Heizenergie:Solarwärme frei Haus

Thermische Solaranlage Stadtwerke Crailsheim GmbH (PR Material für Beilage_Solarthermie)

Jede verfügbare Fläche genutzt: In Crailsheim installierten die Stadtwerke 7500 Quadratmeter Kollektoren, den Großteil auf einem Erdwall (Bildmitte).

(Foto: Stadtwerke Crailsheim GmbH)

Kleine Anlagen, nah am Endverbraucher: Einige Kommunen haben die Energiewende selbst in die Hand genommen.

Von Jochen Bettzieche

Nasskaltes Nieselwetter - da kuscheln sich die meisten Menschen gern in ihrer Wohnung ein. Die Wärme produzieren sie in der Regel selbst, durch ein Feuer im Kamin, eine Öl-, eine Gasheizung oder ähnliches. Allerdings wird es in immer mehr Gemeinden möglich, sich die Wärme ins Haus liefern zu lassen, ähnlich wie Strom und Gas. Solarthermieanlagen unterstützen die dafür benötigten Heizanlagen. Ihre Zahl steigt. Zu 100 Prozent mit Sonnenenergie zu heizen, ist bislang jedoch nicht wirtschaftlich.

Die größte Anlage in Deutschland steht in Crailsheim an der Jagst. Eine Fläche von 7500 Quadratmeter nehmen die Solarkollektoren ein, verteilt auf Hausdächer und die Südflanke eines Schallschutzwalles. Die Anlage der Stadtwerke Crailsheim versorgt die rund 2000 Bewohner des Neubaugebiets Hirtenwiesen zwei mit 50 Prozent der benötigten Wärme. Den Rest liefert ein konventionelles Gas-Heizkraftwerk. "Würde man dieselbe Wärmemenge mit Heizöl erzeugen wollen, so müssten 200 000 Liter Öl verbrannt werden", sagt Crailsheims Bürgermeister Rudolf Michl.

Voraussichtlich noch dieses Jahr wird der Titel als größte Solaranlage Deutschlands nach Senftenberg gehen. Dort, im südlichen Brandenburg, entsteht auf einer Fläche von 8300 Quadratmetern die neue Nummer eins. Das Unternehmen Ritter XL Solar installiert hier 1680 Vakuumröhrenkollektoren. Bei dieser Technik sind die Röhren isoliert, ähnlich wie bei einer Thermoskanne. "Bei den typischen Temperaturen deutscher Fernwärmenetze und in Herbst und Winter, wenn viel Wärme benötigt wird, ist diese Technik den Flachkollektoren überlegen", erklärt Ritter-Sprecher Martin Willige.

Die Anlage wird direkt an das bereits bestehende Fernwärmenetz angeschlossen. Sie ist so ausgelegt, dass sie an Sommertagen den Bedarf in der Stadt deckt, erklärt Willige: "Ein Speicher ist nicht vorgesehen." Sobald die Nachfrage steigt, greift das Netz auf andere Quellen wie Gas und Kohle zurück. Ausgerechnet in der Heizperiode von September bis April liefert die Sonne deutlich weniger Wärme als im restlichen Jahr. Das heißt, die meiste Wärme erzeugen die Anlagen, wenn am wenigsten gebraucht wird.

Speicher in der Erde

Deswegen haben die Stadtwerke Crailsheim ihre Anlage um Speicher erweitert. Kurzfristig kommt das erhitzte Wasser in Pufferspeicher, aus denen es an die Haushalte weitergeleitet wird. Darüber hinaus haben sie 80 Sonden in 55 Meter tiefe Bohrlöcher eingebracht. Diese erhitzen im Sommer das Erdreich, das als Langfristspeicher dient. Bei Bedarf können die Stadtwerke im Winter die Wärme von dort zurückholen.

Allerdings hatte das Verfahren eine lange Vorlaufzeit, denn die Erde musste erst sechs Jahre lang erwärmt werden. "Seit 2014 ist der Nutzungsgrad des Erdsondenspeichers auf dem geplanten hohen Niveau", sagt Projektleiter Rafael Schmidt. Nachteil der Erdsonden: Sie verteuern die Investition. "Wenn hohe solare Deckungsraten von 30 oder sogar 50 Prozent am Wärmebedarf erreicht werden sollen, muss die Solarwärme gespeichert werden. Das erhöht die Kosten. In Crailsheim konnte dies durch Forschungsgelder abgefedert werden", sagt Matthias Sandrock, Partner beim Hamburg Institut und Experte für kommunale Wärmestrategien. Tatsächlich tragen die Stadtwerke nicht mal die Hälfte der Investitionskosten von acht Millionen Euro. 2,4 Millionen hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beigesteuert, 1,4 Millionen das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, weitere 1,4 Millionen die Stadt Crailsheim.

Wärme ist schwer zu transportieren

Zusätzlich zu solchen Direkthilfen bietet die KfW Förderdarlehen mit Zuschuss zur Tilgung. Darüber hinaus empfiehlt Sandrock, die Bürger vor Ort an der Anlage zu beteiligen. Mehr als die Hälfte der Solaranlagen sei genossenschaftlich organisiert. Auch die Ausgabe von Genussrechten sei eine Variante. "Die Renditeerwartungen von Privatpersonen liegen in der Regel niedriger als bei gewerblichen und institutionellen Investoren", hat Sandrock beobachtet. Gleichzeitig sorgt eine Beteiligung für mehr Akzeptanz vor Ort.

Die braucht es auch. Denn nur so kann die größte Herausforderung gelöst werden: der Standort. "Die Anlage muss ortsnah stehen, denn Wärme kann man nicht wie Strom über weite Strecken transportieren", sagt Sandrock. Die Verluste seien zu groß. Handelt es sich um eine Freiflächenanlage wie in Senftenberg, wird es schwierig. Wohngebiete scheiden aus. Im Gewerbegebiet sollen sich eigentlich Betriebe ansiedeln, die Arbeitsplätze schaffen. Zudem ist der Grund dort meist teuer. Landwirte geben ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen oft nur ungern her. "Und sobald ein Betreiber Interesse zeigt, steigt der Preis für das Land." Sandrock empfiehlt daher, immer mehrere geeignete Standorte zu suchen. Es sei denn, die Gemeinde hat eigenes Land. Oder es existieren Flächen wie eine ehemalige Deponie wie in Senftenberg oder ein ehemaliger Schießplatz.

Solarstrom aus Spanien? Klang vielversprechend. Nun haben die Stadtwerke München viel Ärger

Grundsätzlich gilt: Kleine Dörfer tun sich in der Regel leichter, genügend Platz aufzutreiben, als große Städte. Darüber hinaus konkurrieren die Sonnenkollektoren mit anderen Formen der erneuerbaren Energien. So setzen die Stadtwerke München (SWM) vor allem auf Geothermie, Solarthermie spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Aber nur bei der Versorgung mit Wärme. Bei der Stromerzeugung hingegen haben die SWM in das solarthermische Kraftwerk Andasol 3 in Spanien investiert - mit deutlich weniger Erfolg als erwartet. Hier wird mit Hilfe der Sonnenwärme Dampf erzeugt, der eine Turbine antreibt. Allerdings sorgte die Investition für gewaltigen Ärger und hohe Verluste. Denn die spanische Regierung strich rückwirkend die Förderung für solche Kraftwerke. Gemeinsam mit anderen Investoren wie dem Versorger Rheinenergie, im Mehrheitsbesitz der Stadt Köln, haben die Stadtwerke einen Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen Spanien gestellt, um die entgangenen Erträge doch noch zu erhalten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: