Heiz- und Wärmetechnologien:"Das ist politisches Wunschdenken"

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Für die Energiewende wäre es ideal, wenn Hausbesitzer vieles gleich­zeitig erneuerten. Das können sich aber die wenigsten leisten.

Interview von Johanna Pfund

Die Energiewende beginnt beim Wohnen, moderne Heiz- und Wärmetechnologien können den Kohlendioxidausstoß eines Hauses spürbar senken. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Heizungsbauern zu. Ein Gespräch mit Andreas Müller, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) über Nachfrage und Zukunftsszenarien.

SZ: Herr Müller, seit Jahren spricht man in Deutschland von der Energiewende. Wie ist der Verband darauf vorbereitet ?

Andreas Müller: Die Herausforderung kommt dann richtig zum Tragen, wenn die Nachfrage nach neuen Heiztechnologien tatsächlich ansteigen sollte. Momentan herrscht hier aber eher Stagnation. Da die Modernisierung veralteter Heizungsanlagen meist bedarfsorientiert erfolgt, wenn die alte Anlage nicht mehr funktioniert, bewegt sich der Wärmemarkt in Sachen Energiewende trotz guter Auftrags- und Beschäftigungslage seit Jahren nicht wirklich von der Stelle weg. Um die politischen Ziele zur Energieeffizienz und zum Klimawandel bis 2030 zu erreichen, bräuchte man etwa eine Verdoppelung der derzeitigen Sanierungsquote bei den Heizungsanlagen. Ziel wären eine Million Heizkesselmodernisierungen pro Jahr.

Was wird hauptsächlich nachgefragt?

Die Hauseigentümer fragen nach Alternativen zu Heizöl- oder Erdgastechnologien, doch die Bereitschaft, unbedingt in erneuerbare oder hybride Heiztechnologien zu investieren, ist leider zu gering. Nur etwa 30 Prozent der in deutschen Gebäuden installierten 20,7 Millionen Wärmeerzeuger entsprechen dem Stand der Technik. Nur 18 Prozent der Betreiber nutzen zusätzlich erneuerbare Energien. Dabei sollte man wissen, dass im Gebäudebestand noch überwiegend mit Heizöl und Erdgas geheizt wird. Insbesondere auf dem Land sind Heizöl oder andere flüssige Brennstoffe auch künftig wichtige Energieträger. Wenn die Eigentümer auf alternative Energien umsteigen wollen, setzt das oft voraus, dass zusätzlich in die energetische Verbesserung der Gebäudehülle investiert wird. Eine strombetriebene Wärmepumpe, die mit niedrigen Vorlauftemperaturen arbeitet, setzt größere Heizflächen und eine definierte Wärmedämmung des Hauses voraus. Es ist eine Idealvorstellung der Politik zu glauben, dass die Häuslebesitzer gleichzeitig die Gebäudehülle, das Dach und dazu auch noch die Heizungsanlage erneuern. Das ist politisches Wunschdenken und bleibt auch künftig auf ausgewählte Bauvorhaben beschränkt. Ordnungsrecht oder gar Regulierung wirken zudem an dieser Stelle absolut kontraproduktiv. Notwendig sind technologieoffene, langfristig stabile, an langfristigen Zielen orientierte, abgestimmte und bundesweit einheitliche Maßnahmen wie steuerliche Förderung zur Flankierung des Marktes.

Wie sieht es bei den Neubauten aus? Da hat man ja die Möglichkeit, von Grund auf mit moderner Technologie zu planen.

Bei Neubauten sind Ölheizungen nahezu vom Markt verschwunden. Der Trend geht hier eher zu Wärmepumpen in Verbindung mit Wohnungslüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Auch Erdgasheizungen und Pelletheizungen werden von den Bauherren nachgefragt. Stark im Trend liegen immer noch Holzfeuerstätten. In Deutschland sind etwa zehn Millionen Einzelholzfeuerstätten in Betrieb, allerdings dienen die meisten davon als Zusatzheizung. Zudem gibt es etwa eine Million zentrale Holzheizungen (Stückholz und Pellets). Holz aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung ist interessant, denn es bietet eine direkte CO₂-Einsparung im Vergleich zu Heizöl und Erdgas.

Was ist mit der Solarthermie passiert? Diese Technologie scheint bei den Verbrauchern nicht gut anzukommen.

In der Tat, die Solarthermie ist bei den Verkaufszahlen absolut rückläufig. Nur etwa neun Prozent der in Deutschland installierten Wärmeerzeuger nutzen zusätzlich die Sonnenenergie. Das Problem sind offensichtlich die Zusatzkosten für den Kollektor, den Warmwasserspeicher und die Installationstechnik, vor denen die Kunden trotz Solarförderung zurückschrecken. Hinzu kommt, dass nicht alle Dach- oder Grundstücksflächen für den Einsatz der Solarthermie geeignet sind. Und so bleibt es meist bei einer herkömmlichen Heizkesselmodernisierung ohne Solarthermie.

Wie kreativ sind die Handwerker bei Lösungen, die nicht dem Standard entsprechen?

Der Kunde bekommt vom Heizungsbauerhandwerk die individuelle Lösung angeboten und eingebaut, die er selbst ausgewählt hat und für die er bereit ist, zu investieren. Das Handwerk ist an dieser Stelle absolut energie-, technologie- und produktoffen. Demzufolge sind auch die speziellen Fachkenntnisse und handwerklichen Fertigkeiten in allen Sektoren der Heiztechnik vorhanden. Aus dem Markt- und Nachfrageverhalten der Kunden schöpft das Handwerk seine Angebots- und Innovationskraft. Die Geschäftsmodelle der Handwerker sind allerdings in ihrem Angebotsspektrum spezifisch. Kein Unternehmer kann und möchte alles anbieten. Da nur etwa 18 Prozent aller Heizsysteme Hybridtechnologien nutzen, müssen auch die Kompetenzen für die Heizöl- und Erdgasheizungen im Bestand erhalten bleiben, um die Reparaturen und die Wartung insbesondere in den Wintermonaten zu gewährleisten.

Hat der Verband die Ausbildung in den vergangenen Jahren verändert?

Ja, der ZVSHK hat die Aus- und Weiterbildung in Richtung der neuen Technologien ausgebaut. Unser wichtigstes Flaggschiff, die Weiterbildung zum SHK-Kundendiensttechniker wurde aktuell überarbeitet. Ein Schwerpunkt neben der Kundendiensttätigkeit ist die Kundenberatung. Angesichts der neuen Technologien wie Wärmepumpe, stromerzeugenden Anlagen und Speichertechnologien hat sich der ZVSHK entschieden, diese bundeseinheitliche Weiterbildung noch viel breiter aufzustellen. Auch haben wir die Inhalte in der Erstausbildung zum Anlagenmechaniker SHK fortgeschrieben; jetzt beinhaltet diese deutlich mehr alternative Technologien in der Erstausbildung. Die Ausbildung ist zudem nach Handlungsfeldern orientiert, also Wasser, Wärme, Luft oder Umwelt (regenerative Technologien). Das ist eine gute Sache, denn damit bekommen die Betriebe mehr Flexibilität und Rechtssicherheit für eine betriebs- oder technologiespezifische Ausbildung. Schwieriger ist es allerdings derzeit, genügend Nachwuchs zu finden.

Wohin wird sich Ihrer Ansicht nach die Haustechnik entwickeln?

Ich denke, die Zukunft liegt bei der Kombination von effizienten und erneuerbaren Technologien. Erneuerbare Energie kann dezentral auf dem Grundstück, auf dem Dach oder an der Fassade genutzt werden. Das Haus ist der Ort, an dem die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und E-Mobilität stattfinden kann. Wärme und Strom effizient und umweltfreundlich zu produzieren und effizient zu verbrauchen ist die spannende Zukunftsaufgabe.

Aber es fehlt an Speichertechnologien.

Ja, die Speicher für Wärme und Strom - wie auch alle anderen Technologien - müssen zuverlässig sein. Außerdem wird es künftig andere Brennstoffe geben. Die Energiewirtschaft arbeitet daran, flüssige und gasförmige Brennstoffe synthetisch herzustellen, mit neutraler Kohlendioxid-Bilanz. Aus Strom lassen sich mittels Power-to-x-Technologien neue Energieträger herstellen. Das sind alles Dinge, die sich am Horizont abzeichnen. Aber wir brauchen sicherlich noch einen Modernisierungszyklus. Mit Blick auf 2050 wird es sehr stark in Richtung CO₂-freier Wärmeerzeugung gehen. Aber der Umstieg auf diese neuen Technologien kann nie politisch von oben angeordnet werden. Am Ende des Tages brauchen wir Millionen von Investoren, die bereit sind, in diese Technik zu investieren.

Sollte man nicht grundsätzlich den CO₂-Ausstoß eines Gebäudes berechnen?

Mit Blick auf die derzeit geführte Diskussion kann man die CO₂-Emissionen neben der Primärenergie sicherlich als neue Richtgröße in einem Gebäude-Energie-Gesetz einführen, jedoch muss sehr sorgfältig geprüft werden, welche konkreten Auswirkungen eine CO₂-Bilanzierung auf die Modernisierungsaktivitäten hat. Welchen Vorteil bringt die Umstellung auf grüne Brennstoffe, wenn die Heizungsanlage immer noch veraltet ist? Welchen wirtschaftlichen Vorteil bringt dem Verbraucher die Umstellung von Kohlestrom auf CO₂-freien Ökostrom, wenn die Verbrauchsgeräte immer noch ineffizient arbeiten? Auch für CO₂-freie Energieträger gilt das Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsgebot, aber für die Verbraucher wäre es schon interessant zu wissen, wie viel CO₂ sie mit ihrer Heizung erzeugen.

Was halten Sie bei der Energiewende in Gebäuden für besonders wichtig?

Meine Grundanliegen sind: Man soll für alle Technologien offen bleiben, dezentrale Lösungen bevorzugen und Investitionen in den Werterhalt der Gebäude - hierzu gehört auch eine neue Heizungsanlage - steuerlich anreizen. Regulierung bedeutet, die Innovationsfähigkeit im Wärmemarkt zu bremsen, statt zu fördern.

© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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