Hartmut Mehdorn:Frankophiler Terrier

Mit Hartmut Mehdorn verliert die Deutsche Bahn einen umtriebigen Spitzenmann - der zuletzt die Realität aus den Augen verloren hat.

Carsten Matthäus

Wenn es ihm mal zu viel wird, flüchtet Hartmut Mehdorn nach Frankreich. Seit mehr als 35 Jahren ist der 66-Jährige mit einer Französin verheiratet, sein jüngster Sohn wohnt dort, an der Côte d'Azur hat er ein Ferienhaus. "Für mich ist das Mittelmeer das Schönste der Welt. Da schlafe ich immer wie ein Bär", ließ er sich 2007 in der Bunten zitieren.

Hartmut Mehdorn, AP

Hartmut Mehdorn ist als Chef der Deutschen Bahn zurückgetreten.

(Foto: Foto: dpa)

Er schätze vor allem die Mentalität der Franzosen - im Gegensatz zu der der Deutschen: "In Deutschland wollen die Menschen bei zwei Dingen immer mitreden: beim Fußball und bei der Bahn. Nichts gegen konstruktive Kritik, aber meckern bringt uns nicht weiter", sagte er. Nun ist er angesichts der vielfachen - nicht immer konstruktiven - Kritik zurückgetreten.

Die Aversion gegen all die Meckerer durchzieht Mehdorns Leben. Er selbst hat sich das auch nie erlaubt. Der Sohn eines Kunststoff-Fabrikanten, dessen Familie im Krieg von Berlin nach Bayern umsiedeln muss, arbeitet sich Zeit seines Leben nach oben.

Neben seinem Maschinenbaustudium arbeitet er im väterlichen Betrieb und startet mit 23 Jahren eine steile Karriere im Flugzeugbau. Vierzehn Jahre braucht er, um über mehrere Stationen einen Vorstandsposten in der Airbus-Holding zu erreichen. Als Experte der Luftfahrtindustrie steigt er ihm Rahmen von Wehrübungen zum Hauptmann der Reserve bei der Luftwaffe auf.

Nochmal zehn Jahre später, 1989, ist Mehdorn Chef der erfolgreichen Deutsche Airbus GmbH - die mittlerweile zur Raum- und Luftfahrtsparte (Dasa) des Daimler-Konzerns gehört. Damit ist er Chef von über 17.000 Mitarbeitern. Zeitweise gilt er sogar als Geheimtipp für die Nachfolge des Dasa-Chefs Jürgen Schrempp. Weil daraus nichts wird, wechselt Mehdorn 1995 auf den Chefposten der hochprofitablen Heidelberger Druckmaschinen AG (Heideldruck). Obwohl der Konzern schon damals Weltmarktführer ist, sorgt Mehdorn mit einer geschickten Expansionsstrategie für starkes Wachstum: Der Umsatz steigt binnen fünf Jahren von 3,3 Milliarden Deutsche Mark (DM) auf 4,0 Milliarden DM, der Gewinn vervielfachte sich bis 1999 auf knapp 260 Millionen DM.

Im zweiten Teil: Wie Hartmut Mehdorn die Deutsche Bahn umkrempelt.

Schmiedearbeiten bei der Bahn

Mehdorn ist damit ein Mann mit allerbesten Empfehlungen, als er 1999 auf den Vorstandsvorsitz der Deutschen Bahn wechselt. Seinen Vorgänger Johannes Ludewig, der in zwei Jahren Amtszeit ziemlich farblos geblieben war, überstahlt der zupackende Manager - er ist tatsächlich Hobby-Schmied - bei weitem. Auch bei der Bahn gelingt ihm zunächst einiges. Das Erscheinungsbild wird modernisiert, Reservierung und Ticketverkauf funktionieren jetzt zu großen Teilen ohne Zutun von Bahn-Mitarbeitern, auf manchen Strecken ist die Bahn sogar verlässlicher geworden. Wichtiger noch ist aber, dass die Deutsche Bahn wieder im Wettbewerb mit Logistikkonzernen aus aller Welt mitspielt, was lange nicht der Fall war.

Lange gilt Mehdorn auch als Meister politischer Lobbyarbeit. Kanzler Gerhard Schröder stützt ihn, Angela Merkel hält zu ihm. Unfreundliche Verkehrsminister verschleißt der Bahnchef jahrelang mit einem siegessicheren Lächeln. Den Rückhalt holt sich Mehdorn mit seinem größten Projekt: der Privatisierung und schließlich dem Börsengang der Bahn. Nur mit Mehdorn sei das möglich, das ist lange Zeit der Glaube führender Politiker und so etwas wie Vertrauens-Kapital für den Bahnchef.

Im dritten Teil: Wie Hartmut Mehdorn am Ende an sich selbst scheitert.

"Hat nie alles erreicht"

Als es mit dem Börsengang nichts wird, sind auch Mehdorns Tage gezählt. Seitdem kommt der Bahnchef nicht mehr unbeschadet aus den Schlagzeilen. Servicegebühren für Bahnkunden, gebrochene ICE-Achsen, Bonuszahlungen für das Management und zuletzt absurde Durchsuchungsaktionen bei den eigenen Mitarbeitern: Das alles nährt Stück für Stück das Bild eines verbissenen Terriers, der sich nur noch am Bein seines Chefsessels festbeißt und vor jeder noch so berechtigten Kritik die Augen verschließt.

Der kantige Manager hätte schon längst aufhören können, ja sollen. Er setzt sich aber sogar über die eigenen Corporate-Governance-Grundsätze der Bahn hinweg. Diese verlangen, dass Vorstände im Alter von 65 Jahren ausscheiden. Das wäre bereits Ende Juli 2007 der Fall gewesen. Seinen Vertrag lässt sich Mehdorn vorzeitig bis 2011 verlängern. Auch nach dem Rücktritt ist nicht anzunehmen, dass der umtriebige Manager sich gelassen aufs Altenteil in Frankreich zurückzieht. Über sich selbst hat er gerne mit dem Satz kokettiert "Hat immer gekämpft, hat nie alles erreicht. Das ist sein Schicksal". Dieser Satz ist in Bezug auf die Bahn wahr geworden.

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