Preise für Heizöl im Winter 2018:Warum ein Großbrand und die Dürre viele teuer zu stehen kommen

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  • Vor allem im Süden und Westen Deutschlands sind die Preise für Heizöl zuletzt stark gestiegen. Dies ist ungewöhnlich, weil zugleich der Preis für Rohöl einbrach.
  • Der Brand einer Raffinerie im September und das Niedrigwasser in vielen Flüssen sorgen für eine Situation, die nach Auffassung von Experten ziemlich einmalig ist.

Von Janis Beenen und Hans von der Hagen

Der Blick aus dem Fenster zeigt für den Reeder Klaus Valentin ein Drama. Frachtschiffe reihen sich an den Kaimauern des größten Binnenhafens der Welt in Duisburg. Valentin sagt: Sie "sonnen sich". Sonnen - das klingt natürlich idyllisch, aber wenn Valentin dieses Wort mit knarzender Stimme raunt und dabei grimmig auf eine der Anlegestellen am Rhein schaut, dann ist klar: Hier stimmt etwas nicht. Es ist pure Ironie. Denn: Die Schiffe müssten eigentlich gefüllt mit Kraft- und Brennstoffen in Richtung Süden unterwegs sein.

Aber nach der anhaltenden Trockenheit führt der Rhein zu wenig Wasser für voll beladene Frachter - schon seit August gibt es Probleme. Je weiter es in Richtung Oberrhein geht, desto schlimmer wird es. Die Pegel sind teils so tief wie nie zuvor.

"Das ist das verrückteste Jahr, das ich je erlebt habe", sagt Valentin. Der 75-Jährige kennt die Branche immerhin seit 50 Jahren. Er ist Chef der Reederei Jaegers, des europäischen Marktführers für Binnentankschiffe. Ihre Dienste sind derzeit besonders gefragt, doch sie können den Bedarf nicht mehr decken. Die Konsequenzen bekommen Verbraucher und Unternehmer ausgerechnet jetzt, wo der Winter naht, mit großer Wucht zu spüren: Die Versorgung mit Heizöl, Benzin oder Diesel ist angespannt wie selten zuvor.

"Der hat vielleicht noch 600, 700 Tonnen geladen. Eigentlich passen 1300 rein"

Im Westen und Süden haben sich Kraft- und Brennstoffe stark verteuert, obgleich der Preis für Rohöl weltweit zuletzt regelrecht eingebrochen ist. Manche Tankstellen entlang des Rheins sind immer wieder leer, weil von den Raffinerien nicht genügend Nachschub über Deutschlands wichtigste Wasserstraße kommt. An vielen Häfen dienen Großtanks als regionale Verteilerstationen.

Valentins Reederei verfügt über etwa 200 Schiffe. Einer seiner Tanker quält sich am Fenster des maritimen Büros vorbei. "Der hat vielleicht noch 600, 700 Tonnen geladen. Eigentlich passen 1300 rein", klagt Valentin. Wenn Schiffe noch weiter nach Karlsruhe oder Basel fahren sollen, hätten sie noch weniger Ladung an Bord. Für die Abnehmer hat das drastische Konsequenzen: Sie müssen das Achtfache des üblichen Literpreises zahlen - sonst lohnt sich die Tour für den Reeder nicht. Und es könnte noch schlimmer kommen.

"Wenn die Trockenheit bis Ende Dezember anhält, friert uns das bisschen Wasser auch noch zu", sagt Valentin. Zu den größten Verlierern zählen nun jene, die ganz am Ende der Lieferkette stehen - Autofahrer und alle Menschen, die mit Öl heizen. Und das sind nicht wenige: In Deutschland wird etwa ein Drittel der Heizungen noch mit Öl befeuert, sagt Josef Weichslberger, Chef des Heizöl-Vermarkters Fast-Energy. Betroffen sind auch Unternehmen, typischerweise energieintensive Betriebe aus dem Gartenbaubereich oder Ziegeleien.

Das Unheil für die Verbraucher nahm schon im Sommer seinen Lauf. Viele fangen dann an, einen günstigen Moment für die Befüllung ihrer Tausende Liter fassenden Tanks zu finden. In den Jahren zuvor war es sinnvoll, im Sommer zu ordern. Doch in diesem Jahr lag der Rohölpreis schon seit dem Frühjahr deutlich über dem Niveau des Vorjahres - US-Präsident Donald Trump hatte mit der Drohung, neue Sanktionen gegen Iran zu verhängen, die Preise nach oben getrieben.

Viele Verbraucher, so schildert es Weichslberger, hielten sich angesichts der scheinbar hohen Preise im Sommer zurück. "In der Zeit war der Markt wie tot."

Verhängnisvoller Brand

Es war ein Fehler aus heutiger Sicht. Im Sommer brannte es dann auch noch in der Raffinerie Vohburg, in der immerhin ein Drittel des in Bayern ankommenden Rohöls verarbeitet wird. Das ließ die Preise für Heizöl praktisch über Nacht weiter nach oben schnellen.

Wieder hofften die Verbraucher, dass der Preissprung nur kurzfristiger Natur sein würde. Erneut war das ein Irrtum. Die Folgen des Brandes waren so schwerwiegend, dass in der Raffinerie die Produktion bis heute ruht. Mittlerweile heißt es gar, dass wohl erst im März ein Teil der Anlagen wieder in Betrieb gehen wird.

In den Preisen für Brennstoffe in Süd- und Westdeutschland addieren sich nun also die Kapazitätsausfälle durch den Brand und die angespannte Versorgungslage durch das Niedrigwasser. Kunden in Städten wie München, Stuttgart oder Frankfurt müssen derzeit nun mehr als 95 Euro je 100 Liter Heizöl zahlen; in Hamburg sind es gerade mal knapp 76 Euro.

Es ist ein Unterschied von fast zwanzig Euro - normalerweise liegt die Differenz nur bei zwei bis drei Euro, sagt Weichslberger. "Das hat es noch nie gegeben" - zumindest nicht in den fast drei Jahrzehnten, in denen er bereits im Geschäft ist.

Dabei mangelt es nirgends in Deutschland an Rohöl, denn das kommt nicht über den Fluss, sondern aus Pipelines. In Süddeutschland erhalten die Raffinerien etwa den Rohstoff über die bis nach Karlsruhe reichende Transalpine Ölleitung direkt aus dem Hafen von Triest. Die angespannte Versorgungslage bezieht sich vielmehr auf die in den Raffinerien weiterverarbeiteten Produkte - sie können nicht mehr weitertransportiert oder aus dem großen Raffineriestandort Rotterdam geholt werden. In der Raffinerie Karlsruhe zum Beispiel, der zweitgrößten Deutschlands, werden etwa ein Viertel der fertigen Produkte verschifft. Dafür fehlen nun die Kapazitäten.

Kesselwagen und Tanklaster können Ausfall der Schiffe nicht ausgleichen

Der Sommer 2018 macht deutlich, wie wichtig die Wasserwege für die deutsche Wirtschaft sind. In Duisburg muss man das natürlich keinem erzählen. Die Hafenarbeiter seien Tag und Nacht im Einsatz, damit die Logistik nicht komplett zusammenbricht, sagt Reeder Valentin.

Wo immer es geht, pumpen die Arbeiter die Kraftstoffe nun in Kesselwagen der Bahn oder in Tanklaster, die sich vor den riesigen Ölspeichern am Hafen aufreihen. Damit sich die Lage wieder entspannt, müsste es großflächig viele Tage am Stück regnen. Doch Landregen ist bislang nicht in Sicht. Und die Frage bleibt: Was müsste passieren, wenn die Trockenheit kein Sonderfall eines Jahres bleibt? Reeder Valentin zuckt mit den Schultern. Neue Schiffe könnten so gebaut werden, dass sie nicht so tief im Wasser liegen. Aber das bringe nur ein paar Zentimeter mehr Spielraum.

Und die Anschaffung ist teuer. Stattdessen bekräftig Valentin Forderungen des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt: Die Interessensvertretung spricht von immensem Sanierungsbedarf im Wasserstraßennetz und fordert deshalb Hilfe der Politik. Die momentane Situation zeige, wie viel an Engstellen gebaggert werden müsse. Der Verband nennt eine Reihe von Orten, an denen Eingriffe nötig seien - etwa an der Donau oder am Rhein zwischen Wiesbaden und Sankt Goar. Rasch wird aber wohl nichts passieren.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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