Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Heil will Mindestlohn von Oktober an auf zwölf Euro anheben

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Der Bundesarbeitsminister möchte ein Wahlversprechen einlösen und stößt im Arbeitgeberlager auf heftigen Widerspruch. Von der Gehaltserhöhung könnten 6,2 Millionen Beschäftigte profitieren.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will zum 1. Oktober ein zentrales Wahlkampfversprechen der SPD umsetzen und den Mindestlohn in einem Schritt auf zwölf Euro anheben. Dies geht aus einem Reuters vorliegenden Gesetzentwurf hervor, den Heil am Freitag in der Bundesregierung verteilte. Derzeit beträgt der Mindestlohn noch 9,82 Euro. Zum 1. Juli steigt er nach geltendem Recht auf 10,45 Euro. Die Anhebung auf zwölf Euro drei Monate danach entspricht einer Steigerung um 15 Prozent. Für die Arbeitgeber rechnet Heil für das verbleibende Quartal mit höheren Lohnkosten von rund 1,63 Milliarden Euro.

Mit der Gesetzesregelung zieht sich die Bundesregierung den Zorn der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) zu. Der Spitzenverband sprach von "Staatslöhnen", die ein Angriff auf die Tarifautonomie seien: "Das ist nichts anderes als eine schallende Ohrfeige für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände". Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) dagegen hatte eine Anhebung auf zwölf Euro gefordert. "Niedrige Löhne werden in erster Linie dort gezahlt, wo Tarifverträge fehlen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell zu Reuters. "Dort wird die Anhebung des Mindestlohns am stärksten wirken." Dem Entwurf zufolge soll der Mindestlohn dann für 15 Monate unverändert bleiben. Über die nächste Anhebung zum 1. Januar 2024 soll dann wieder die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften entscheiden. Die Höhe soll die Kommission bereits bis zum 30. Juni 2023 festlegen.

Der gesetzliche Mindestlohn war 2015 mit 8,50 Euro eingeführt worden. Trotz vielfacher Warnungen von Experten blieben massive Jobverluste seinerzeit aus. SPD und Grüne hatten im Bundestagswahlkampf eine einmalige Erhöhung auf zwölf Euro noch in diesem Jahr versprochen und verankerten dies auch im Koalitionsvertrag mit der FDP. Die Anhebung auf zwölf Euro wird im Gesetzentwurf unter anderem damit begründet, dass der deutsche Mindestlohn im EU-Vergleich eher gering ausfalle im Verhältnis zum mittleren Lohneinkommen. Zudem würden Beschäftigte bessergestellt als Hartz-IV-Bezieher, die keiner Arbeit nachgingen. Dies sei ein zusätzlicher Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.

Ein Mindestlohn gilt im Grunde für alle Beschäftigten, auch in Minijobs, sofern sie keine Praktikanten oder Auszubildenden sind. Wie viele davon profitieren, lässt sich nicht so einfach feststellen. Im Gesetzentwurf ist die Rede von "voraussichtlich etwa 6,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die für ihre Arbeit bei Inkrafttreten der Mindestlohnerhöhung einen Stundenlohn unterhalb der Schwelle von 12 Euro erhalten". Das Statistische Bundesamt teilte im Dezember auf der Grundlage einer Erhebung der Verdienste im April 2021 mit: "Von einem Mindestlohn von 12 Euro würden knapp 7,2 Millionen Beschäftigte profitieren." Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht von 8,6 Millionen aus.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sprach im Wahlkampf 2021 von einer "Gehaltserhöhung für zehn Millionen". Die Unterschiede erklären sich zum Teil mit unterschiedlichen Annahmen, wie viele Beschäftigte, die schon zwölf Euro oder mehr pro Stunde verdienen, ebenfalls mit einer Lohnerhöhung rechnen können, weil durch höheren Mindestlohn Druck von unten entsteht.

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