Hauptversammlung während der Krise:Thyssen-Krupp im Kreuzverhör

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Erinnerungen an die Legende - und bessere Zeiten für den Konzern: Auf der Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG in Bochum gedenken die Aktionäre des verstorbenen Ehrenvorsitzenden Berthold Beitz. (Foto: dpa)

Der Stahl ist angerostet: Der in Affären verstrickte Konzern Thyssen-Krupp stellt sich seinen wütenden Aktionären. Ein neuer Vorstand, der gegen Korruption kämpft, soll sie besänftigen.

Korruption, Kartellverfahren, Stahlkrise, Verschuldung - die Liste der Probleme von Thyssen-Krupp ist lang. Mit Heinrich Hiesinger, dem Chef des Konzerns, sollte alles besser werden. Noch vor seinem Amtsantritt 2011 versprach er seinen Mitarbeitern "mit großer Beharrlichkeit all das umzusetzen, was für unser Unternehmen notwendig ist".

Heute ist er nicht viel weiter. Der Verkauf des verlustreichen Stahlwerkes in Brasilien scheiterte vorerst, die Trennung vom Edelstahlgeschäft musste der Konzern teilweise rückabwickeln. Im Handelsblatt hat Hiesinger Fehler eingeräumt: "Sicherlich war es ein taktischer Fehler, den Verkauf des Stahlwerks bis zum vergangenen Mai angekündigt zu haben", sagte er der Zeitung. "Hiesinger hat zu viel versprochen", sagen die Kritiker.

Ihnen stellt sich der Thyssen-Krupp-Chef an diesem Freitag auf der Hauptversammlung des Konzerns in Bochum. Es dürfte laut werden.

Der Konzern beschäftigt 150.000 Mitarbeiter. Unter anderem mit seinen Stahlwerken in den USA und Brasilien hat er einen immensen Schuldenberg angehäuft. Im Geschäftsjahr 2012/2013 machte der Konzern einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro.

ThyssenKrupp, der legendäre deutsche Familienkonzern, erscheint vielen nicht mehr als sichere Bank. Die Krupp-Stiftung hat ihre starke Machtposition im Unternehmen verloren. Hiesinger muss eine Antwort finden auf die Frage: Wie wird das Unternehmen wieder robust wie früher? Und auch: vertrauensvoll wie früher.

Um dieses Vertrauen nach den schmutzigen Affären wieder herzustellen, verkündete Aufsichtsratschef Ulrich Lehner zu Beginn der Hauptversammlung gleich eine Beruhigungsmaßnahme: Der Konzern schafft ein eigenes Vorstandsressort für den Kampf gegen Korruption und Kartellverstöße. Die Aufgabe übernimmt der frühere Chefjustiziar des Handelskonzerns Metro, Donatus Kaufmann.

Thyssen-Krupp-Stiftung
:Ende einer Ära

Jahrzehntelang bestimmte die Krupp-Stiftung die Geschicke des größten deutschen Stahlkonzerns. Durch die Kapitalerhöhung verliert sie nicht nur an Einfluss sondern auch einen Teil ihrer bisherigen Schutzfunktion - etwa gegen feindliche Übernahmen.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Konzernchef Hiesinger bittet laut Redetext um Geduld: "Wir haben auch den Mut da, wo es notwendig ist, Umwege in Kauf zu nehmen." Auf der Versammlung will das Unternehmen dafür werben, dass auch ohne die Abstimmung der Aktionäre (ohne eine neue Hauptversammlung) eine Kapitalerhöhung von bis zu 25 Prozent durchgesetzt werden kann.

Die Aktionäre sollen auch darüber abstimmen, ob der ehemalige Telekom-Chef René Obermann in den Aufsichtsrat kommt. Aktionäre der Fondsgesellschaft Union Investment kündigten an, ihm ihre Stimme zu verweigern: "Obermann ist fachlich der falsche Mann. Thyssen-Krupp braucht mehr Industrieexpertise im Aufsichtsrat."

Anfang Dezember hatte eine Kapitalerhöhung Thyssen-Krupp brutto 900 Millionen Euro eingebracht. In der Folge stieg der Anteil des schwedischen Finanzinvestors Cevian auf knapp 11 Prozent, die Krupp-Stiftung verlor ihren Aktienanteil von 25 Prozent und damit ihre Sperrminorität.

Scharfe Kritik an Thyssen-Krupp übt die Nichtregierungsorganisation "Kritische Aktionäre". Der Konzern habe "bei der Errichtung seines Stahlwerks in Brasilien ein ökonomisches, ökologisches und soziales Desaster angerichtet". Menschen, die in unmittelbarer Umgebung des Stahlwerks lebten, klagten über gesundheitliche Folgen. Viele litten an Allergien, anhaltendem Fieber, Atemwegs- und Hautproblemen, schreibt die Organisation. Sie fordert, dass Thyssen Krupp Geschädigte entschädigt und sich an Regeln "verantwortungsvoller Unternehmensführung" hält.

© Süddeutsche.de/Reuters/dpa/jab/sana - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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