Süddeutsche Zeitung

Finanzmarkt:"Denke ich, Gott liebt das? Natürlich"

Bill Hwang hat gerade ein kleines Finanzbeben ausgelöst. Wer ist der Investor, auf den offenbar mehrere renommierte Großbanken hereingefallen sind?

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Bill Hwang hat sich große Ziele gesetzt. Nicht nur Geld sollen seine Investments bringen, nein, sie mögen auch Gott gefallen, sagte er vor wenigen Jahren in einem Interview mit der theologischen Bildungseinrichtung Fuller Seminary. "Denke ich, Gott liebt das? Natürlich", gab sich Hwang überzeugt und setzte nach: "Ich bin wie ein kleines Kind, ich schaue, was ich tun kann und wo ich investieren kann, um Gott zu gefallen". Hwang ist nicht nur Gründer und Chef eines privaten New Yorker Hedgefonds namens Archegos, sondern auch evangelikaler Christ. Es gehe nicht nur um Geld, so Hwang. "Kapitalismus und die Anlage in Unternehmen sind lediglich ein Mittel, um die Menschheit voranzubringen".

Damit ist es nun vorerst vorbei, denn Hwang hat gerade vor allem eines erreicht: er hat ein Beben an den Finanzmärkten ausgelöst, zwei Großbanken in der Schweiz und Japan an den Rand des Abgrunds gebracht, und vielerorts die Frage ausgelöst: Warum hat die Finanzaufsicht das Unheil nicht kommen sehen? Spätestens seit Montag ist der Investor, bislang allenfalls einer Fachwelt bekannt, weltberühmt. Und seine Frömmigkeit, so viel darf man sicherlich schon sagen, ist wohl mit außergewöhnlicher Gier gepaart.

Diese Gier scheint auch zahlreiche große Banken angesteckt zu haben, die ihm Milliarden für seine Aktienkäufe geliehen haben. Das ist ein übliches Geschäft. Einerseits. Hedgefonds sind spekulative und weniger stark regulierte Fonds, die bei der Geldanlage viele Freiheiten haben. Sie können mit geliehenem Geld auf den Absturz von Aktien wetten. Andererseits waren nun außergewöhnlich viel Schulden im Spiel. Mehr noch, Banken wie Credit Suisse aus der Schweiz oder Nomura aus Japan und Goldman Sachs aus den USA liehen Archegos Geld über Swap-Geschäfte, sodass die Aufseher die irre Verschuldung offenbar nicht sahen. Als privater Hedgefonds musste Hwang wenig melden.

In der Finanzwelt fragen sich viele, wie viele Archegos es da draußen noch gibt

Auf diese Weise gelang es ihm, ein Ungetüm aufzubauen, ausgerechnet vor den Augen der Börsenaufsicht SEC in New York. Laut US-Medien verwaltete sein Fonds rund zehn Milliarden, kam mit Schulden wohl sogar auf 50 Milliarden Dollar. Als vergangene Woche einige Aktien aus seinem Portfolio plötzlich an Wert verloren, schmissen die Banken die als Sicherheit verpfändeten Papiere auf den Markt - jene, die zu spät waren, blieben auf riesigen Verlusten sitzen.

Doch wer ist Hwang und woher hat er sein Geld? Das Wall Street Journal schätzt ihn auf Ende fünfzig, er sei ein Pastorensohn, ausgewandert nach der Highschool von Südkorea in die USA, wo er unter anderem Betriebswirtschaft studiert habe. Vor mehr als zwanzig Jahren fing er bei dem Hedgefonds Tiger Management des Milliardärs Julian Robertson an, einer Legende an der Wall Street. Wer bei ihm gelernt hat, gilt bis heute als Elite der Hedgefonds-Szene. Nachdem Robertson den Fonds 2000 geschlossen hatte, machten einige seiner Schüler mit dessen Unterstützung eigene Hedgefonds auf - Tiger Cubs genannt, Tigerjungen. Hwang gründete 2001 Tiger Asia Management, investierte vor allem in asiatischen Märkten.

2012 endete die Geschichte des Fonds mit einem Insiderskandal. Tiger Asia musste 16 Millionen Dollar erstatten. In einem Vergleich mit der SEC akzeptierte Hwang eine Strafe von 44 Millionen Dollar. Er gab den Kunden seines Fonds ihr Geld zurück und verwaltete fortan sein eigenes Vermögen unter dem Namen Archegos. Sein Insiderhandel hielt mehrere namhafte Banken nicht davon ab, mit ihm Geschäfte zu machen. Auf Deutsch heißt Archegos Anführer oder Pionier. In der Finanzwelt fragen sich nun viele, wie viele Archegos es da draußen noch gibt.

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