Haushalt:Ein Loch von fast 77 Milliarden Euro

Obwohl dem Bund das Geld ausgeht, wollen führende Unionspolitiker den Soli ersatzlos streichen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Im Streit um die Abschaffung des Solidaritätszuschlages tut sich bei der Union ein Widerspruch auf: Spitzenfunktionäre wie die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer oder Fraktionschef Ralph Brinkhaus fordern die komplette und ersatzlose Abschaffung der Abgabe auf die Einkommensteuer. "Die Union will den Soli für alle Steuerzahler abschaffen. Wir werden darüber mit der SPD reden", sagte Brinkhaus der Bild am Sonntag. Zugleich warnen aber Haushaltsexperten der Union vor einem riesigen Finanzloch.

Vor diesem Hintergrund scheint es erstaunlich, dass Kramp-Karrenbauer oder Brinkhaus dennoch auf der vollständigen Abschaffung des Soli bestehen - ohne zu erklären, wie sie diese finanzieren wollen. Bisher hatte die Union behauptet, die finanziellen Spielräume im Haushalt seien groß genug. Nun belegen Berechnungen der eigenen Experten, dass dies nicht so ist.

Schon die von der Bundesregierung zugesagten Mehrausgaben für internationale Verpflichtungen wie Entwicklungshilfe, die Nato und den EU-Haushalt könnten sich demnach bis 2023 auf "drohende Fehlbeträge" von insgesamt 76,9 Milliarden Euro summieren, heißt es in einem internen Papier. Die aktuelle Asylrücklage in Höhe von 35 Milliarden Euro reiche nicht aus, um diese Ausgabenlücke zu decken. "Die weiteren Zusatzausgaben oder die vollständige Soli-Abschaffung sind hier noch gar nicht abgebildet." Auch künftige Zuschüsse zu den Sozialversicherungen seien nicht enthalten. Die Autoren halten die Ausgabenplanungen des Bundes für die nächsten Jahre deshalb für "illusorisch". Die wirtschaftliche Entwicklung werde sich deutlich abkühlen; die Steuereinnahmen würden nicht mehr wie in den vergangenen Jahren des steten Aufschwungs über die Erwartungen hinaus steigen. Weil zugleich auch keine weiteren Zinssenkungen mehr zu erwarten seien, gebe es künftig nicht mehr wie bisher zusätzliche finanzielle Spielräume.

Der Soli ist eine reine Bundesabgabe. Alle Einnahmen, rund 20 Milliarden Euro jährlich, fließen dem Finanzministerium in Berlin zu. Würde der Soli komplett gestrichen, müsste der Bund darauf verzichten. Die große Koalition hat vereinbart, von 2021 an den Soli für die Bezieher unterer Einkommen zu streichen. Das kostet etwa zehn Milliarden Euro. Mittel- und Spitzenverdiener sollen weiterhin zahlen.

Die SPD ist grundsätzlich bereit, den Soli komplett abzuschaffen, fordert aber eine gerechte Gegenfinanzierung, etwa einen höheren Spitzensteuersatz von 45 Prozent. Das lehnt die Union ab. Haushaltsexperten weisen aber darauf hin, dass auch ein höherer Spitzensteuersatz längst noch nicht ausreichen würde, um die Soli-Abschaffung gegenzufinanzieren

Parallel dazu teilte das Bundesfinanzministerium am Montag mit, dass der Länderfinanzausgleich zwischen den Bundesländern 2018 auf einen neuen Rekord von 11,5 Milliarden Euro gestiegen ist. Bayern zahlte davon mehr als die Hälfte. Weitere Zahler-Länder waren demnach Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Die größten Empfänger waren Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.

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