Handelsstreit:China sieht rot

Lesezeit: 4 Min.

Tomaten trocknen in der Sonne in der Region Xinjiang: Ketchup oder Pastasoßen von hier dürfen nicht mehr in die USA eingeführt werden. (Foto: Que Hure/Imago)

Die US-Regierung verhängt Importverbote für Tomaten und Baumwolle aus Westchina. Die Reaktion aus Peking wird kommen - und der Weltwirtschaft droht enormer Schaden.

Von Christoph Giesen, Peking

Es geht um Baumwolle und Tomaten aus Westchina, beides steht nun auf dem Index in den Vereinigten Staaten. Was oberflächlich nach einer Petitesse klingt, ist ein gewaltiger Einschnitt für die Textilbranche und für Lebensmittelhersteller weltweit. Wegen Menschenrechtsverletzungen und Zwangsarbeit hat die amerikanische Regierung ein Importverbot für Baumwolle und Tomaten aus der chinesischen Region Xinjiang verhängt, der Heimat der muslimischen Minderheit der Uiguren. Hunderttausende von ihnen sind dort in Umerziehungslagern weggesperrt.

Betroffen von dem Einfuhrbann sind künftig auch alle Produkte, die aus Baumwolle in Xinjiang hergestellt werden oder für die Tomaten aus der Region verwendet werden: Pullover, T-Shirts, Hosen und Turnschuhe, genauso wie Ketchup, Tomatenmark oder Pastasoßen. Eine Milliardenindustrie ist nun gezwungen, recht bald umzusteuern und neue Lieferketten zu erschließen.

Geldanlage und Nachhaltigkeit
:Umweltschützer werfen Blackrock Greenwashing vor

Der weltweit größte Vermögensverwalter hat versprochen, nachhaltig zu werden. Doch in Wahrheit hat sich kaum etwas geändert, bemängelt ein neuer Report.

Von Jan Willmroth

Das Verbot erlaubt es den amerikanischen Zollbeamten, Importe zu stoppen, bei denen sie den Verdacht haben, dass sie mit jenen Rohstoffen aus Xinjiang hergestellt wurden - unabhängig davon, ob sie direkt aus der Volksrepublik oder über ein anderes Land in die Vereinigten Staaten gelangen.

Das Workers Rights Consortium schätzt, dass amerikanische Textilunternehmen und Einzelhändler jedes Jahr mehr als 1,5 Milliarden Kleidungsstücke importieren, für die Materialien aus Xinjiang verwendet werden. Das entspricht einem Einzelhandelsumsatz von mehr als 20 Milliarden Dollar. Die Volksrepublik ist zudem der größte Tomatenproduzent der Welt, und die fruchtbare Region Xinjiang, die beinahe so groß wie Westeuropa ist, macht den größten Teil aus. Ähnlich sind die Dimensionen bei der Baumwolle: Etwa 85 Prozent des chinesischen Anbaus findet in Xinjiang statt - mehr als ein Fünftel der weltweiten Produktion. Und rund 70 Prozent davon müssen noch immer per Hand gepflückt werden, eine schwere körperliche Arbeit im Akkord.

Bis vor wenigen Jahren rekrutierten die Kooperativen zur Ernte im Herbst überwiegend Saisonarbeiter aus westlichen und zentralen Provinzen der Volksrepublik. Sogenannte Han-Chinesen, die freiwillig für mehrere Monate nach Xinjiang kamen und dort in Baracken neben den Feldern schliefen. Inzwischen aber wird ein Großteil der chinesischen Baumwolle unter Zwang gepflückt, vor allem von Uiguren, wie eine Studie des China-Forschers Adrian Zenz im Dezember zeigte.

Anhand von öffentlich zugänglichen Regierungsdokumenten belegte Zenz, dass die lokalen Behörden mithilfe eines staatlich angeordneten Arbeitsprogramms die Saisonarbeiter durch Minderheiten aus Xinjiang ersetzen. "Mehr als eine halbe Million Uiguren werden - höchstwahrscheinlich ob sie wollen oder nicht - vom Staat drei Monate lang in die Felder geschickt", schätzt Zenz. Die chinesische Regierung bestreitet das vehement. Alle Arbeitsverhältnisse in China kämen auf freiwilliger Basis zustande.

Dem Importverbot könnten sich noch andere Länder anschließen

Wie aber kann man sicherstellen, dass künftig keine Baumwolle aus Xinjiang mehr in die Vereinigten Staaten gelangt? Man werde Gewebe- und Pollenanalysen durchführen, kündigten die US-Behörden bereits an. Für die Hersteller ist es schwierig, auf Baumwolle aus Xinjiang zu verzichten: Der chinesische Textilmarkt gilt als sehr intransparent, an der Baumwollbörse werden oft Mischungen unterschiedlicher Herkunft gehandelt. Die Branche wird sich etwas einfallen lassen müssen, womöglich führt der Xinjiang-Bann gar dazu, dass vorsorglich gar keine Textilien aus chinesischer Fertigung mehr in die USA gelangen.

Und nicht nur das: Nicht zu unterschätzen ist die Sogwirkung, die ein amerikanisches Verbot haben könnte. Zum einen, weil sich eventuell noch weitere Staaten anschließen, Großbritannien etwa hat Baumwolle aus Xinjiang bereits geächtet. Zum anderen ist der amerikanische Markt für viele Unternehmen so wichtig, dass sie sich den Vorgaben aus Washington womöglich beugen und ihre gesamte Produktion umstellen werden - und zwar weltweit. Bei T-Shirts genauso wie bei Ketchup.

Es ist daher wohl leider nur eine Frage der Zeit, bis China auf das Einfuhrverbot reagiert. Revanche, statt die Zwangsarbeit zu beenden. Washington legt vor. Peking zieht nach. So geht das nun seit knapp drei Jahren. Was mit einigen Milliarden Dollar im Frühjahr 2018 begann, hat sich zu einem ruinösen Handelskrieg ausgewachsen, in dem beide Lager sich Strafzölle für Hunderte Milliarden auferlegt haben.

Es besteht die Gefahr, dass es künftig zwei Lieferketten gibt: Eine chinesische und eine für den Rest der Welt

Der jüngste Vorstoß Pekings ist erst wenige Tage alt: Am vergangenen Wochenende erließ das Handelsministerium in Peking eine Verordnung. Diese untersagt international tätigen Unternehmen, sich an ausländische Gesetze zu halten, die Transaktionen mit chinesischen Unternehmen und Personen einschränken oder verbieten.

Beispiel Huawei: Der chinesische Netzwerkausrüster darf aufgrund einer Verfügung von US-Präsident Donald Trump seit vergangenem September keine Halbleiter mehr von amerikanischen Unternehmen beziehen, genauso wenig wie Chips, die mit Maschinen aus den USA hergestellt werden oder deren Produktionsverfahren in den Vereinigten Staaten patentiert sind. Huawei hat deshalb vor dem Bann systematisch Chips gebunkert, der Weltmarkt ist derzeit beinahe leer gekauft. Die Autoindustrie hat daher vielerorts die Produktion drosseln müssen.

Die neuen Regeln sehen nun vor, dass chinesische Einzelpersonen oder Institutionen sich beim Handelsministerium melden können, wenn ihr Geschäft von ausländischen Gesetzen eingeschränkt wird - etwa durch Verbote in den USA. Die chinesischen Behörden prüfen dann, "ob die Befolgung gegen internationales Recht und die grundlegenden Normen der internationalen Beziehungen verstößt", wie es in der Verordnung heißt, und ob dies Auswirkungen auf "Chinas nationale Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen" bewirke. Falls ja, kann das Ministerium Strafen verhängen. Viele Unternehmen, etwa jene, die Huawei aufgrund der US-Bestimmungen keine Halbleiter mehr geliefert haben, könnten so in die Zwickmühle geraten. Das gilt künftig auch für Textilhersteller und Lebensmittelkonzerne. Entweder Strafen in den Vereinigten Staaten oder in China. Ein gewaltiges Dilemma.

"Die zunehmende Entkopplung der amerikanischen und der chinesischen Wirtschaft ist ein massiver Einschnitt", warnt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Am Donnerstag legte die Kammer eine Studie vor. Die Situation sei ernst, gaben 120 befragte Mitgliedsunternehmen an. Es bestehe die Gefahr, dass es künftig zwei Lieferketten gebe, eine chinesische und eine für den Rest der Welt. "Müssen wir uns zwischen dem amerikanischen und dem chinesischen Markt entscheiden? Es ist eine Frage, die wir alle hassen", sagt Wuttke. Doch was hilft dagegen? "Miteinander reden." Aufeinander zugehen, derzeit ist das allerdings schwer vorstellbar.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGeldanlage
:Fonds geschlossen? Was Anleger dann noch machen können

Jedes Jahr werden in Deutschland Tausende Fonds geschlossen. Experten geben Tipps, wie Sparer dem entkommen können.

Von Harald Freiberger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: