Hannover Messe:Kanzlerin und Ameise

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Speed-Dating mit Managern im Fünf-Minuten-Takt: unterwegs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Industriemesse in Hannover.

Von Elisabeth Dostert

Die Rundgänge der Kanzlerin auf der Hannover Messe sind wie Speed-Dating. Jeder Kandidat hat nur ein paar Minuten Zeit, seine allerschönste Seite, Pardon, seine tollsten Produkte zu zeigen - am besten netzfähige, irgendwas mit Industrie 4.0, und schon ist Angela Merkel wieder weg. Sie besucht große und kleine Firmen, börsennotierte Konzerne und Familienunternehmen, bloß keinem wehtun. 50 bis 60 Firmen bewerben sich jedes Jahr für das Speed-Dating mit Kanzlerin. Es ist wie im wahren Leben, nicht jedes Dating klappt.

"Da isse in Gelb", ruft eine Frau. Gelb ist natürlich nur der Blazer der Kanzlerin. Dank der Farbenvielfalt ihrer Jacken ist Merkel in der Menge der Anzugträger in gedeckten Farben leicht auszumachen. Fürs Dating hübschen sich ja in der Regel immer beide Seiten auf. Merkel will eben auch gesehen werden. Dieses Mal also ein schmutziges Gelb, das nicht so recht weiß, was es sein will. Im Tageslicht vor Halle 6 wirkt es leicht grünlich, im Kunstlicht auf der Bühne ähnelt die Farbe dem satten Currygelb der Stellwände des indischen Messestandes. Eben deswegen fängt der Rundgang in Halle 6 an, weil sich dort das Partnerland Indien präsentiert.

Der indische Premier Narendra Modi und Merkel sagen ein paar Nettigkeiten, dann essen sie auf der Bühne Kekse und trinken Tee. Die Kanzlerin lobt die Kekse in dieser ihr eigenen Art von Artigkeit.

Erst sind die indischen Aussteller dran, dann die deutschen. Salzgitter fünf Minuten, Pilz fünf Minuten, Siemens und Jo Kaeser fünf Minuten, VW und Martin Winterkorn fünf Minuten, Festo zwölf Minuten. Behaupten die Presseleute, sie haben die Zeit gestoppt. Kanzlerinnenbesuche sind für Unternehmen wie ein Ritterschlag. Ein Mitschnitt sei live und bundesweit im indischen Fernsehen übertragen worden, sagt Rashmikant Joshi, Chef der Landesgesellschaften, die Kollegen daheim haben ihm den Link geschickt.

Merkel und Modi haben sich bei Festo die handgroßen künstlichen Ameisen angesehen. Die sind vollgestopft mit Elektronik und schieben blaue Werkstücke über ein weißes Feld. Sie folgen Regeln, immer nur zwei können ein Stück bewegen. Ein Beispiel für Industrie 4.0. Eine moderne Fabrik ist nichts anderes als ein Ameisenhaufen. Vernetzte Maschinen und Werkstücke bewegen sich kooperativ und koordiniert dahin, wo sie gebraucht werden. Das gefällt der Kanzlerin. Nach gut zwei Stunden und gut einem Dutzend Firmen ist Angela Merkel wieder weg. Das war sie in Gelb.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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