Süddeutsche Zeitung

Handelsstreit mit China:Sonnen-Wende in Europa

China hilft bei seinen Solarfirmen mit Subventionen nach. Dennoch wären Strafzölle die falsche Antwort. Warum, bitte schön, soll die EU eine Branche mit Zöllen schützen, die sie ohnehin nicht in Europa halten können?

Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Wenn deutsche Politiker zu nett mit ihren chinesischen Kollegen umgehen, ist Vorsicht geboten: Haben sie, um des lieben Friedens willen, wieder nur vorsichtig über die Lage der Menschenrechte gesprochen? Haben sie es, um der lieben Wirtschaft willen, wieder nicht gewagt, die kommunistische Regierung wegen ihres Umgangs mit Regimegegnern deutlich zu kritisieren?

Skeptisch konnte man zunächst auch sein, als nun die Spitzen von Regierung und Opposition dem neuen Ministerpräsidenten Li Keqiang bei dessen Deutschlandbesuch ihre Aufwartung machten; zu nett, zu freundlich wirkten sie. Deutschland, offerierten sie dem Gast, werde alles daransetzen, europäische Strafzölle gegen die Volksrepublik zu verhindern. Die EU-Kommission hatte mit derartigen Sanktionen gedroht, nachdem vor allem deutsche Unternehmen und der deutsche Umweltminister solche Zölle gefordert hatten. Nun blies Berlin plötzlich zum Rückzug.

Doch auch wenn Merkel und Rösler, Steinbrück und Gabriel in ihrem Bestreben, die Chinesen zu unterstützen, auf den ersten Blick willfährig erschienen: Sie haben völlig recht. Sollte nämlich die EU-Kommission tatsächlich einen Strafzoll von 47 Prozent auf chinesische Solarmodule verhängen, würde dies nicht nur der chinesischen Solarindustrie schaden, sondern vielen Unternehmen in Europa. Denn die Chinesen haben deutlich gemacht, dass sie Gleiches mit Gleichem vergelten werden. Sie werden den Zoll mit einem Gegenzoll kontern und ihre Märkte vor Importen von Unternehmen aus Europa schützen. Am Ende träfe ein Handelskrieg, der immer weiter eskaliert, also Siemens oder VW, BASF oder Wacker Chemie, mithin Unternehmen, die weit bedeutsamer sind als die Solarfirmen.

Die Goldgräberstimmung hat andere Anbieter angelockt

Aber auch wenn man allein die Solarindustrie betrachtet, muss man sich fragen: Warum, bitte schön, sollen die Europäer eine Branche mit Zöllen schützen, die sie ohnehin nicht in Europa halten können? Warum sollen die EU-Staaten chinesische Solarmodule künstlich verteuern, obwohl von den Billigimporten Millionen Verbraucher in Europa profitieren? Warum soll Brüssel die Menschen in Deutschland, Spanien oder Österreich zwingen, sich deutsche Solarmodule aufs Dach zu schrauben, wenn chinesische Firmen wie Suntech oder Yingli diese viel günstiger produzieren? Genauso gut könnten die Europäer auch Zölle auf Fernseher, Handys oder Computer einführen, um ihren letzten eigenen Hersteller vor der übermächtigen asiatischen Konkurrenz zu schützen.

Die europäische Solarbranche - und allen voran die deutsche - kämpft auch deshalb so heftig um staatlichen Schutz, weil die Unternehmen sich der staatlichen Unterstützung (und der Aufmerksamkeit durch wichtige Politiker bis hin zur Kanzlerin) lange sicher sein konnten. Die öffentliche Förderung des Ökostroms hat die Branche groß werden lassen, am Ende war sie zu groß. Nun schrumpft sie umso schneller, und das liegt auch an den staatlichen Subventionen für die erneuerbaren Energien: Die dadurch erzeugte Goldgräberstimmung hat andere Anbieter angelockt, die an den Gewinnen teilhaben wollten - vor allem die Chinesen, deren Solarindustrie es vor wenigen Jahren nicht gab.

Gewiss, auch Peking hat bei seinen Solarfirmen mit Subventionen nachgeholfen. Dennoch wären Strafzölle die falsche Antwort. Die Europäer gewännen nichts, wenn sie dadurch eine Branche schützen, die sie künstlich aufgebläht haben. Besser wäre es, die EU-Kommission und die Bundesregierung brächten die Chinesen dazu, ihre Märkte für andere Produkte stärker zu öffnen, gerade auch von europäischen Unternehmen. Dazu aber bedarf es bisweilen harter, deutlicher Worte. Und nicht bloß netter Freundschaftsbekundungen.

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SZ vom 29.05.2013
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