Süddeutsche Zeitung

Haubitzen-Deal:Genossen, Geschäfte, Geschütze

Linke Politiker gehören zu den Hauptfiguren in einem deutsch-griechischen Polit- und Rüstungskrimi, bei dem Schmiergeldverdacht besteht.

Von Klaus Ott

Seltsam, seltsam. Da ist einer gelernter Dreher, geht als Berufssoldat zur Bundeswehr und schafft es bis zum Hauptmann, ehe er für die SPD in den Bundestag einzieht. Alles ehrenwerte Berufe, in denen man aber nicht reich wird. Und dann, im Pensionsalter, hebt der Mann plötzlich in zwei Tranchen insgesamt 290 000 Euro in bar von seinem Konto bei einer Regionalbank ab. Ganz schön viel Geld für den Sozialdemokraten und ehemaligen Abgeordneten Heinz-Alfred Steiner, 80, aus Iserlohn im Sauerland, der mal Vizechef im Verteidigungsausschuss des Bundestags war. Der aber nie ein Ministeramt oder einen anderen höher dotierten Posten innehatte.

Das Geld ist Teil eines Rüstungs- und Politkrimis, der in Deutschland und Griechenland spielt; in dem es um Korruption und Steuerdelikte geht; und zu dessen Hauptfiguren drei Genossen zählen. Neben Steiner sind das dessen frühere Fraktionskollegin Dagmar Luuk, 76, und Akis Tsochatzopoulos aus Athen. Der war einst einer der führenden Männer in der sozialistischen Pasok und in der Regierung in Griechenland. Der einstige Verteidigungsminister ist eine sehr schillernde Figur. Er sitzt heute im Alter von 76 Jahren in Athen im Gefängnis; wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche bei der Anschaffung von U-Booten aus Deutschland und Raketen aus Russland. Diese Altfälle haben aber nichts zu tun mit dem neuen Krimi um die drei Genossen.

Die Kurzform der auch für die SPD nicht sehr schönen Geschichte geht so: Luuk und Steiner haben der Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) im vergangenen Jahrzehnt geholfen, 24 Panzerhaubitzen des Typs PzH 2000 für 188 Millionen Euro nach Griechenland zu verkaufen. Der in Kassel und München ansässige Konzern ist vor allem für seine Leopard 1 und 2 bekannt, die zu den weltweit am meisten gebauten Panzern gehören. Auch der PzH-Deal war ein einträgliches Geschäft. Und das nicht nur für Krauss-Maffei Wegmann, sondern auch für Luuk und Steiner. Die kassierten zusammen mit einem Geschäftspartner aus Berlin für ihre Vermittlerdienste rund fünf Millionen Euro von KMW, angeblich dank Tsochatzopoulos. Der griechische Minister soll als Haubitzen-Käufer bei Krauss-Maffei Wegmann auf die hohen Berater-Honorare für die deutschen Genossen gedrängt, wenn nicht sogar darauf bestanden haben. Angeblich war sogar vorgesehen, dass er auch selbst von den Millionen profitiere. Linke Politik der besonderen Art?

Einer der Männer hob vom Konto 290 000 Euro ab. Aber wo ist das Geld?

Die drei Genossen sollen konspirativ und kriminell agiert haben. So beschreibt das Landgericht München I in einem 294 Seiten langen Urteil, das einen ganzen Ordner füllt, den Haubitzen-Deal. In der dicken Akte kommen auch Steiners üppige Bar-Abhebungen vom 18. Februar 2003 und 15. März 2005 vor. Das war jene Zeit, in der Krauss-Maffei Wegmann die Sozialdemokraten Steiner und Luuk für deren Lobbyisten-Dienste so gut bezahlte. "Der Verbleib des Bargeldes ist nicht geklärt", steht auf Seite 168 des Richterspruchs über Steiners 290 000 Euro. Das Urteil stammt von Ende 2015 und betraf einen früheren KMW-Manager, der wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe hierzu mit elf Monaten Gefängnis auf Bewährung bestraft wurde. Alles wegen der Haubitzen-Lieferungen nach Griechenland.

Die Strafe für den KMW-Mann ging durch die Medien, aber viele Details aus dem Gerichtsentscheid sind bis heute nicht bekannt. Das gilt vor allem für die Rolle der Sozialdemokraten Luuk und Steiner, gegen die bei der Staatsanwaltschaft München I ein Steuer-Verfahren läuft. Die früheren SPD-Abgeordneten beteuern ihre Unschuld. Ob Luuk und Steiner sich schuldig gemacht haben, ist offen. Ein Politikum ist der Fall aber allemal. Die SPD pflegt Bündnisse mit sozialdemokratischen Parteien aus anderen Ländern, um Frieden und Freiheit zu fördern. Im Fall KMW sollen solche Beziehungen für den Verkauf der Panzerhaubitzen "Made in Germany" in einen Staat genutzt worden sein, der lange Zeit zu den korruptesten Ländern in Europa gehörte.

Luuk, die von 1980 bis 1990 im Bundestag saß, pflegte für das Parlament und die SPD beste Verbindungen nach Griechenland, bis hin zur Familie Tsochatzopulos. Die Ex-Abgeordnete und der Ex-Minister kennen sich nach Erkenntnissen der Ermittler seit Jahrzehnten; aus jener Zeit, als Tsochatzopoulos gegen die Militärdiktatur in Hellas kämpfte. Luuk war später Vorsitzende der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe und Bundestag und setzte sich für die junge Demokratie in Athen ein. Steiner wiederum hatte aus seiner Zeit von 1980 bis 1994 als Abgeordneter und Wehrexperte einschlägige Militärkontakte in Deutschland. Die Beziehungen von Luuk und Steiner nach Hellas und zum Militär bildeten offenbar die Basis für den PzH-Deal. Was den beiden Sozialdemokraten damals Honorare in Millionenhöhe brachte, bringt ihnen heute nichts als Ärger.

Die Staatsanwaltschaft München I vermutet Bestechung griechischer Amtsträger bei dem Geschäft mit den Panzerhaubitzen. Weil Korruption aber längst verjährt wäre, ermitteln die Strafverfolger wegen Steuerdelikten gegen diverse Beschuldigte. Die hohen Honorare, die KMW für Beraterdienste bei dem PzH-Deal zahlte, sollen eben auch Schmiergeldzwecken gedient und insofern von dem Rüstungskonzern zu Unrecht als Betriebsausgaben beim Fiskus geltend gemacht worden sein. Das gilt vor allem für die rund fünf Millionen Euro, die KMW an eine von Luuk, Steiner und einem weiteren Partner betriebene Gesellschaft namens Büro für Südeuropaberatung (BfS) überwies.

Der Verteidigungsminister in Athen soll Konkurrenz für die Deutschen verhindert haben

Beim Landgericht hat die Staatsanwaltschaft mit dem Urteil gegen den ehemaligen KMW-Manager einen ersten Erfolg erzielt. Die Richter befanden, das Millionenhonorar für das BfS sei eine "Bestechungsabrede" gewesen und hätte insofern nicht von der Steuer abgesetzt werden dürfen. Die drei BfS-Gesellschafter, also Luuk, Steiner und deren Partner, seien "erkennbar im Lager von Verteidigungsminister Tsochatzopoulos" gestanden. KMW habe sich über das BfS das "Wohlwollen des Ministers" sichern wollen, was auch gelungen sei. Die Tätigkeit des BfS habe sich, wie von Anfang an vereinbart, auf die "Mobilisierung" von Tsochatzopoulos beschränkt. Und der habe in Athen alle Hindernisse für den Kauf der 24 Panzerhaubitzen aus dem Weg geräumt und insbesondere eine internationale Ausschreibung des Auftrags und so Konkurrenz für den deutschen Konzern verhindert.

Ob das Urteil Bestand hat, bleibt abzuwarten. Der verurteilte Ex-KMW-Mann hat beim Bundesgerichtshof Revision eingelegt; ebenso wie der Konzern selbst, der mit 175 000 Euro Bußgeld belegt worden war. Weitere Manager des Rüstungskonzerns, gegen die noch ermittelt wird, weisen die Vorwürfe genauso zurück wie die drei BfS-Eigner. Die drei sollen, weil ihre Millionenhonorare von KMW dem Fiskus zu Unrecht als Betriebsausgaben gemeldet worden seien, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben. Der Fall ist verzwickt. Sogar die Staatsanwaltschaft geht gegen das für sie eigentlich günstige Urteil vor, weil es ihr zu milde erscheint.

Die Justiz hat viele merkwürdige Begebenheiten ermittelt, darunter verdächtige Geldtransfers zwischen Luuk und der Ex-Frau von Tsochatzopoulos. Das Urteil enthält aber einen Schwachpunkt. "Es ließ sich nicht nachweisen, dass die Gesellschafter des BfS aus den von KMW erhaltenen Provisionen Geld an Tsochatzopoulos weitergeleitet haben." So steht es auf Seite 167. Umgekehrt haben auch die Genossen Luuk, Steiner und Tsochatzopoulos ein Problem, nämlich die Seite 168, auf der Steiners hohe Bar-Abhebungen beschrieben sind. Der Ex-Abgeordnete hat bis heute, mehr als zwei Jahre nach Beginn der Ermittlungen, nicht erklärt, wo die 290 000 Euro geblieben sind. Der SPD-Mann sagt nur, er und seine BfS-Partner hätten nichts Unrechtes getan. Steiners Anwalt ergänzt, von diesem Geld sei "nichts ins Ausland geflossen". Falls erforderlich, werde man belegen, was mit den 290 000 Euro geschehen sei. "Das ist erklärbar."

Es könnte sein, dass der Genosse Steiner sich bald erklären muss.

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SZ vom 27.05.2016
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