Hausbau:Die Kräne stehen immer noch

Maisach: Neubaugebiet / Gewerbegebiet West / Immobilien

Gerade in der Pandemie ist das Eigenheim das perfekte Refugium. Doppelhaus im Bau im Gewerbegebiet West in Maisach.

(Foto: Johannes Simon)

Seit einem halben Jahr gelten strengere Regeln für die Vergabe von Immobilien-Darlehen. Viele Menschen kommen nun schwerer an Kredite. Doch zusammengebrochen ist die Baufinanzierung bislang nicht.

Von Benedikt Müller

Es sind Geschichten wie die von Sascha Klamp. Der gebürtige Kölner hat vor neun Jahren ein Haus in Köln gekauft, wohnt aber zurzeit in London und verdient sein Geld in britischen Pfund. Nun will Klamp die vermietete Immobilie sanieren, um künftig Energie zu sparen. Doch weder seine Sparkasse noch große Banken wollen ihm einen zusätzlichen Kredit geben. Denn wenn das Pfund abwerten sollte, könnte es für Klamp schwieriger werden, die Monatsrate zu zahlen.

Es sind aber auch Geschichten wie die einer Rentnerin aus dem Rheinland, die ihr Bad barrierefrei umbauen möchte. Doch obwohl ihr Eigenheim längst abbezahlt ist, bekommt die 64-Jährige keinen Kredit. Der Grund: Es sei unsicher, ob sie das Darlehen noch zu Lebzeiten tilgen könnte.

In beiden Fällen verweisen die Banken auf die Wohnimmobilien-Kreditrichtlinie, die vor einem halben Jahr bundesweit in Kraft getreten ist. Seit 21. März müssen Banken strengere Regeln einhalten, wenn sie Geld an Bauherren oder Immobilienkäufer verleihen. So muss der Schuldner in der Lage sein, seinen Kredit dauerhaft aus dem laufenden Einkommen zu bedienen - und ihn im Laufe seines Lebens zurückzuzahlen. Die Banken dürfen sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Immobilie zur Not verkauft werden könnte, sollte sich ein Schuldner übernommen haben.

Nun streiten Banken und Politik, ob die Richtlinie einen sinnvollen Schutz vor Überschuldung bietet - oder ob sie den Markt überreguliert. Anfang der Woche hat ein Bündnis aus Bauwirtschaft, Immobilienbranche und Architekten die Bundesregierung aufgefordert, das Gesetz schnell zu korrigieren. Immer mehr Menschen, die ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen wollten, scheiterten an der "äußerst restriktiven Vergabepraxis" von Banken und Sparkassen, sagt Initiator Ronald Rast. "Gerade Menschen mit einer schmalen Rente, die ihr Haus altersgerecht umbauen wollen, werden durch das Verweigern von Krediten bitter enttäuscht."

Neben Rentnern, bei denen vor allem die Rückzahlung zu Lebzeiten fraglich ist, und Menschen wie Sascha Klamp, deren Einkommen Währungsrisiken ausgesetzt ist, häufen sich zudem Berichte von jungen Familien, deren Kreditanträge abgelehnt werden. Oft ist es den Banken zu unsicher, ob die Eltern während oder nach einer Baby-Pause noch genug Geld verdienen, um das Darlehen zu bedienen.

Weil Immobilien eine beliebte Form der Altersvorsorge sind und der altersgerechte Umbau hiesiger Gebäude nottut, ist die strenge Richtlinie innerhalb der Großen Koalition umstritten. Finanzpolitiker sowohl der Union als auch der SPD fordern, die Regeln sollten entschärft werden. Die Bundesregierung arbeitet zurzeit an leichten Nachbesserungen, sodass Kreditanträge bestimmter Gruppen künftig nicht pauschal abgelehnt werden dürfen. Der Bund hält aber grundsätzlich an der Richtlinie fest. Schließlich habe man lediglich eine Vorgabe der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt. Ziel der EU war, Bauherren vor Überschuldung und Zwangsversteigerungen zu schützen, wie sie etwa nach dem Platzen der Immobilienblase in Spanien verbreitet waren.

Aufseiten der Banken fällt auf, dass vor allem Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken die neuen Regeln kritisieren. Zum Beispiel berichtet der Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband, seine Mitgliedsbanken hätten in diesem Sommer 15 Prozent weniger Baukredite vergeben können als im Vorjahr. "Senioren werden regelrecht diskriminiert", sagt Verbandschef Ralf W. Barkey, "das kann die Politik nicht gewollt haben." Zuvor teilte etwa der Ostdeutsche Sparkassenverband mit, die Vergabe von Baukrediten sei im zweiten Quartal um 16 Prozent eingebrochen.

Vor allem Sparkassen und Volksbanken beklagen einen Einbruch ihrer Geschäfte

Das düsterste Bild der Lage zeichnen Analysten der britischen Großbank HSBC. Die Richtlinie könnte die Nachfrage nach Immobilien verringern und "sogar zu einem gänzlichen Sinken der Preise" führen, schreiben die Banker in einer Studie.

Private Banken, Kreditvermittler und Verbraucherschützer äußern sich deutlich gelassener. Zwar zeigen Zahlen der Bundesbank, dass deutsche Banken von April bis Juli 13 Prozent weniger Geld neu an Bauherren und Immobilienkäufer verliehen haben als im Vorjahreszeitraum. Allerdings wollten im Vorjahr auch außergewöhnlich viele Menschen einen Baukredit aufnehmen, weil die Zinsen damals deutlich gesunken waren. Dass das Neugeschäft in diesem Sommer geringer ausfällt, gilt eher als gesundes Zeichen, zumal die Bauzinsen kaum noch weiter sinken können.

Auch der Kreditvermittler Interhyp verzeichnet keine großen Einbrüche; man könne die Kunden unverändert mit Darlehen versorgen. Für eine endgültige Beurteilung der Richtlinie sei es aber noch zu früh.

Warum das Neugeschäft bei einigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken deutlicher eingebrochen ist als bei der Konkurrenz, ist unklar. Entweder legen diese Institute die neuen Vorgaben besonders streng aus, weil es für die Banken teuer werden kann, wenn sie ihre Kunden nicht ausreichend auf die Risiken hinweisen; dann dürfte der Kunde den Zins kürzen oder die Finanzierung vorzeitig kündigen, ohne eine Entschädigung zahlen zu müssen. Oder: Die betroffenen Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken bieten schlechtere Konditionen als ihre Konkurrenten und fallen deshalb im Neugeschäft zurück.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht es jedenfalls nicht als erwiesen an, dass die schwächeren Zahlen einzig auf die Richtlinie zurückzuführen wären. "Ich habe den Eindruck, dass einige Institute dramatisieren", sagt Finanzexpertin Dorothea Mohn. "In unseren Erfahrungen spiegelt es sich nicht wider, dass vielen Verbrauchern nun ein Kredit ausgeschlagen würde, obwohl ihre Bonität das eigentlich zuließe." Riskante Kredite zu verhindern, sei nun mal der Sinn dieser Regulierung.

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