Harley-Davidson war bisher nicht als Firma bekannt, der es an Selbstbewusstsein mangelte. Gegründet vor mehr als 120 Jahren im US-Bundesstaat Wisconsin steht sie für grenzenlose Freiheit, für bärtige Männer mit wallender Mähne, die Rock ’n’ Roll hören und auf dem Highway dem Sonnenuntergang entgegenknattern, nur Mann und Maschine, der blechgewordene amerikanische Traum.
Doch jetzt knickt der stolze Motorradhersteller offenbar ein, der Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man das Statement liest, das am Montag auf der Plattform X gepostet wurde. „Die Negativität, die sich in den vergangenen Wochen in den sozialen Medien gezeigt hat und die darauf ausgerichtet ist, die Harley-Davidson-Community zu spalten, stimmt uns traurig“, heißt es da. Man nehme die Entwicklung sehr ernst und antworte nun mit Klarheit, konkreten Handlungen und Fakten.
Diese sehen so aus: Ziele zur bevorzugten Einstellung von Minderheiten wurden bereits abgeschafft, eine Diversity-Abteilung in der Firma aufgelöst und Trainings, die die Belegschaft für Gleichstellung und Inklusion sensibilisieren sollten, werden zurückgefahren. Lieferanten, die Frauen oder Schwarzen gehören, werden nicht länger bevorzugt. Veranstaltungen, die einen Bezug zur LGBTQ+-Community haben, die sich gegen die Diskriminierung von Nicht-Heterosexuellen wendet, will der Konzern nicht mehr sponsern.
Die Geschichte nimmt ihren Anfang am 23. Juli. Da beginnt Robby Starbuck, 35, ein bekannter rechtskonservativer US-Aktivist, seine Kampagne. „Es ist an der Zeit, dass Harley-Davidson entlarvt wird“, sagt er zu Beginn eines auf X geposteten Videos. Zehn Minuten lang reiht er Beispiel an Beispiel. So will er belegen, dass sich der Motorradhersteller mit der LGBTQ*-Community gemein mache, auf fanatische Weise „woke“ geworden sei, linksradikale Ideen unterstütze, weiße Mitarbeiter umerziehe und es zulasse, dass als Männer geborene Transpersonen im Sportverein in die Umkleidekabinen der Mädchen „eindringen.“
Seine Suada garniert Starbuck schließlich mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen vom Harley-Davidson-Kundenservice. Vier Wochen später wähnt sich der Influencer am Ziel, schreibt von einem „Sieg für unsere Bewegung“, postet eine Karikatur mit Sensenmann und viel Blut und brüstet sich damit, welche andere Firmen er bereits zum Einlenken gebracht habe: den Einzelhändler Tractor Supply und den Landmaschinenhersteller John Deere.
Musiker Kid Rock feuerte im April mit dem Gewehr auf einen Stapel Bierdosen
Starbuck ist nicht alleine. In den USA gibt es eine große Gruppe rechter Aktivisten, Influencer und meist republikanischer Politiker, die gegen alles zu Felde ziehen, was mit der Förderung von Minderheiten zu tun hat. Anti-Diskriminierungsprogramme und Gleichstellungsbemühungen, in den USA oft mit dem Kürzel DEI bezeichnet – diversity, equity and inclusion – verunglimpfen sie als unamerikanisch, und sie wissen, dass sie mit ihren Kampagnen die betroffenen Unternehmen wirtschaftlich treffen können.
Im April zum Beispiel, da warb eine Transgender-Aktivistin auf Instagram für Bud Light, das meistkonsumierte Bier der USA. Sofort gab es Boykottaufrufe von rechter Seite, tausende User posteten Videos in sozialen Medien, die zeigten, wie Bier in den Ausguss gekippt wurde. Der Musiker Kid Rock, einer der wenigen US-Künstler, die sich offensiv zu Donald Trump bekennen, feuerte sogar mit einem Gewehr auf Bierdosen.
Bei Harley richtet sich die Kampagne gezielt gegen den Chef der Firma. Das ist Jochen Zeitz, 61, der früher an der Spitze des Sportartikelherstellers Puma stand, später ein Kunstmuseum gründete und in Kenia eine Farm besitzt. Der Deutsche steht schon immer für einen besonderen Managementstil, Nachhaltigkeit ist ihm wichtig, mit dem Benediktinerpater Anselm Grün schrieb er vor Jahren ein Buch. Der Titel: Gott, Geld und Gewissen. Zu Harley-Davidson wurde Zeitz 2020 geholt, weil die Verkaufszahlen zurückgingen, und noch immer gibt es Probleme, neue Zielgruppen jenseits der seit Jahrzehnten gewachsenen Harley-Community zu erschließen. Nun heißt es also, man wolle sich aus der Politik heraushalten und nur noch röhrende Motoren bauen.