Hans-Olaf Henkel: Neues Buch:Schwarze Schafe machen alles kaputt

Hans-Olaf Henkel war der Lautsprecher der Industrie. Jetzt hat er "Abwracker" ausgemacht: Politiker, Finanzhaie, Manager und Journalisten.

Thorsten Denkler, Berlin

Wer sich Hans-Olaf Henkel zum Gegner macht, der muss mit dem Schlimmsten rechnen: dass er in einem seiner vielen Bücher namentlich erwähnt wird. Der einstige Deutschland-Chef von IBM und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) nennt gerne "Ross und Reiter", wie er es nennt.

Henkel, dpa

"Nicht die Gier hat die Finanzkrise ausgelöst, sondern die Machtgier der Politiker"- sagt Hans-Olaf Henkel, der hier zusammen mit seiner Frau (li.) und seiner Schwägerin anlässlich des Bundespresseballs zu sehen ist.

(Foto: Foto: dpa)

So auch in seinem neuen Buch. Es wimmelt von Rössern und Reitern.

"Die Abwracker", heißt das Werk. Untertitel: "Wie Zocker und Politiker unsere Zukunft verspielen". An diesem Dienstagmorgen haben es Alt-Manager Henkel und der nicht minder polarisierende Professor des Münchener Ifo-Institutes, Hans-Werner Sinn, in Berlin vorgestellt.

Ausnahme: Ackermann

Die schönste von Henkels Forderungen: Eine Hall of Shame, eine Halle der Schande. Darin sollen all jene Wirtschaftsführer einen Platz finden, die der Marktwirtschaft geschadet haben. Experte Henkel hat auch schon ein paar Ideen, welche seiner Kollegen da unbedingt sofort aufgenommen werden müssten.

Aber erst mal ein paar Klarstellungen von Hans-Olaf Henkel, der inzwischen Platz genommen hat auf dem Podium. Ein paar Klarstellungen zu den Ursachen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Es sind Sätze wie in Stein gemeißelt.

Sie hören sich so an: "Nicht die Gier hat die Finanzkrise ausgelöst, sondern die Machtgier der Politiker." Oder: "Die Realwirtschaft ist das Opfer der Finanzkrise." Oder: "Das Fehlverhalten Einzelner wird immer wieder dazu benutzt, die gesamte Wirtschaft zu verunglimpfen." Dieses Wort mag Henkel, "verunglimpfen".

Zu den Abwrackern gehören in seinen Augen neben "Zockern" - vornehmlich aus der Finanzwirtschaft (wobei er Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann ausdrücklich ausnimmt) - und Politikern auch einige Medienmacher. Die hätten die Krise genutzt, "unser Wirtschaftssystem zu verunglimpfen" - auch die konservativen Medien, sagt der Buchautor. Sie hätten das Fehlen von Regeln im Finanzbereich der Idee der Marktwirtschaft selbst angekreidet.

Ein Abwracker erster Klasse scheint Henkel zufolge Frank Schirrmacher zu sein, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Dem Bestseller-Autor ("Das Methusalem-Komplott") widmet der Ex-BDI-Vorsteher immerhin vier der 256 Seiten seines Buches. "Für mich zählt Schirrmacher zu den Abwrackern unserer Kultur", deklamiert Henkel - weil er die Kultur "an die Hypes seines Feuilletons verfüttert".

Dabei huscht ihm ein Lächeln über die Lippen, als bereite ihm schon seine Formulierung besonderen Spaß. Er habe ein - "wenn sie so wollen" - Essay zur Finanzkrise "von diesem Herrn Schirrmacher" gelesen. Darin habe dieser offenbar die Realwirtschaft mitverantwortlich gemacht für die Krise - was Henkel auf die Palme bringt. "Glatt unanständig" sei das, wenn der Publizist zudem den "verurteilten Steuerhinterzieher" und Ex-Post-Boss Klaus Zumwinkel in einem Atemzug mit anderen Wirtschaftskapitänen nenne, ganz so, als seien das alles Steuerhinterzieher.

Neoliberalismus - falsch verstanden

Gegen Henkel, den eifrigen Kritikaster, wirkt Ifo-Chef Sinn an diesem Morgen geradezu analytisch. Auch wenn sich beide in einigen Punkten sehr einig sind.

Beide sagen, sie seien "Neoliberale" im historischen Wortsinn, also Befürworter einer reglementierten Marktwirtschaft. In Bezug auf die Banken hätten beide aber nichts dagegen, den staatlichen Anteil am Finanzsystem massiv aufzustocken oder sie sogar in staatliche Hände zu geben. Und zwar dann, wenn die Banken aus eigener Kraft das notwendige Eigenkapital nicht erwirtschaften können, das sie haben müssen, um die schon bestehende Kreditklemme wieder aufzulösen.

Dass da bloß kein Missverständnis aufkommt. Henkel hat keinen Sinneswandel vollzogen. Er glaubt nur, der Begriff des "Neoliberalismus" sei - wieder dieses Wort - "verunglimpft" worden. Er will Neoliberalismus pur, gibt ihm aber wegen der Verunglimpfung einen neuen Namen: Retro-Liberalismus. Damit will er die Ursprungsbedeutung des Begriffs wiederherstellen. Sinn und der ganze Rest der deutschen Ökonomen nennen das "Ordoliberalismus".

So laut gegen den Neoliberalismus gewettert worden sei, sagt Henkel, "so leise haben wir den Neosozialismus eingeführt". Er macht das fest an einem in seinen Augen ausufernden Ausbau der Sozialsysteme und am "überzogenen Kündigungsschutz" in Deutschland.

Hier hat Henkel auch einen Tipp für die Kanzlerin: Kein Kündigungsschutz mehr bei Neueinstellungen in Betrieben bis 20 Mitarbeitern. Das bringe Arbeitsplätze. Im Publikum sitzt die ehemalige Vizevorsitzendes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ursula Engelen-Kefer. Sie schüttelt an dieser Stelle deutlich den Kopf.

Ach ja: die Hall of Shame der deutschen Wirtschaft. Henkel hat da drei Namen auf seiner Liste. Er will sie nicht nennen. Aber sie lassen sich problemlos nachlesen. Sie stehen auf der letzten Seite seines Buches.

Es sind allesamt Vertreter der Realwirtschaft, die ja doch eigentlich für die Krise nicht verantwortlich sind: Thomas Middelhoff, der aus Karstadt-Quelle zunächst Arcandor und dann Kleinholz machte; Jürgen Schrempp, der in Rosarot von einer "Welt AG" träumte sowie VW-Gottvater Ferdinand Piëch, der mal bei Porsche, mal bei MAN ins Lenkrad greift.

Dieses Triumvirat der Misswirtschaft habe, schreibt Henkel, einen "ganzen Berufsstand in Misskredit gebracht". Von diesen "schwarzen Schafen" müsse sich die restliche weiße Herde "noch viel entschiedener distanzieren".

Schöne Idee. Auch das Bild, durchaus passend. Am Ende bleibt der Eindruck, die deutschen Wirtschaftkapitäne sind durch die Bank vor allem eines: Schafe. Und vorneweg läuft eines, das auf den Namen Hans-Olaf hört.

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