Haushaltskrise in Athen:Griechen empören sich über Deutsche

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Zoff in Athen: Nach abwertenden Medienberichten erinnert der griechische Vizepremier an die Besetzung durch die Wehrmacht.

Kai Strittmatter

Politiker in Athen haben Deutschland in scharfer Form aufgefordert, sich mit Kritik an der griechischen Finanzkrise zurückzuhalten. Deutschland habe während der Besetzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg "das griechische Gold weggenommen, das bei der Zentralbank lag", sagte Vizepremier Theodoros Pangalos der BBC. Nun solle es "wenigstens dankbar sein".

Oppositionspolitiker forderten die Regierung auf, von Berlin Reparationen zu verlangen. Auslöser der antideutschen Äußerungen sind als beleidigend empfundene deutsche Medienberichte über die Finanzkrise.

Parlamentssprecher Filippos Petsalnikos hat für Donnerstag den deutschen Botschafter Wolfgang Schultheiß zu sich gebeten, um gegen Artikel der Magazine Focus und Stern zu protestieren.

"Geschmacklos"

"Die Wut ist groß", sagte Schultheiß. "Eine Welle der Empörung schlägt über uns herein. Meiner Meinung nach berechtigt." Schultheiß nannte das Titelbild des Magazins Focus, das im Zentrum der Proteste steht, "geschmacklos".

Der Titel zeigt die Venus von Milo mit obszöner Geste unter der Überschrift "Betrüger in der Euro-Familie". Der begleitende Artikel bescheinigte Griechenland "2000 Jahre Verfall". Zeitungen wie Eleftheros Typos reagierten mit Hakenkreuz-Fotomontagen vor dem Brandenburger Tor.

Manolis Glezos, eine Symbolfigur des Widerstands gegen die Besatzung, warf den Deutschen Geschichtsvergessenheit vor. Der Bürgermeister von Athen, Nikitas Kaklamatis, sagte: "Ihr schuldet uns 70 Milliarden Euro für die Ruinen, die ihr uns hinterlassen habt." Kolumnisten erinnern daran, wie Berlin Athen gedrängt habe, deutsche Rüstungsgüter zu kaufen und sich dadurch weiter zu verschulden.

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Den Betrugsvorwurf kontern viele Zeitungen mit dem Hinweis auf die deutsche Firma Siemens, die den größten Korruptionsskandal der vergangenen Jahre in Athen zu verantworten hat.

Die Erregung erinnere ihn "an die Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen" in der muslimischen Welt, sagte der deutschsprachige Athener Autor Petros Markaris.

Der Historiker Hagen Fleischer, der seit 1977 in Griechenland lebt, sieht "einen der schlimmsten Tiefpunkte" zwischen Deutschland und Griechenland erreicht. Er hat "vollstes Verständnis" für die griechischen Reaktionen.

Es gibt auch mahnende Stimmen. Das Blatt Kathimerini warnte vor "antideutscher Hysterie". Und der Autor Markaris meint, beide Seiten verhielten sich provokativ und "blöd". Die antigriechische Stimmungsmache in der EU sei kontraproduktiv: "Sie dient vielen Leuten hier dazu, von der bösen Lage unserer Finanzen abzulenken.

Jedes Mal, wenn die EU nun von uns strenge Maßnahmen verlangt, werden sie sagen: Da stecken die Deutschen hinter!" Auch Berlin wies die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wies auf ein Entschädigungsabkommen von 1960 hin, wonach die Bundesregierung 115 Millionen Mark an Griechenland gezahlt habe.

Unterdessen legte ein 24-stündiger Generalstreik gegen das Sparprogramm der Regierung Griechenland am Mittwoch teilweise lahm. Gleichzeitig erhöhte die EU-Kommission ihren Druck auf Athen: Sie will Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen, weil das Land rechtswidrige Steuerbeihilfen für Firmen nicht zurückgefordert habe - trotz einer EU-Aufforderung im Juli 2008.

Im Video: Bei Protesten in der griechischen Hauptstadt Athen ist es am Mittwoch zu Ausschreitungen gekommen.

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© SZ vom 25.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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