Handelsstreit:Mit der Kraft von 200 Milliarden

A worker makes flags for U.S. President Donald Trump's 'Keep America Great!' 2020 re-election campaign at Jiahao flag factory in Fuyang

Ein guter Wahlkampf braucht Flaggen. Diese werben für Trumps Wiederwahl 2020 – und kommen aus China, aus einer Fabrik in Fuyang.

(Foto: Aly Song/Reuters)

Nun gelten die neuen Zölle zwischen USA und China. Doch folgt vielleicht bald der nächste Schlag aus Washington?

Von Christoph Giesen und Claus Hulverscheidt, Peking/New York

Es war zwölf Uhr mittags in Peking und Schlag Mitternacht auf der anderen Seite der Welt, in Washington: Seitdem sind jene neuen Einfuhrzölle auf weitere chinesische Warenlieferungen im Wert von 200 Milliarden Dollar in Kraft, mit denen der US-Präsident Zugeständnisse Pekings in der Wirtschafts- und Handelspolitik erzwingen will. Im Blick hat Trump dabei nicht nur den immensen chinesischen Handelsüberschuss gegenüber den USA, der sich allein 2017 auf rund 375 Milliarden Dollar belief. Vielmehr muss die Volksrepublik nach dem Willen der USA auch den Diebstahl geistigen Eigentums, die Subventionierung staatlicher Unternehmen und die Gängelung der ausländischen Konkurrenten stoppen. In dem Konflikt geht es auch um die Frage, welcher der beiden Staaten sich zur wirtschaftlichen Weltmacht Nummer eins im 21. Jahrhundert aufschwingt.

China konterte die jüngsten Zollbeschlüsse Trumps mit der Verhängung weiterer Einfuhrabgaben auf US-Produkte. Damit sind nun Warenlieferungen im Wert von 110 Milliarden Dollar betroffen - etwa 85 Prozent dessen, was amerikanische Firmen jährlich in die Volksrepublik exportieren.

Kaum waren die neuen Zölle in Kraft getreten, verbreitete Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua eine Meldung, in der schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Washington erhoben werden. Die Vereinigten Staaten verfolgten eine Strategie der "Handels-Tyrannei", zitierte Xinhua am Montag aus einem Weißbuch der Pekinger Führung. Mit Zöllen schüchterten die USA andere Länder ein, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen. China habe sich um eine Lösung des Konflikts bemüht. Die US-Regierung habe "sich aber selbst widersprochen und China kontinuierlich herausgefordert".

Die stellvertretende Sprecherin des Weißen Hauses gab sich derweil völlig ungerührt, ganz so, als sei gar nichts geschehen. Das Verhältnis ihres Dienstherrn zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping sei trotz des andauernden Handelskonflikts "exzellent", erklärte Lindsay Walters. Beide Politiker stünden seit langem in engem Kontakt, die Tür für weitere Verhandlungen sei offen. Dass Donald Trump eben jene Tür gerade erst wieder einmal zugeschlagen hat, ließ sie unerwähnt.

So selbstbewusst die chinesische Führung nach außen auch klingen mag, im Apparat ist die Stimmung merklich angespannt. Zu Beginn des Handelsstreits hatte sich China noch auf ein Duell eingelassen. Zuerst erließ Washington Strafzölle auf Lieferungen in Höhe von drei Milliarden Dollar, Peking antwortete umgehend und reziprok. Dann folgten Zölle auf 34 und 16 Milliarden Dollar; Trump legte vor und Peking zog nach. Zwischendrin Gespräche: Xis Mann für den Handel, Vizepremier Liu He, flog nach Washington und offerierte viel. Das Handelsdefizit wollte China abschmelzen, amerikanische Produkte in Milliardenhöhe kaufen. Vergeblich. Inzwischen ist die Lesart in Peking einhellig: Donald Trump will Chinas wirtschaftlichen Aufstieg um jeden Preis beenden.

Die zusätzlichen 200 Milliarden Dollar sind deutlich mehr als nur eine Unwägbarkeit für die chinesische Exportindustrie. Die Befürchtung in Peking ist, dass daraus rasch ein Problem für die gesamte Wirtschaft erwachsen kann, da ausländische Unternehmen bereits an Notfallplänen arbeiten, Teile der Produktion in andere Länder zu verlagern. Um die heimischen Unternehmen zu stützen, pumpt die Zentralbank vorsorglich Geld in den Markt.

Die Unsicherheiten aber bleiben. Vergangene Woche kassierte Alibaba-Chef Jack Ma seine kühnen US-Pläne. Sein Unternehmen könne in den Vereinigten Staaten "eine Million Arbeitsplätze in den nächsten fünf Jahren schaffen", indem es eine Million amerikanischen Kleinunternehmen und Landwirten ermöglicht, amerikanische Waren an China und asiatische Verbraucher auf der Alibaba-Plattform zu verkaufen, hatte Ma zu Beginn von Trumps Amtszeit nach einem Treffen mit dem Präsidenten in New York versprochen. Dazu sieht Ma sich aber nun nicht mehr in der Lage. "Es gibt keinen Weg, das Versprechen einzuhalten", sagte der Alibaba-Chef ebenfalls Xinhua.

Die Frage ist nun, ob Trump seine Drohung wahr machen wird, auch die verbliebenen, noch nicht betroffenen chinesischen Ausfuhren im Wert von 267 Milliarden Dollar mit Zöllen zu belegen. In den chinesischen Ministerien beobachten sie gebannt - ausgestattet mit Sondergenehmigungen - die Twitterei des US-Präsidenten. Eigentlich ist der Dienst in China gesperrt. Aber um zu verstehen, was Trump vor hat, muss man seine Tweets lesen.

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