euro-Raum bekommen könnte: 1300 Euro - bei einem Verlust von 444 Milliarden für die Zentralbank.

Das könne sie verkraften, glaubt Nordea. Wer sagt da schon Nein? Wahrscheinlich ginge man sofort ins Geschäft und erfüllt sich einen lang gehegten Wunsch - das ist die Idee. Der Konsum, die Wirtschaft sollen gefördert werden. Vielleicht wird man aber auch misstrauisch ob des "money for nothing" und tauscht das Geschenk stattdessen in Gold oder US-Dollar um. Motto: Wenn der Euro verschenkt wird, dann kann er bald nicht mehr viel wert sein. So könnte das Konzept das Vertrauen in den Euro untergraben, vor allem wenn die Zentralbank irgendwann regelmäßig Geld überweisen würde. Die Idee ist aber gleichzeitig so irre, dass sie fast schon wieder charmant intelligent wirkt.

Der Ex-US-Notenbankchef Ben Bernanke nutzte im Jahr 2002 die Metapher vom Helikoptergeld, die dem Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman zugeschrieben wird. Eine Notenbank, so die Idee, müsse in einer Deflation aus dem Helikopter über dem ganzen Land für die Verbraucher Dollarnoten abwerfen - bildlich gesprochen. Diese Maßnahme gilt als letzte Waffe gegen Deflation, in der sinkende Preise eine Wirtschaft zugrunde richten können. Die Preise in der Euro-Zone sinken tatsächlich, die Wirtschaft erholt sich nur schleppend.

Wer Geld geschenkt bekommt, gibt nicht sofort alles aus

John Muellbauer, Professor für Ökonomie an der Universität Oxford, hat schon im Dezember 2014 argumentiert, Helikoptergeld sei die einzige Maßnahme, mit der man eine "verlorene Dekade in der Euro-Zone" verhindern könne. Europas Zentralbank solle jedem Erwachsenen 500 Euro schenken, damit die Wirtschaft in Schwung kommt. Wer kein Bankkonto besitze, der könne einen Scheck erhalten.

Aus seinem Vorschlag ist unter dem englischen Schlagwort "QE for the people" (QE steht für "Quantitative Easing", der englische Begriff für lockere Geldpolitik) eine Bewegung geworden, die neben Akademikern und Politikern nun auch Notenbanker beschäftigt. Es gibt Fürsprecher wie den ehemaligen Chef der britischen Finanzmarktaufsicht FSA, Adair Turner, es gibt Gegner wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann: Geld verschenken dürfe nur die Regierung und das Parlament. "Wenn jeder der rund 275 Millionen Arbeiter und Rentner in der Euro-Zone einen Scheck in Höhe von 500 Euro erhielte, dann könnte die Nachfrage um 34 Milliarden Euro steigen," sagt Muellbauer, der davon ausgeht, dass die Menschen nicht den gesamten Betrag ausgeben.

Staatsfinanzierung ist verboten, Bürgerfinanzierung nicht

Doch wäre Helikoptergeld überhaupt legal? "Insgesamt ist es fraglich, ob ein Weg gefunden werden kann, der mit den Statuten der EZB und dem Vertrag von Maastricht vereinbar ist", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Fest steht: Der EZB ist die Staatsfinanzierung aus der Notenpresse verboten - doch Helikoptergeld wäre eine Direktzahlung an die Bürger. Der Staat profitierte davon aber auch, und zwar durch höhere Steuereinnahmen, wenn Menschen etwas kaufen. Daneben, so Bielmeier, müsse sichergestellt werden, dass je eine Person jeweils eine Zahlung erhalte, eine aufwendige und teure Sisyphos-Aufgabe. Die EZB kennt die Kontonummern der 337 Millionen Bürger in der Euro-Zone nicht. Manche haben mehrere Konten, manche keines.

Bisher gilt das Prinzip: Frisches EZB-Geld gibt es nur als Kredit für Banken gegen Sicherheiten. Keine Notenbank der Welt hat jemals Geld verschenkt. Eine einmalige Zahlung wäre wahrscheinlich problemlos, sie würde in einen kurzen, aber heftigen Nachfrageboom in Europa münden. Doch es besteht die Gefahr, dass der Druck auf die Notenbank wächst, immer wieder Geld zu geben. Man gewöhnt sich schnell an solche Zahlungen. Der Weg zum monatlichen EZB-Zuschuss für jedermann wäre geebnet - mit unabsehbaren Folgen: Wer möchte noch arbeiten, wenn das Grundgehalt von der EZB kommt? Wann folgt wegen des vielen Geldes die große Inflation? Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, bezeichnet Helikoptergeld als "Quatsch". Es nähre die Illusion, die Notenbank könne für die Bürger einfach immer mehr Geld drucken und damit Probleme lösen. Politisch schaffe man aber einen gefährlichen Präzedenzfall.

Reizvoll ist der Gedanke natürlich allemal. Bei der EZB rief neulich jemand an und fragte allen Ernstes, ob die Notenbank genügend Helikopter habe. Die einigermaßen fassungslose Antwort lautete: "Nein."

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