Draußen drückt die Sommerhitze, aber halb Deutschland scheint gerade vor allem eine Sorge zu plagen: dass man frieren könnte. Nicht jetzt freilich, bei mehr als 30 Grad Celsius, aber in ein paar Monaten, wenn es wieder Winter wird - und das Gas womöglich knapp und ziemlich sicher noch teurer sein wird als heute.
So prognostiziert die Bundesnetzagentur schon jetzt, dass sich die monatlichen Abschlagszahlungen für Erdgas kommendes Jahr verdreifachen könnten. Deutschland stehe wegen des drohenden Energiemangels "vor der größten Krise, die das Land je hatte", sagte zuletzt sogar Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger in der SZ. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) deutete zumindest an, dass die Versorgung der Privathaushalte vielleicht nicht in jedem Fall die oberste Priorität haben müsse.
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Solche Aussichten lassen viele offensichtlich schon jetzt frösteln, Hochsommer hin oder her. Bei der Baumarktkette Hornbach zum Beispiel berichten sie, dass schon seit Monaten die Nachfrage nach Brennmaterial, Holzöfen und strombetriebenen Heizkörpern viel höher sei als in normalen Zeiten. Seit ein paar Wochen sei sie geradezu extrem: Der Absatz von Holzpellets zum Beispiel sei doppelt so hoch wie vergangenes Jahr, bei Brennholz liege das Plus bei 50 Prozent und sogar Braunkohle-Briketts und Gas in Flaschen werde deutlich öfter verkauft als sonst. Außerdem seien Holzöfen und Heizkörper für die Steckdose extrem gefragt. Ähnliches melden verschiedene Preisvergleichsportale im Internet.
Hinter dem Hype ums Heizen steht eine Frage, die selbst die Bundesregierung gerade nicht beantworten kann: Wird das Gas über den Winter reichen - und wie viel wird es dann kosten? Viele Menschen wollen die Antwort darauf offenbar nicht abwarten und lieber jetzt schon sichergehen, dass sie es auch im Winter warm haben. Und wenn möglich, soll das Heizen damit sogar noch ein bisschen billiger sein, als beim Verfeuern von Öl oder Gas.
Billiger heizen? Eher nicht
Das aber dürfte schwierig werden, warnt Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale NRW. "Aus Kostengründen sollte niemand mit Strom heizen oder sich jetzt einen Kamin anschaffen - da bleibt die Öl- oder Gasheizung in jedem Fall billiger." Ein Holzofen könne beispielsweise nicht einfach aufgestellt und angeschürt werden, er müsse in jedem Fall an einen Kamin angeschlossen sein - und zwar vom Fachmann. Dafür brauche es in der Regel einen Ofenbauer und am Schluss müsse alles vom Schornsteinfeger abgenommen werden. Außerdem verursache so eine Feuerstelle weitere Kosten, weil der Kamin auch mehrmals im Jahr gereinigt werden muss. Mit Ofen und Holz allein sei es also längst nicht getan.
Und beim Heizen per Steckdose kommen die wirklichen Kosten erst nach dem Kauf: Ein Ölradiator, also einer dieser kleinen Heizkörper auf Rollen und mit Stromanschluss, habe typischerweise eine Leistung von 2000 Watt, erklärt Loch. Eine Kilowattstunde Strom kostete Privatkunden zuletzt im Schnitt 37,14 Cent. Wer so einen Heizkörper 24 Stunden lang voll aufgedreht laufen lässt, zahlt dafür also schon fast 18 Euro. Und auch der Strom dürfte später im Jahr noch teurer werden. Auch von Heizlüftern rät der Verbraucherschützer ab: Die seien zwar leicht und billig, aber meist nicht für den Dauerbetrieb gemacht. Oft würden sie dann zu heiß - und damit zum Sicherheitsrisiko in der Wohnung. "Effizient ist das alles sowieso nicht", sagt Loch. "Das ist eine Absicherung für den absoluten Notfall."
Und der könne durchaus eintreten, sagt der Verbraucherschützer - und zwar auch dann, wenn das Gas gar nicht ausgeht. Es reiche oft schon, wenn der Druck in der Leitung kurzzeitig unter einen bestimmten Wert fällt, dann nämlich schließe sich in den meisten Heizungen ein Sicherheitsventil. Und das lasse sich nur vom Spezialisten wieder öffnen. "Wenn das in einer ganzen Stadt oder sogar Region passiert, könnte es schon ein paar Tage dauern, bis in jedem Haus ein Heizungsmonteur war", sagt Loch.
Weniger Verbrauch, geringere Kosten
Wer vor allem eine hohe Heizkostennachzahlung fürchtet, sollte deshalb an einer anderen Stelle ansetzen: beim Verbrauch. "Energiesparen geht vor allem erst mal übers eigene Verhalten", sagt Architektin und Energieberaterin Tanja Swann. Stoßlüften statt die Fenster auf Dauerkipp zu stellen, kürzer Duschen, ungenutzte Räume nicht unnötig heizen - "in der Summe bringt das schon wirklich gute Einsparungen".
Außerdem könne es sich lohnen, die Dichtungen in Fenstern und Türen zu kontrollieren und zu erneuern. Das könne jeder mit ein wenig Geschick auch selbst erledigen "und das bringt oft eine spürbare Verbesserung des Raumklimas", sagt Swann. Etwas aufwendiger, aber von erfahreneren Heimwerkern ebenfalls selbst machbar sei zudem, Keller- und Dachbodendecken zu dämmen. Die Platten ließen sich meist gut verlegen. Das Material dafür könne man auch in Kleinanzeigen oder Inseraten suchen, oft blieben größere Restmengen bei Sanierungen übrig, weiß die Energieberaterin. Das sei oft günstiger als im Fachhandel. Wenn die Fassade gedämmt oder ganz neue Fenster eingebaut werden sollen, rät sie dagegen, einen Fachmann zu holen. Hier sei die Gefahr groß, dass man Fehler macht - und hinterher sogar einen echten Schaden hat.
Wer weniger heizt, muss mehr lüften
Es mit dem Sparen zu übertreiben, ist aber auch keine gute Idee. Denn wenn es zu kalt wird, kann sich die Luftfeuchtigkeit an den Wänden niederschlagen. Und wo es feucht ist, da droht Schimmel. "Grundsätzlich sollte die Temperatur in häufig genutzten Wohnräumen nicht unter etwa 17 Grad fallen", empfiehlt deshalb Gunnar Grün, Professor am Fraunhofer-Institut für Bauphysik. Diese Temperatur sei ohnehin deutlich unterhalb des Komfortbereichs, zum Wohlfühlen brauche es da schon einen dicken Pullover und warme Hausschuhe.
Es müssten auch gar nicht alle Räume gleichmäßig auf eine Temperatur geheizt werden, erklärt Grün. "Man kann das Haus oder die Wohnung ruhig in wärmere und kühlere Zonen aufteilen", bevor es Zentralheizungen gab, sei das ja auch die Regel gewesen. Diese Zonen sollten dann aber getrennt werden, die Türen dazwischen also geschlossen sein. In den kälteren Räumen sollte dann möglichst wenig Feuchtigkeit produziert werden, also keine Wäsche getrocknet, nicht mit Dampf gebügelt oder gekocht werden. Und sie sollten ausreichend gelüftet werden, "am besten immer wieder kurz und auf Durchzug."
Das gelte auch für Räume, die besonders kalt sind und selten genutzt werden, etwa im Keller. Dort lohne es sich, regelmäßig nachzusehen, dass sich kein Schimmel bildet, rät Grün. "Da hilft es auch, wenn möglichst nichts direkt an den Außenwänden und vor allem in den Ecken steht." An diesen kälteren Flächen schlage sich die Feuchtigkeit am schnellsten nieder. Möbel und Schränke sollten dort deshalb am besten ein Stück von den Wänden abgerückt werden, damit dahinter alles schnell trocknen kann.
Bis es wieder Winter wird, gibt es also noch einiges zu tun. Aber der Keller ist momentan wahrscheinlich sowieso der angenehmste Ort, um im Haus zu arbeiten.