Süddeutsche Zeitung

Hedgefonds:"Die Leute drehen durch"

Hedgefonds haben auf eine Rettung Griechenlands gewettet, nun drohen Verluste in Milliardenhöhe.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Unter Finanzmanagern genießen Politiker keinen allzu guten Ruf. Sie gelten als Schwätzer, Schauspieler und Streithansel - die sich am Ende dann doch einigen. Auch das griechische Drama wurde deshalb in den Glitzerpalästen Londons und New Yorks bisher mit eher gelassenem Spott verfolgt, denn am Ende, so die verbreitete Auffassung, werde auch der Linkspopulist Alexis Tsipras nicht umhinkommen, sich auf ein Abkommen mit den westlichen Gläubigerländern einzulassen. Umso größer dann das Entsetzen, als Tsipras am Samstag erst einmal den Stecker zog.

Nach einem Bericht der New York Times haben allein die Star-Hedgefonds-Manager David Einhorn und John Paulson griechische Staatsanleihen im Wert von mehr als zehn Milliarden Euro erworben. Angesichts einer Rendite von zwölf Prozent ein gutes Geschäft - wenn denn die Regierung das Geld zurückzahlt. Tut sie das hingegen nicht, wäre ein drastischer Kurssturz die Folge, und das ist aus Sicht der Investoren noch der beste aller schlechten Fälle: Im zweiten Schritt nämlich würden die Papiere wohl unverkäuflich. Die Verluste für die Fonds wären gewaltig.

Hedgefonds sind Investmentgesellschaften, die weniger strengen Regeln unterliegen als etwa Banken und die deshalb riskantere Anlageentscheidungen treffen können. Sie spekulieren nicht nur auf steigende, sondern auch auf fallende Kurse und können somit auch dann Geld verdienen, wenn die Börsen einbrechen. Zu den Kunden zählen vermögende Privatleute wie auch große institutionelle Anleger, etwa Pensionskassen. Hedgefonds sind umstritten, weil sie gelegentlich Kursstürze noch verschärfen. Umgekehrt können sie die Märkte auch stabilisieren, wenn sie bei einer Panik die einzigen sind, die noch ins Risiko gehen und Wertpapiere kaufen.

Noch vor einem Jahr waren dem Bericht zufolge rund 100 Hedgefonds in Griechenland aktiv. Nach Tsipras' Wahlsieg im Januar kehrte etwa die Hälfte dem Land den Rücken. Andere blieben, darunter die US-Firmen Japonica Partners, Fortress, York Capital und Knighthead, aber auch die französischen Fonds H20 und Carmignac. Einige Fonds erwarben nicht nur Anleihen, sondern kauften sich auch bei griechischen Banken ein - obwohl diese bekanntlich allesamt am Tropf der Europäischen Zentralbank hängen. Andere beteiligten sich an Firmen wie den Athener Wasserwerken - ein Monopolist, der wegen Zahlungsrückständen vieler öffentlicher Einrichtungen mittlerweile selbst am Abgrund steht.

"Die Leute drehen durch", sagte der griechische Anwalt Nicolas Papapolitis der Zeitung. "Einige haben wirklich große Wetten auf Griechenland laufen." Zwar droht derzeit kein Kollaps eines Hedgefonds mit unabsehbaren Folgen für das globale Finanzsystem, dafür sind die Summen, um die es in Griechenland geht, zu klein. Papapolitis, der viele der Geschäfte eingefädelt hat und mit 32 Jahren etwa im gleichen Alter ist wie viele Hedgefonds-Manager, fühlt dennoch mit seinen Kunden: "Diese Jungs sind meine Freunde", sagte er. "Sie haben in Griechenland investiert, als es mit der Wirtschaft bergauf ging - und jetzt das! Ich fühle mich verpflichtet, für sie da zu sein."

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Quelle:
SZ vom 30.06.2015
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