Handyhersteller:Nokias Abschied

Der erste Blick geht zum eigenen Handy: tatsächlich Nokia. Eine überaus beliebte Marke, bekannt für gute Produkte mit Flair, vom Image her eindeutig positiv besetzt. Ob das so bleiben wird?

Marc Beise

Ohne Vorwarnung schließt der finnische Mobilfunk-Hersteller sein Werk in Bochum, bis zum Sommer werden mehrere tausend Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Menschen brauchen neue Arbeit, aber das wird nicht leicht werden. Handy-Fertiger sind nicht mehr gefragt in Deutschland, und im Umbruchland Nordrhein-Westfalen sind ohnehin viele Menschen auf Jobsuche. Die Hartz-IV-Reformen helfen, durch mehr Druck und mehr Förderung Arbeitslose wieder schneller zu vermitteln, aber sie haben wenig Mitleid mit denen, die lange nichts finden. Entsprechend herrschen in Bochum jetzt Schock und Verzweiflung. Und die Landesregierung steigert sich unter der Führung des CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers in einen heiligen Zorn über die "Subventions-Heuschrecke Nokia".

Handyhersteller: Es geht bei Nokia um einen hohen Wert: den guten Ruf.

Es geht bei Nokia um einen hohen Wert: den guten Ruf.

(Foto: Foto: dpa)

Subventions-Heuschrecke, das ist ein raffiniertes Wort, welches Franz Münteferings geniale Wortschöpfung aus dem Jahr 2005 über die Finanzinvestoren variiert, die "wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen herfallen, sie abgrasen und weiterziehen". Einige von Münteferings Heuschrecken haben sich mittlerweile als Retter der übernommenen Firmen erwiesen. Rüttgers' Subventions-Heuschrecke Nokia hat erst Staatsmillionen kassiert, damit sie im Land blieb, und macht sich nun trotzdem aus dem Staub.

Man kann und wird rechtlich prüfen, ob Nokia die Subventionen zurückgeben muss. Es sieht danach freilich nicht wirklich aus, falls die damals vereinbarten Haltefristen ausgelaufen sind. Es liegt in der Natur solcher Haltefristen, dass man nach deren Ende wieder frei in seiner Entscheidung ist. Dennoch wäre Nokia gut beraten, ein Zeichen des guten Willens zu setzen. Es handelt sich um für den Weltkonzern vergleichsweise bescheidene 88 Millionen Euro, und es geht um einen hohen Wert: den guten Ruf.

Wenig Gedanken über deutsche Befindlichkeiten

Nicht immer, aber manchmal haben Verbraucher mehr Einfluss, als es den Verkäufern recht sein kann. Mancher Konzern hat das schon erlebt, selbst Multis wie Shell (Ölplattform Brent Spar) und Coca Cola (Regenwald-Plantagen). Das ist nicht immer so, weil die Macht der Verbraucher nicht auf Knopfdruck abzurufen ist; sie hängt von vielen Umständen und auch Zufälligkeiten ab. Ein kluger Firmenlenker aber lässt diese Frage gar nicht erst auf sich zukommen.

Allerdings sprechen einige Umstände dagegen, dass Nokia sich über Befindlichkeiten in Deutschland allzu viele Gedanken macht. Der finnische Stammsitz ist weit weg und Deutschland nur eines von vielen Zielländern. Es zeigt sich, dass in Zeiten der Globalisierung der Sitz der Konzernzentrale entscheidend bleibt: Geschäfte können überall gemacht werden, aber im eigenen Land (in der Heimat) spielen außerökonomische Gründe eine stärkere Rolle als im Ausland.

Nokias Abschied

Der Fall kann deshalb eine Lehre für Landesregierungen sein, sich um Investoren zu bemühen. Dazu braucht es attraktive Standortbedingungen, Verständnis für die Belange der Wirtschaft und mitunter auch schnödes Geld. Wenn freilich die Zeit für eine Produktion vorbei ist, helfen auch Subventionen nicht weiter. Das berührt die Frage, ob Nokia das Werk in Bochum weiterführen sollte. So fordern es die Mitarbeiter und manche Politiker. Dabei müssten sie wissen, dass Deutschland kein Land mehr für eine Handyproduktion ist. Das klingt bitter und ist doch der Lauf der Dinge: Die Wirtschaft ist in einem ständigen Wandel, Firmen und Branchen kommen und gehen.

Härtester Wettbewerb

Nicht von ungefähr macht Nokia jetzt die Tür zu, durch die zuvor schon Bosch, Siemens, BenQ, Motorola und andere gegangen sind. Auf diesem Feld herrscht härtester Wettbewerb, und jeder Euro zählt. Die kleinen Geräte sind zwar technisch anspruchsvoll, aber in großen Stückzahlen einfach zu fertigen: Das rechnet sich nur in östlichen und fernöstlichen Billiglohnländern.

In dieser Aussage liegen Tragik und Chance zugleich. Vergleichbare Produktionen werden abwandern, und dagegen helfen auch keine Lohnsenkungen auf breiter Front, wie sie jetzt wieder gefordert werden: Den Einkommenswettlauf nach unten kann Deutschland bei standardisierten Produkten ohnehin nicht gewinnen. Je hochwertiger und individueller aber die Waren produziert werden, desto weniger lohnt sich Verlagerung. Der deutsche Maschinenbau ist aus diesem Grund noch immer eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Diese fortzuschreiben ist die Aufgabe der Unternehmen, der Tarifparteien und der Politik.

Immer wieder wird es darum gehen, die Kosten erträglich zu halten und Geld für Innovationen zurückzulegen. Dem Staat wiederum kommt die Aufgabe zu, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen: Verbesserungen beim Steuerrecht, Bürokratieabbau - und vor allem Geld, viel Geld, für Bildung auszugeben. Hier haben Politiker wie Rüttgers im Land und auf Bundesebene ein breites Betätigungsfeld, das wichtiger und sinnvoller ist als das Beklagen von Umständen, die ohnehin nicht zu ändern sind.

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