Hartz-IV-Reform:"Chipkarte ist ein Ablenkungsmanöver"

Die Opposition kritisiert von der Leyens Hartz-IV-Reformen harsch: Sie lasse die Kinder im Stich, die mit Sachleistungen stigmatisiert würden. Die Bundesregierung suche allein nach einer billigen Lösung "nach Kassenlage".

Hartz IV wird in Zukunft an Löhne und Preise gekoppelt, die Regelsätze für Kinder werden neu berechnet: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) renoviert das Arbeitslosengeld II, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert.

Von der Leyen bringt Hartz-IV-Reform auf den Weg

Die Hartz-IV-Reformpläne von Ursula von der Leyen stoßen auf Widerstand.

(Foto: dapd)

Die SPD-Bundestagsfraktion hat von der Leyen davor gewarnt, eine mögliche Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze durch Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik auszugleichen. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte der Braunschweiger Zeitung, er befürchte, dass die Bundesregierung im Haushalt nicht genügend Vorsorge getroffen habe, um die künftig notwendigen Regelsätze zu finanzieren: "Wenn bei dieser Operation herauskommt, dass Langzeitarbeitslose zwar etwas mehr Geld zur Verfügung haben, aber ihnen gleichzeitig durch das Kürzen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Chance genommen wird, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen, dann würde am falschen Ende gespart." Heil warnte von der Leyen davor, "Tricks anzuwenden, um die Regelsätze künstlich niedrig zu rechnen".

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund verurteilte die Pläne von der Leyens. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, die Bundesregierung wolle das Verfassungsgerichtsurteil offenbar möglichst "billig" und "nach Kassenlage" umsetzen.

Von der Leyen wies die Kritik zurück. Über die neue Höhe der Leistungen könne nichts gesagt werden, bis die alltäglichen Ausgaben von 60.000 Haushalten nicht berechnet seien. Erst am Wochenende würden die letzten Sonderauswertungen vorliegen.

Im Bundeshaushalt sind für die Neuregelungen 480 Millionen Euro eingeplant, und noch einmal 120 Millionen extra für das warme Mittagessen in den Schulen. Im Oktober soll das Kabinett den Gesetzentwurf beschließen, die neuen Sätze sollen zum 1. Januar 2011 gelten.

Sachleistung oder Barauszahlung?

Bildungskosten für Kinder werden außerdem in Zukunft in den Regelsätzen stärker berücksichtigt - von der Leyen will dies als Sachleistung organisieren, mit Gutscheinen, mit Formularen oder - ihr Favorit - mit einer Bildungs-Chipkarte. Es bleibe beim Grundsatz, dass die Hilfen nicht als reine Geldzahlung bereitgestellt werden.

Diese Pläne griff NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) scharf an: "Statt Kindern eine echte Teilhabe an Bildung zu ermöglichen, kommt sie nun mit dem alten Gutscheinsystem daher, das aus gutem Grund längst abgeschafft wurde", sagte er. Mit Gutscheinen oder Bildungschipkarten würden Kinder aus Hartz-IV-Familien stigmatisiert.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf von der Leyen bei Hartz IV eine verfehlte Politik vor. "Das Modell der Bildungs-Chipkarte hilft nicht", sagte er der Rheinischen Post, weil es sich um eine freiwillige Leistung der Kommunen handele. "Städte wie Düsseldorf werden sie zur Verfügung stellen können. In Duisburg und Gelsenkirchen, wo Haushaltsnotlage herrscht, wird dies nicht möglich sein. Hier aber wird sie gebraucht", sagte Trittin. Er wirft ihr außerdem ein Ablenkungsmanöver vor. Mit der Debatte um Geld- und Sachleistungen drücke sich die Arbeitsministerin um die Frage, wie hoch die Grundhöhen der Regelsätze tatsächlich liegen sollen. "Das lenkt von dem Kern des Problems ab", sagte Trittin. Der Regelbetrag müsse auf 420 Euro angehoben werden.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, rechnet nicht mit einer Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. "Manche reden schon von 400 Euro im Monat oder mehr. Dazu wird es nicht kommen" sagte er den Ruhr Nachrichten. Eine Erhöhung sei auch nicht zwingend. "Unbedingt erforderlich ist, dass der Bildungsbedarf von Kindern künftig bei Hartz IV abgedeckt wird." Es sei richtig, auf Sachleistungen zu setzen und nicht immer gleich auf Bargeld.

Die FDP fordert, die Regelsatz-Novelle mit höheren Zuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger zu koppeln. Generalsekretär Christian Lindner kritisierte, dass gegenwärtig die Regelungen nicht attraktiv seien. Wer 400 Euro dazuverdiene, könne nur 160 Euro behalten.

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