Handwerk:Unter Heiligen

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Matthias Ehmann führt einen der wenigen Betriebe in Deutschland, die sich auf Kirchenmalerei und Restaurierung spezialisiert haben. Reich wird man damit nicht.

Von Uwe Ritzer, Fürth

Manchmal sind es sehr irdische Aufträge, und Matthias Ehmann hätte gerne mehr davon. Vor ein paar Jahren verzierten er und seine Leute ein Aida-Clubschiff innen mit Stuckarbeiten und opulenten Wandmalereien. Im Anwesen einer reichen Erbin vergoldete er die Klodeckel. Und gerade zogen die Ehmänner an einem Haus im Nürnberger Villenviertel Erlenstegen einen neuen Außenputz auf. Jetzt sieht die Fassade aus, als hätte sie jemand mit einem riesigen Kamm gekämmt. Ein Relief aus Rillen und Wülsten umgibt das Haus. Solcher Aufwand ist enorm und kostet den Bauherrn weit mehr als ein herkömmlicher Außenputz. Mit Heiligen lässt sich in der Regel nicht so viel Geld verdienen.

"Circa zwanzig Stunden", sagt Rebekka Zenk, 29, knapp. Das sei wenig Zeit, wenn eine Statue wie die Madonna vor ihr viele Jahrzehnte lang von brennenden Kerzen umgeben war, deren Ruß seine Spuren hinterlassen hat. Aber mehr Restaurierungszeit erlaubt das Budget der Kirchengemeinde nicht, der diese Heilige Mutter Gottes gehört. Ebenso flink wie filigran lässt Zenk Pinsel mit Spezialfarbe über die Statue tanzen; vorher hat sie winzige Risse mithilfe von Spezialleim ausgebügelt. Vor zehn Jahren hat Rebekka Zenk ihre Ausbildung als Kirchenmalerin abgeschlossen. "Als Beste ihres Jahrgangs in ganz Deutschland", sagt Matthias Ehmann, ihr Chef, stolz.

Die beiden stehen im klimatisierten Atelier von Ehmanns Betrieb am Stadtrand von Fürth. Im Alter von 19 Jahren, gleich als er den Meisterbrief als Kirchenmaler in Händen hielt, hat der heute 31-Jährige die Firma von seinem kranken Vater übernommen - in vierter Generation. Der Betrieb zählte damals drei Mitarbeiter; heute sind es sechzig, und wenn nichts dazwischenkommt, wird die Firma Form und Farbe Ehmann 2020 ihren 100. Geburtstag feiern. Als einer von bundesweit nur sehr wenigen Spezial-Handwerksbetrieben für Kirchenmalerei und Restaurierung, Putz-, Stuck- und Bildhauerarbeiten.

Das berühmte Kloster Benediktbeuern, das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, die Seidl-Villa in Ismaning bei München, dazu Theater und vor allem Kirchen vorwiegend im süddeutschen Raum. Das Firmenarchiv weist weit mehr als 1000 historische Gebäude aus, an denen die Familie Ehmann seit der Gründung 1920 gearbeitet hat. Momentan sind sie mit einer komplizierten Restaurierung befasst. Im Juni 2014 brannte die 1363 erbaute Kirche St. Martha mitten in Nürnberg fast vollständig aus. Die Firma Ehmann gehört zu den Experten, die nun mit dem Wiederaufbau beschäftigt sind.

Ganz und gar nicht sakral, sondern von schlichter Sachlichkeit ist die Firmenzentrale in Fürth. Ehmann kommt eine halbe Stunde später als vereinbart; er musste noch einen kommunalen Auftrag ausverhandeln. "Der Papierkram ist Wahnsinn", sagt er. Er unterscheidet sich naturgemäß nicht vom dem anderer Betriebe. Ehmann aber würde lieber seiner handwerklichen Neigung frönen.

"Ich bin quasi im Atelier aufgewachsen", erzählt er. Gegen das Gymnasium stemmte er sich, weil er doch werden wollte, was Vater, Groß- und Urgroßvater schon waren: Kirchenmaler und Restauratoren. Er ging auf die Wirtschaftsschule und anschließend in der Oberpfalz in die Lehre. "Man braucht enormes Feingefühl, Verständnis und vor allem Wertschätzung für die alten Sachen", sagt er. Ein guter Restaurator und Kirchenmaler ziehe sich respektvoll hinter das ihm anvertraute Kunstobjekt zurück, so Ehmann.

Er verwirkliche sich nicht selbst, sondern passe sich dem ursprünglichen Werk und seinem Künstler an. "Kirchenmaler sind Imitationskünstler", sagt er. Sie müssten "die alte und die neue Zeit zusammenbringen können". Könnte er auf Zeitreise gehen, zöge es den jungen Unternehmer zurück in den Barock und das Rokoko. "Da war am meisten los, da war alles so schön verspielt", sagt er.

Matthias Ehmann führt in das Lager seines Betriebes. Allerhand Gipsabdrücke liegen in den Regalfächern, darunter eine heilige Barbara. Die Tunnelbauer verehren sie als ihre Schutzpatronin, dabei zweifelt inzwischen sogar die katholische Kirche daran, ob die angebliche Märtyrerin aus dem vierten Jahrhundert in der überlieferten Form überhaupt gelebt und für ihren Glauben gelitten hat. Im Lager riecht es streng nach Ammoniak. Um nicht zu sagen: Es stinkt bestialisch. "Ich mag den Geruch", sagt Ehmann und grinst.

Kirchenmaler wie ihn gibt es nicht viele. Außerhalb Bayerns sind es meist Maler, die eine entsprechende Zusatzqualifikation erwerben. Bundesweit gibt es nur noch in München eine spezielle Meisterklasse für Kirchenmaler und Vergolder. Es ist eine sehr spezielle Zunft. Sie lebt zu großen Teilen von öffentlichen oder halböffentlichen Aufträgen. Die Geschäfte sind volatil. Wenn Staat, Kommunen oder Kirchen sparen müssen, dann oft zuallererst bei ihren Denkmälern. Der Aufschwung der Firma Ehmann in den vergangenen Jahren hat viel mit Akribie im Detail zu tun. Damit etwa, dass die Fürther Firma beim Restaurieren das Herstellen von Originalfarben und -techniken aus früheren Jahrhunderten beherrscht. "Wir steigen oft ein, wenn es heißt: Das geht nicht", sagt der Inhaber. Und doch ist vieles am Ende weniger eine Frage des Wertes als vielmehr der Kosten. In seinem Atelier stehen eine kunstvoll geschnitzte Predigtkanzel und ein zwei Meter hohes Altarbild. Es zeigt Moses, als Gott ihm die Zehn Gebote verkündet. Kanzel und Bild sind schwer beschädigt, sie müssen dringend restauriert werden. Doch noch ist unklar, wer das bezahlt.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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