Hans-Peter Villis muss 2012 gehen:Grün-Rot schaltet EnBW-Chef ab

Hans-Peter Villis gibt auf: Der Chef des drittgrößten Stromkonzerns Deutschlands weicht dem Druck der Stuttgarter Koalition um Ministerpräsident Kretschmann. Die will aus EnBW einen neuen Konzern formen, in den er nicht mehr hineinpasst.

Markus Balser, Roman Deininger und Karl-Heinz Büschemann

Der politische Machtwechsel in Baden-Württemberg hat sein erstes Opfer in der Wirtschaft gefordert. Auf Druck der grün-roten Landesregierung muss der Chef eines der größten Stromkonzerne Deutschlands gehen. EnBW, Nummer drei in der Bundesrepublik und der größte Stromanbieter südlich der Main-Linie, gab das bevorstehende Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Hans-Peter Villis bekannt. Der Manager wird seinen Ende September 2012 auslaufenden Vertrag nicht verlängern, darüber hat er am Dienstag den Aufsichtsrat informiert.

Villis muss wohl wohl Sessel räumen

Der Vorstandsvorsitzende der EnBW, Hans-Peter Villis, wird seinen Ende September 2012 auslaufenden Vertrag beim Stromkonzern nicht verlängern.

(Foto: dpa)

Der 53-jährige Westfale, der seit dem 1. Oktober 2007 an der Spitze des Karlsruher Unternehmens mit einem Umsatz von 17 Milliarden Euro und 20 000 Mitarbeitern steht, reagiert auf den massiven Druck der beiden Haupteigentümer des Versorgers. Das Land Baden-Württemberg und der Kommunalverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), die beide 46,5 Prozent der Anteile halten, hatten schon deutlich gemacht, dass sie nicht mehr mit Villis planten.

Ein konkreter Anlass für die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit Villis ist ein Geschäft, mit dem EnBW viel Geld verloren haben soll. Nach Informationen der SZ hatte der EnBW-Chef eine Beteiligung an dem norddeutschen Energieversorger EWE gekauft, um sich einen Zugang zum Gasgeschäft mit Russland zu erkaufen. Die Rechnung ging nicht auf.

Tief in die Tasche gegriffen

Entgegen den Erwartungen konnte EWE mit einem maßgeblichen Zugang zu russischem Gas nicht dienen, obwohl EnBW tief in die Tasche gegriffen hatte. Der Kauf dieser Beteiligung in Höhe von 24,9 Prozent kostete die Karlsruher 2,4 Milliarden Euro, der Wert der Beteiligung soll aber nur bei einem Sechstel gelegen haben; dieser Kauf wird mittlerweile in einen Schiedsverfahren geprüft.

Dass die grün-rote Landesregierung Vorbehalte gegen Villis hat, stand schon lange außer Frage. Die Grünen, die in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten stellen, zitieren gerne einen Satz aus einem Interview, das Villis 2008 gab: "Ich würde gerne ein Kernkraftwerk bauen", sagte Villis damals. Offen hatte aber bisher kein Mitglied der Landesregierung gegen den Konzernchef Stellung bezogen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte stets gelassen betont, es gebe keinen Zeitdruck in Personalfragen, die nächste Hauptversammlung sei erst im April 2012.

Die Energiewende ist eine zentrale Frage der seit Mai amtierenden grün-roten Koalition. Die halbstaatliche EnBW soll dazu eines der wichtigsten Werkzeuge sein. Aber ausgerechnet in dieser Frage machte die Regierung einen wenig entschlossenen Eindruck. Aus dem Umfeld der Landesregierung heißt es nun, der Abschied Villis' eröffne die Chance, "die Energiewende auch mit einem neuen Gesicht zu verbinden".

Versprechen mit kurzer Halbwertzeit

Der zweite, von CDU-Landräten bestimmte Hauptaktionär neben dem Land, die OEW, hatte sich dagegen zunächst hinter Villis gestellt. "Wir haben Vertrauen zu ihm", hatte OEW-Chef Kurt Widmaier im Oktober gesagt. Ein Versprechen mit kurzer Halbwertzeit.

Milliarden für neue Investitionen

Villis hatte bis zuletzt darauf vertraut, dass er mit Unterstützung der OEW und der Arbeitnehmer der EnBW die Landesregierung zur Vertragsverlängerung zwingen könnte. Trotz der grün-roten Vorbehalte hatte Villis zuversichtlich verkündet, er erwarte, dass man ihm "auch künftig das Vertrauen schenkt". Er verwies darauf, dass die EnBW schon lange an der Energiewende arbeite. Kaum ein anderes Energieunternehmen habe in den vergangenen Jahren so stark in den erneuerbaren Sektor investiert wie die EnBW unter seiner Führung.

Kernenergie ist keine Brückentechnologie. Sie ist die Zukunft", so lautete Villis' Credo noch vor der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima vom März dieses Jahres. Nach dem grünen Wahlsieg klingt das inzwischen anders. "Wir schaffen es auch ohne Atomkraft", sagt Villis, wenn er heute öffentlich über die Wende räsoniert. Vor allem die Grünen drängen auf einen radikalen Umbau des Unternehmens. "Die EnBW wird sich verändern", sagt Walter Raufelder, Experte für die Energiewirtschaft der Grünen-Fraktion im Landtag. "Wir werden schon bald ein anderes Unternehmen erleben, als noch vor einem Jahr." Erst vor zehn Tagen hatte der EnBW-Chef Landtagsabgeordneten in Stuttgart erläutert, wie er sich den Umbau vorstellt. Noch mehr Windprojekte in Nord- und Ostsee, Investitionen in intelligente Netze und Energiespeicher. Der Vortrag machte klar, was EnBW braucht, um die Wende zu schaffen: Milliarden für neue Investitionen. Damit steckt der Konzern im Dilemma. Angesichts wegbrechender Gewinne stuften Ratingagenturen die Bonität von EnBW herunter. So aber wird es immer schwieriger, die Finanzmittel zu beschaffen.

Der CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus hatte in seiner Amtszeit für eine extrem delikate Konstellationen zwischen Wirtschaft und Politik gesorgt. Noch im Februar hatte der Atomfan einen spektakulären Deal abgeschlossen: Das Land kaufte fast die Hälfte der Anteile an EnBW, die dem französischen Energiekonzern EdF gehörten, für 4,7 Milliarden Euro. Mappus wollte die Macht über den Stromgiganten gewinnen und ihn zum internationalen Atom-Champion aufbauen. Doch nach seinem Wahlsieg hat ausgerechnet Deutschlands erster grüner Ministerpräsident die entscheidenden Fäden der Energiepolitik in der Hand. Seine Regierung bedrängt EnBW schon, auch noch die letzten Reaktoren besser heute als morgen abzuschalten.

Die Landesregierung bedankte sich am Dienstag artig für Villis' Arbeit in einer schwierigen Phase für das Unternehmen. Jetzt müsse der Aufsichtsrat einen geeigneten Nachfolger finden. Die Stuttgarter CDU teilte mit, sie bedauere den Rücktritt des Energiemanagers. Das klang glaubwürdig.

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