Hauptversammlung von ProSiebenSat.1:Crash der Realitäten

Weißbier und Würste reichen zur Besänftigung nicht aus. Der ProSiebenSat.1-Vorstand lobt den Konzern in den Himmel. Doch die Kleinaktionäre lassen ihrer Wut auf Permira und KKR freien Lauf - die Investoren schweigen.

Tobias Dorfer

Heidi Klum fehlt zwar, aber das macht nichts. Die Fassade glänzt auf der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 auch ohne den Titelstar der sendereigenen Erfolgsproduktion "Germany's next Topmodel".

Hauptversammlung von ProSiebenSat.1: "Verlassen Sie dieses Unternehmen" - starke Worte bei der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1.

"Verlassen Sie dieses Unternehmen" - starke Worte bei der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1.

(Foto: Foto: ddp)

Denn die Organisatoren haben vorgesorgt. Kurz vor Beginn der Redebeiträge sitzen die meisten Kleinaktionäre gemütlich im Foyer der Kongresshalle im Bavariapark zusammen. Belegte Brötchen, Weißwürste und das obligatorische Weißbier werden angeboten. Es ist Dienstagmorgen, kurz vor zehn - die Aktionäre stärken sich für die Versammlung. Eine Versammlung, die Konfliktpotential birgt.

Denn es gibt zwei Realitäten, die an diesem Dienstag zutage treten. Die eine Realität ist die von Konzernchef Guillaume de Posch und dem Vorstand. Mit dem Erwerb der SBS-Sendergruppe sei das Unternehmen "auf einen Streich" zum internationalen Konzern geworden. Der Umsatz sei im Jahr 2007 um 29 Prozent gestiegen und der Gewinn um zwölf Prozent. "ProSiebenSat.1 ist ein kerngesundes Unternehmen", ruft de Posch in den Saal.

Die Kleinaktionäre nehmen eine andere Realität wahr. Sie sehen die anhaltende Quotenschwäche der Sender Sat.1 und ProSieben und die roten Zahlen des ersten Geschäftsquartals. Sie nehmen wahr, dass im vergangenen Jahr das Bundeskartellamt wegen wettbewerbswidriger Rabatte bei Fernsehwerbezeiten ein Bußgeld von 120 Millionen Euro gegen das Unternehmen verhängt hat. Und sie bemerken, dass ihre Aktien innerhalb eines Jahres rund zwei Drittel ihres Wertes verloren haben.

Auf der nächsten Seite: Weißbier und Würste sind nur eine Geste der Besänftigung.

Crash der Realitäten

Trotz dieser Probleme hat der Aufsichtsrat den Aktionären eine Rekorddividende gestattet. 270 Millionen Euro werden ausgeschüttet. Das spült den krisengeplagten Kleinanlegern ein wenig Geld in die Tasche. Hauptprofiteure sind allerdings die Anteilseigner des Konzerns - und das sind die Finanzinvestoren KKR und Permira.

Etliche Aktionäre haben sich mit den Problemen zwangsläufig arrangiert, auch Edgar Denhardt. Der Aktionär ist mit seiner Frau aus Kaiserslautern angereist, wie jedes Jahr. Eigentlich geht es dem Paar weniger um ProSieben. "Ein paar schöne Tage" wolle man sich in München machen. Große Erwartungen an die ProSiebenSat.1-Aktien haben die Pfälzer sowieso nicht mehr. Dafür freuen sie sich über die Dividende. "Eine Bombensache", sagt Edgar Denhardt. Das Wetter ist so schön in München, sagt seine Frau. Auch andere Aktionäre sind zufrieden. Den Aktienkurs beklagt jeder hier. Aber wenigstens schmeckt das Essen.

Alles nur Augenwischerei, sagt Manfred Klein, der aus Saarbrücken angereist ist. Weißbier und Würste seien nur eine Geste der Besänftigung, meint der Aktionär. Aha, sagt Frau Denhardt und trinkt einen Schluck Weißwein. Übrigens, sagt sie, habe der Konzern nicht einmal ein Ticket für den Nahverkehr spendiert.

Im Saal versucht de Posch den Kurssturz der Aktie zu erklären. "Wie viele zyklische Werte ist auch unsere Aktie im Gefolge der Turbulenzen an den Finanzmärkten unter Druck geraten", sagt der Unternehmenschef. "Klar", höhnen Stimmen aus dem Publikum.

Auf der nächsten Seite: "Verlassen Sie dieses Unternehmen."

Crash der Realitäten

Klaus Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger kann diese Entschuldigungen nicht mehr hören. "Die momentane Situation kann man nicht auf die Finanzmärkte schieben. Das ist ein hausgemachtes Kursdesaster", klagt Schneider. Auch Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertbesitz ist verärgert. Der Kauf der Sendergruppe SBS sei "grenzwertig teuer" gewesen. Der Konzern sei nun "bis über den Kopf verschuldet." Auch die Rekorddividende ruft Kritik bei der Aktionärsvertreterin hervor: "Sonst ist mir die Dividende immer zu gering. Aber hier hätte man sie sich sparen können."

Auf dem Podium sitzen diejenigen, an deren Adresse die Vorwürfe gehen - die Créme de la Créme der deutschen Investorenszene: KKR-Partner Johannes Huth und die Permira-Männer Thomas Krenz und Götz Mäuser, der zugleich auch Aufsichtsratschef von ProSiebenSat.1 ist. Sie nehmen keine Stellung. Das müssen sie auch nicht, denn einzig der Vorstand muss auf die Fragen der Aktionäre eingehen.

Die lassen ihrer Wut freien Lauf: "Verlassen Sie dieses Unternehmen", ruft Aktionär Manfred Klein Guillaume de Posch zu. "Eine Kuh, die man melken will, soll man nicht schlachten und amputieren", sagt Aktionärsvertreterin Bergdolt.

Es sind die freien Aktionäre, die das Bild der Hauptversammlung bestimmen. Ein ehemaliger Beamter erzählt von seinem beruflichen Werdegang beim Münchner Merkur und der Saarbrücker Aktionär Klein ruft den Finanzinvestoren noch einmal zu, sie würden durch das Unternehmen gehen, "wie ein Fiesling aus einer Ihrer nachmittäglichen Seifenopern".

Die Wortmeldungen bleiben Einwürfe ohne Folgen. Denn ausrichten können die Kleinaktionäre nichts. Ihre Aktien besitzen keine Stimmrechte. Und während sich Klein mit Aufsichtsratschef Mäuser darüber streitet, dass das Redepult für die Aktionäre zu klein ist und die Beleuchtung zu schlecht, klappert draußen schon wieder das Geschirr. Es gibt noch Würstchen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: