Haushalt - Kiel:Höhere Besoldung für viele Beamte im Norden geplant

Deutschland
Euro-Münzen sind gestapelt. Die Besoldung von Beamten in Schleswig-Holstein wird reformiert. Foto: Oliver Berg/dpa/Illustratioin (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Kiel (dpa/lno) - Viele tausend Beamte mit Kindern und aus unteren Besoldungsgruppen sollen in Schleswig-Holstein mehr Geld bekommen. Die Landesregierung will die Bezahlung noch vor der Landtagswahl am 8. Mai nächsten Jahres neu regeln und verfassungsfest machen. Vorgesehen ist, den Familienzuschlag pauschal um 40 Euro pro Kind zu erhöhen. Dies betrifft etwa 30.000 Kinder. Zudem sollen die unterste Besoldungsstufe wegfallen und für Familien mit Kindern die Krankenversicherungskosten sinken.

"Wir setzen um, was verfassungsrechtlich geboten ist und modernisieren das Besoldungsrecht", sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) am Freitag bei der Vorstellung der Pläne. Sie reagiert damit auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts aus 2020.

Heinold plant auch Zuschläge für Beamte in unteren Besoldungsgruppen und für Familien mit mindestens drei Kindern, wenn der Lebenspartner oder die Partnerin kein ausreichendes Einkommen haben, um die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Mindesthöhe zu erreichen. Danach muss ein Beamtengehalt in jeder Besoldungsstufe mindestens 15 Prozent über dem Niveau der Grundsicherung (Hartz IV) liegen.

Nach einem weiteren Urteil müssen die zusätzlichen Aufwendungen ab einem dritten Kind stärker berücksichtigt werden. Laut einer Beispielrechnung des Ministeriums würde ein verheirateter Gefängnis-Wachmann mit den Änderungen statt 31.700 Euro netto 38.800 Euro im Jahr bekommen.

Beim Thema Weihnachtsgeld will die Regierung abwarten, bis über Klagen entschieden wird. Das Land hatte die Sonderzahlung 2007 in prekärer Haushaltslage für die unteren Besoldungsstufen reduziert und ab Gruppe A11 gestrichen. Müsste es infolge von Gerichtsurteilen dieses Geld nachzahlen, könnte ein Milliardenbetrag zusammenkommen.

Mit ihren Plänen zieht die Regierung Konsequenzen aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu Regelungen in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Dies steht auch im Zusammenhang mit der 2022 geplanten Übertragung des Tarifergebnisses für Angestellte auf die 46.000 Beamten. "Wir werden das kommende Tarifergebnis wie zugesagt zeit- und wirkungsgleich auf die Besoldung übertragen", sagte Heinold. Dazu sei es notwendig, das Besoldungsgesetz vorher zu überarbeiten, um Verfassungskonformität sicherzustellen.

Nach den Verfassungsgerichtsurteilen wird in Berlin und NRW der erforderliche Abstand zur sozialen Grundsicherung in den unteren Besoldungsgruppen unterschritten. Zudem würden die Anforderungen an die Besoldung bei Familien mit mehr als zwei Kindern nicht erfüllt.

"Mit dem Schritt, bei den Familienergänzungszuschlägen künftig auch das Partnereinkommen zu berücksichtigen, lösen wir uns vom Bild der klassischen Alleinverdiener-Familie", erläuterte Heinold. "Damit bildet das Besoldungsrecht die gesellschaftliche Veränderung ab, dass in der Regel mehr als das Einkommen eines Alleinverdienenden als Familieneinkommen zur Verfügung steht."

Die geplanten Änderungen bewirken Heinold zufolge strukturelle Mehrausgaben für den Haushalt von 27 bis 33 Millionen Euro jährlich. Für 2020 und 2021 ist auch noch eine pauschale Nachzahlung von 80 Euro monatlich für das dritte und jedes weitere Kind geplant. Zudem soll es zusätzlich 260 Euro monatlich für das dritte Kind und 317 Euro für jedes weitere Kind geben, wenn das Ehegatteneinkommen unter der Einkommensgrenze lag. Für diese Nachzahlung rechnet Heinold mit einmaligen Ausgaben von 16 Millionen Euro.

Trotz angespannter Haushaltslage infolge Corona-Belastungen müsse das Land die Besoldung nachbessern, sagte die Grünen-Politikerin. "Ohne eine verfassungskonforme Besoldung ist kein Staat zu machen." Alle Zulagen würden künftig dynamisiert und an aktuelle Entwicklungen angepasst.

Die Pläne stießen sowohl auf Zustimmung als auch Kritik. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht einen Schritt in die richtige Richtung. Aber viele Fragen blieben offen, sagte Landesvize Ingo Schlüter. Er kündigte einen kritischen Dialog mit der Regierung und weitergehende Forderungen an. Der Landesvorsitzender des Beamtenbundes, Kai Tellkamp, verwies auch auf die Einbußen beim Weihnachtsgeld: "Es ist nicht vermittelbar, wenn nur bei eng ausgewählten Gruppen ein Teil kompensiert wird und viele Beamtinnen und Beamte weiterhin in die Röhre schauen".

Auch der Richterverband nannte die Pläne unzureichend: "Die Besoldung muss unabhängig von Familienstand und Kinderzahl sowie Einkommen des Ehepartners attraktiv und wettbewerbsfähig sein". Aus Sicht der oppositionellen SPD-Landtagsfraktion muss ebenfalls mehr getan werden, um ein Abwandern von Beamten in andere Länder wegen einer dortigen höheren Besoldung zu verhindern.

© dpa-infocom, dpa:210806-99-744796/4

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: