Hartz IV:Reförmchen für Hinzuverdiener

Erst ein Plus von fünf Euro, nun eine bessere Zuverdienst-Möglichkeit: Hartz-IV-Empfänger sollen künftig zusätzlich Geld aus ihren Jobs behalten können. Doch von der Neuregelung profitieren nicht viele.

Für erwerbstätige Hartz-IV-Bezieher soll von einem Zuverdienst etwas mehr übrigbleiben. Eine Spitzenrunde der schwarz-gelben Regierungskoalition verständigte sich in der Nacht zum Freitag in Berlin auf neue Zuverdienstregeln, wie ein Sprecher von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bestätigte. Die Neuregelung kommt nur einer Mini-Reform gleich.

Koalition billigt Hartz-Erhoehung um fuenf Euro

Eine Spitzenrunde der schwarz-gelben Bundesregierung hat sich auf neue Zuverdienstregeln verständigt.

(Foto: dapd)

Für Hartz-IV-Bezieher mit einem Monatseinkommen bis 800 Euro ändert sich den Angaben zufolge gar nichts. Von jedem darüber hinaus hinzuverdienten Euro bis zu einer Grenze von 1000 Euro bleiben Hartz-IV-Beziehern künftig aber 20 statt bisher zehn Cent. Von einem Zuverdienst zwischen 800 und 1000 Euro bleiben künftig bis zu 20 Euro mehr übrig als bislang. Bis 800 Euro bleibt es dabei, dass die ersten 100 Euro in voller Höhe beim Hartz-IV-Bezieher bleiben und zwischen 100 und 800 Euro 80 Prozent abgezogen werden. Von einem Zuverdienst von 800 Euro werden somit wie bisher 240 Euro nicht vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Das über 1000 Euro hinausgehende Einkommen wird künftig in voller Höhe vom Arbeitslosengeld II abgezogen. Bisher galt bis 1200 Euro ein Freibetrag von zehn Prozent.

Durch die geringeren Abzüge zwischen 800 und 1000 Euro werden Zuverdienste über 1000 Euro aber unter dem Strich nicht schlechter gestellt. Die Spitzenrunde mit den Generalsekretären von CDU, CSU und FDP sowie Vertretern des Kanzleramtes und des Finanzministeriums und Arbeitsministerin von der Leyen sehe diesen Vorschlag als "Einstieg in eine Reform der Erwerbstätigenfreibeträge" für Hartz-IV-Bezieher, sagte von der Leyens Sprecher. In das Gesetz solle ein Prüfklausel aufgenommen werden, dass die Wirkung der geplanten Änderungen im Jahr 2012 überprüft werde und unter Umständen Korrekturen vorgenommen würden. Beschlossen werden soll die Neuregelung von einer Koalitionsrunde am 16. Oktober, sodass die Änderung rechtzeitig zum Kabinettsbeschluss über die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze am 20. Oktober in den Gesetzentwurf eingebaut werden kann.

Derzeit gibt es fast 1,4 Millionen erwerbstätige Hartz-IV-Bezieher. Gut die Hälfte dieser Aufstocker - rund 740.000 - verdient weniger als 400 Euro im Monat. Ursprünglich wollte die Koalition vor allem geringe Zuverdienste stärker mit dem Arbeitslosengeld II verrechnen, um einen Anreiz für eine Ausweitung der Arbeit zu setzen. Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) hatte am Donnerstag aber die Vorgabe ausgegeben, dass der Grundfreibetrag von 100 Euro nicht wie ursprünglich geplant gekürzt werde. Angesichts der Debatte über eine Anhebung der Regelsätze um fünf Euro will die Koalition eine Schlechterstellung von Zuverdienern vermeiden.

Die Rechnung des Ministeriums

Ein alleinstehender Vollzeitbeschäftigter müsste einem Zeitungsbericht zufolge einen Stundenlohn von 7,21 Euro erhalten, um das gleiche Einkommen wie ein Hartz-IV-Bezieher mit dem geplanten Regelsatz von 364 Euro zu erzielen. Das Hamburger Abendblatt berichtete, das habe das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Links-Fraktion, Sabine Zimmermann, ausgerechnet.

Das Ministerium gehe in seiner Berechnung von einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Steuerklasse I aus, schrieb die Zeitung. Als Kosten für Unterkunft und Heizung, auf die ein Hartz-IV-Empfänger Anspruch hat, würden monatlich 288 Euro unterstellt. Dieser Alleinstehende werde - einschließlich der Freibeträge, die auf sein Einkommen gewährt werden - ab einem monatlichen Bruttoerwerbseinkommen von 1250 Euro von aufstockenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts "unabhängig". Dies entspreche bei 40 Arbeitsstunden pro Woche einem Stundenlohn von 7,21 Euro.

Sollte der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger eines Tages auf 420 Euro steigen, müsste ein voll Erwerbstätiger mindestens 1340 Euro im Monat verdiene - umgerechnet 7,73 Euro in der Stunde. Bei einem Regelsatz von 500 Euro würde die sogenannte Bruttoentgeltschwelle auf 1500 Euro im Monat steigen. Das entspräche einem Stundenlohn von 8,65 Euro. Ex-Arbeitsminister und SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz sagte dem Blatt: "Die Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums zeigen unmissverständlich, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn unverzichtbar ist." Wer arbeitet, müsse mehr Einkommen haben als derjenige, der nicht erwerbstätig ist. "Der von den Gewerkschaften vorgeschlagene Betrag von 8,50 Euro pro Stunde ist deshalb sehr angemessen", sagte Scholz.

Zimmermann rechnete vor, dass schon ein Mindestlohn von 7,21 Euro die 326.000 vollzeiterwerbstätigen Aufstocker vollständig aus dem Hartz-IV-Bezug befreien würde. "Die Zahlen sind Argument für einen gesetzlichen Mindestlohn", sagte sie der Zeitung. Bundesarbeitsministerin von der Leyen hatte erst vergangene Woche ihre Ablehnung eines allgemeinen Mindestlohn bekräftigt.

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